Frage an Jörg Duschmalé: «Isst du mit mir?» - «Gegenfrage: Magst du Dumplings?»
«Ok. Bin jetzt nicht unbedingt der chinesisch genudelte Essfreak. Und Dumplings? Irgendwie erinnern mich diese flutschigen Päckchen immer an die Schaufelhändchen von Maulwürfen. Nur krallenlos. Und netter geformt.»
«Du wirst staunen! Die Dingerchen schmecken wirklich göttlich...» - Das war Jörg Duschmalé. Sein Bruder hat zusammen mit Max Basels neustes Dumpling-Aha-Erlebnis ins Gundeli gebracht. Das Date geht also bei Pengs Dumpling ab. Und klar: Das Restaurant ist schon optisch ein absolutes Highlight.
Max, der Wirt, strahlt: «Unser Peking-Enten-Event am Sonntag ist ausverkauft!»
Der Schuppen boomt. Und ich bestelle gleich mal alles, was da an Dumplings gedumpelt wird. Man will ja mitreden können... Jörg wirkt etwas nervös. Vermutlich lässt ihn der frisch geborene Nachwuchs nicht schlafen. Man kennt das: Genervte Eltern fahren im Auto mit dem schreienden Kind durch die Nacht. Aber der Jungvater winkt gleich mal ab: «Überhaupt nicht! Unser Bub pennt durch. Und wir auch. Er ist ein absolutes Anfängerbaby. Problemlos. Na ja - vielleicht müssen wir einmal raus. Meine Frau und ich wechseln uns ab Ich habe also noch Ressourcen.»
Aber es ist eine neue Dimension?
Jetzt geht er ab wie ein chinesisches Feuerwerk: «Ehrlich - das hätte ich nie geglaubt. Alle Freunde, die ebenfalls Nachwuchs bekommen haben, haben uns heissgemacht: Ein Kind wird euer Leben total verändern. Und ja, ja, ja habe ich gegrinst. Und bla, bla, bla gedacht. Plötzlich ist der kleine Wurm da. Jetzt ist auf einen Schlag alles anders! Man schwebt in einer Happiness-Bubble. Und das Leben dreht sich nur noch um das Baby.»
Warst du bei der Geburt dabei?
«Ja klar. Ich denke nicht, dass ich gross helfen konnte. Vielleicht hochgerechnete fünf Prozent? Aber ich hätte den Moment nicht missen wollen...»
Jetzt teilt ihr euch bei der Arbeit rund um den Kleinen auf?
«Ich tue mein Bestes. Aber Stillen ist eben immer noch Frauensache... So weit sind wir Männer noch nicht. Apropos...» Jörg schält eine Fotografie aus der Mappe. Etwas verblasst: «Hier. Ich will dir damit nur beweisen, dass auch du mal ein Baby zur Brust hattest. Wir waren in eurem Leymener Garten zu Besuch. Da hast du mich aus dem Wagen hochgenommen...»
Vor 37 Jahren hatte ich also den jüngsten Roche-VR im Arm. Themenhüpfer: Du hattest beim Roche-Jubiläum deinen ersten grossen Auftritt in der Öffentlichkeit. So etwas fällt der Oeri-Sippe nicht unbedingt leicht...
«Nun, ich habe mich gut vorbereitet. Habe verschiedene Medientrainings hinter mich gebracht...»
O. k. Aber bis anhin hat sich die Familie sehr zurückhaltend gegeben, wenn die Presse anklopfte. Ich meine: Buckingham in Basel - es dringt nichts nach draussen...
«Das stimmt. Aber die Zeiten ändern sich. Übrigens - wie wir wissen - auch bei den Buckinghams. Ich bin heute die fünfte Generation, die unsere Familie als Roche vertritt. Und ganz klar: Roche ist sehr stark mit dieser Gründerfamilie verbunden. Auch mit unserer Stadt. Also müssen wir uns für die Basler ein bisschen öffnen.»
Dennoch war der Name Duschmalé eine gute Tarnkappe für dich. Es wäre irgendwie schwieriger gewesen als Oeri in Basel.
«Ich bin genauso stolz auf den Namen der Mutterseite. Immerhin sind es meine Wurzeln. Aber ich denke, man macht zu viel Gesumse um solche Sachen. Für einen ganz kurzen Augenblick überlegte ich mir sogar, bei der Heirat den Namen meiner Frau anzunehmen: Jörg Müller - herrlich anonym.»
Hätte ich gut gefunden. Weshalb nicht?
«Nun, ich bin eben ein Duschmalé - in dieser Familie gross geworden. Und das will ich ja auch irgendwie zeigen.»
Du bist zuerst in der Dalbe aufgewachsen.
«Ja. Ich ging dort in den Kindergarten. Dann zügelten wir aufs Bruderholz. Heute wohnen wir in Bettingen. Und wenn ich nachts nicht schlafen kann, dann nur, weil ich mich sorge, wenn die Kühe hinter dem Haus rummuhen: Was plagt sie nur?»
Du hast im Freien Gymnasium die Matura gemacht...
«...mit fakultativ Latein - übrigens als einer der Letzten, die dieses Fach wählten. In der Freie habe ich den Knopf aufgemacht. Ich wurde plötzlich ein guter Schüler.»
Mit Vorliebe zum Fach Chemie? Oder hat dich die Familie zurechtgestutzt? Mit einem Chemiebaukasten unter dem Weihnachtsbaum und...
«Also den Chemiekasten gab es wirklich als Geschenk. Aber da man ja die verschiedenen Flüssigkeiten dazu nicht mitgeliefert bekam, wurde es schwierig. Das Spielzeug verstaubte jungfräulich im Schrank. Und nein. Die Familie hat nie Druck gemacht. Das ist nicht ihr Stil. Eines Tages aber waren wir zur Eröffnung des Forschungsgebäudes 92 eingeladen. Die Verantwortlichen machten mit uns eine Führung. Danach gabs Apéro. Nun sind so nette Small Talks an Stehtischchen schon damals nicht meine Welt gewesen. Ich habe mich in eine Ecke verdrückt - und ein Mann, den der ganze Apérozauber auch zünftig anpisste, nahm sich meiner an. Er war Chemiker. Und er redete so begeistert von seinem Beruf, dass ich erstmals aufhorchte. Er fixte mich richtig an...»
Du hast dann Chemie studiert...
«Am St.-Johanns-Ring. Und den Doktor machte ich an der ETH. Ich pendelte jeden Tag anderthalb Stunden hin. Und anderthalb Stunden zurück...»
Du hättest dir doch eine Zürcher Bleibe leisten können.
«Stimmt. Aber ich war schon damals stark mit unserer Stadt verbunden und wollte lieber hier sein!»
Du bist der Erste in der Familiensippe, der Chemie studiert hat...
«Ich glaube, du hast recht... Es gab natürlich Mediziner. Und meinen Grossonkel Luc, den berühmten Zoologen und Umweltschützer.»
Und was findest du an Chemie so faszinierend?
«Ich bin ein manueller Mensch. Ich liebe es, etwa zu kochen, zu schnippeln, zu rüsten. Chemie ist das akademischste Handwerk.»
Deine Frau ist auch Chemikerin?
«Nein. Biologin. Sie hasst Chemie. Das war mein Glück. Als ich ihr in der Roche einen Satz frisch hergestellter Substanzen vorbeibrachte, die sie auf Wirksamkeit testen sollte, war sie mir auf Anhieb sympathisch. Umgekehrt wohl auch. Jedenfalls bat sie mich jeweils um Hilfe, wenn sie ein besonders schwieriges Molekül zeichnen sollte. Nach einem erfolgreichen Abschluss eines gemeinsamen Projekts haben uns beide Chefs zum Nachtessen eingeladen. Die Chefs gingen dann nach Hause - und wir auf einen langen Nachtspaziergang.»
Sie kümmert sich heute nicht nur um den Nachwuchs - sie bringt sich auch in den Werken von Sabine, deiner Mutter, ein...
«Ja. Zum Beispiel in der Wibrandis-Stiftung. Diese schafft unter anderem für den Wirrgarten und das Vorstadttheater im Ökolampad ein neues Zuhause. Das sind Herzensangelegenheiten meiner Mutter. Meine Frau schwingt hier auf derselben Wellenlänge...»
Du bist in einem religiösen Umfeld aufgewachsen - dein Vater war krank. Wie hat dich das geprägt?
«Ich würde behaupten, ich bin sehr empfindsam für Stimmungen. Das kommt sicher vom Umgang mit der Krankheit meines Vaters. »
Ihr seid im Winter an die Sonne geflogen, weil dein Vater die Wärme, das Licht brauchte.
«Das war natürlich toll aber ich wurde so ums Skifahren gebracht.»
Kein Sport?
«Also - ich fahre von Bettingen mit dem Velo in die Stadt. Ich jogge mit unserem Labrador... Ich wandere auch gerne. »
Nochmals zum religiösen Umfeld: Du bist gläubig.
«Nun, ich interessiere mich stark für alle Religionen. Und ich suche nach Gemeinsamkeiten. Es wäre sinnvoller, die Menschen würden die gemeinsamen Nenner aufspüren als das, was sie voneinander trennt. Vielleicht hätten wir mehr Frieden.»
Du gehst neue Wege - aber du wirst die Route deiner Ahnen weiterfahren: keine Bodyguards, keinen Chauffeur und Butler... Als ich deine Grossmutter Vera in einem Interview einmal fragte, was für sie der grösste Luxus sei, antwortete sie: «Der grösste Luxus für mich ist, ein normales Leben zu führen.»
«Meine Grossmutter wusste, dass wir in der Schweiz, vor allem aber in Basel, leben können wie jeder andere auch.»
Max, der Wirt, verabschiedet sich: «Alles gut bei euch...?» - «Danke - die Dumplings waren ein Gedicht.»
Jörg grinst: «Wir haben heute Abend Gäste. Ich mache einen Nusshackbraten. Ohne Fleisch. Schicke dir dann ein Bild...»
Dann fährt er auf seinem Göppel davon - in die Normalität, die hier ein Luxus ist.
Vorlieben und AbneigungenEr mag: Die Stadt Basel ... das Handwerkliche am Chemieberuf ... Kochen ... und die neue Aufgabe als Vater
Er mag nicht: Fleisch (na ja, manchmal schon, aber immer weniger) ... und wenn Journalisten zu private Fragen stellen