Paola Biason: Ein Leben mit «Glanz und Gloria»

Foto: Lucia Hunziker

Sie ist Zürcherin. Durch und durch. Der breitblecherne Dialekt. Das elegante Outfit. Und der Glanz, der sie leuchtend mit Gloria umflirrt.

Sie i s t der Glanz.

Sie i s t das Gloria.

Sie ist «Glanz & Gloria».

«Wir treffen Paola Biason im Rosaly’s: «Kennst du bestimmt. Beim Bellevue...» AUCH DA IST SIE, DIE KLARE ZÜRCHERIN: Sie nimmt an, dass jeder die Limmat-Stadt kennt.

Ich google also Rosaly’s. Maskiere mich. Hocke in einem FAST leeren Zug von Spiez bis Zürich. Und finde die Restaurant-Bar in einer schattigen Enggasse. Die Tische halten auf Abstand. Der Restaurateur lässt Plexiglas-Wände anschleppen: «Vorgestern erhalten. 30’000 Stutz! Und vermutlich heben die übermorgen diese Abschrankungs-Regeln auf... das ist eben Corona.»

Schon von weitem hört man ihr Lachen. Und liegt gleich flach - Paolas Charme umwickelt einen wie die Zuckerwatte den feinen Stab: «Ich bin seit Corona zum ersten Mal wieder in ein Övau gehockt.» In «Leutschenbach» dirigiert sie 16 Leute. Als Chefin hat sie Haare auf den Zähnen - doch alles schwärmt: «Sie geht für ihr Team durchs Feuer. Ist für jeden da. Auch wenn er Volontär oder Postbote ist...»

Später erzählt mir Paola Biason: «Wenn wir Glanz & Gloria planen, winken die Jungs und Mädels bei einem Namen gerne mal ab: Das ist doch nur ein C-Promi. So etwas gibt es bei mir nicht. Alle, die bei uns in der Sendung sind, werden als A-Promi behandelt. Ob das nun Roger Federer ist oder eine singende Kioskfrau.»

Wie war das während der Corona-Quarantäne?

«Nun - das Schlimmste war, dass keine Events mehr stattfanden, über die wir berichten konnten. Also mussten wir unsere Kreativ-Bombe zünden. Und die Promis über Facetime auf den Bildschirm holen. Und dann ist da auch die Erfahrung, aus dem Homeoffice zu arbeiten - das hat Gutes gebracht.»

Du schmeisst den Laden seit fünf Jahren. Aber nie vor der Kamera.

«Ich fühle mich hinter der Kamera wohler. Ich hatte zwar im Privatfernseher Züri1 meine eigene People-Show. Sie hiess Downtown. Aber es irritierte mich immer, wenn ich mich im TV sah... Ich habe nun mal kein Standard-Fernsehgesicht. Es ist ziemlich prägnant. Und drin steckt eine grosse Nase.»

Sind «prägnante» Gesichter und ein guter Riecher für den Zuschauer nicht spannender als die 08/15-Durchschnitts-Schönen?

«Vielleicht. Aber wenn du nicht gern im Vordergrund stehst, strahlst du das auch aus. Also ging ich in den Hintergrund - bis heute. Dasselbe ist mir übrigens auch am Radio passiert. Ich wollte nicht zum Fernsehen. Sondern ans Radio. Immer kamen Absagen - bis es Roger Schawinski mal deutlich aussprach: Paola - du hast die beste Stimme für den Print-Journalismus. Da wusste ich, woran ich war...»

ABER «PEOPLE» HAT DICH IMMER FASZINIERT?

«Ich liebe Menschen. Jeder hat eine Geschichte. Das ist die Voraussetzung: dass du Menschen liebst. Und die zweite Voraussetzung: Du darfst auf Promis nicht neidisch sein... weder auf die Millionen einer Unternehmer-Gattin, noch auf das gute Aussehen einer Miss Schweiz. Du musst dich für sie freuen können. Und das kann ich. Vielleicht ist das die italienische Seite in mir. Italiener kennen keinen Star-Neid. Sondern jubeln allen ihren Idolen zu.»

Du bist in Italien geboren?

«Nein. Ich kam in Zürich auf die Welt - meine Eltern sind aus Venetien emigriert und zogen in die Schweiz. Mein Bruder und ich wurden dann das, was man heute Secondo oder eben Seconda nennt...»

Schwierige Jahre?

«Das kannst du laut sagen. Ich erinnere mich an die Schwarzenbach-Abstimmung. Ich war fünf Jahre alt. Wir sassen in der Stube vor dem Radio. Mein Vater erklärte uns: «Diese Abstimmung entscheidet, ob wir hier bleiben dürfen.» Das war schrecklich. Als dann die Resultate draussen waren, klingelte es. Eine Nachbarin stand mit Gläsern und einer Flasche Wein vor der Türe. Das ist mir heute noch glasklar in Erinnerung. So etwas vergisst du nie.» Sie lacht hell auf: «Auch nicht, als eine Schulfreundin erstmals zu uns nach Hause kam. Und mit grossen Augen sagte. «Ihr habt es ja sauber..!»

Du bist dann in Zürich zur Schule gegangen. Brilliertest mit Best-Noten - und wurdest aufs Gymnasium geschickt.

«Wenn ich da zurückspule, vermute ich, dass bei mir aus der Secondo-Situation heraus der Ehrgeiz heranwuchs: Denen will ichs zeigen! Ich fiel dann im Gymnasium prompt auf die Nase - Mathe, Physik, Chemie waren nicht mein Ding.Ich habe die Matura nur dank meiner Liebe zu den Sprachen bestanden.»

Und dann hast du studiert? Sprachen.

«Nein - erst später. Zuerst wollte ich Geld verdienen. Und reisen. Ich meldete mich neben einem Banken-Job auch als Reise leiterin beim damaligen Imholz an. Natürlich gab man mir Italien, später ganz Europa, dann Amerika, den Goldenen Westen - ich liebte das. In Reisegruppen lernst du die Menschen kennen - und zwar mit allen ihren Schattierungen. So gab es jedes Mal irgendein Gruppen-Ekel. Mein Ehrgeiz war, den oder die zu knacken. Irgendwie ist das immer gelungen.»

Und dann eben doch People-Journalismus?

«Ich hatte für die einstige Züri-Woche bei Karl Lüönd einen Leserbrief in Geschichten-Form geschrieben. Er rief mich an. Holte mich auf die Redaktion: Sie haben Talent. Ich habe zu jener Zeit Sprachen studiert - aber ich wollte sofort alles hinschmeissen. Lüönd winkte ab: Ich gebe Ihnen den Job nur, wenn Sie das Studium fertig machen.»

Du hast dann bei der «Schweizer Illustrierten» und auch beim «SonntagsBlick» Furore gemacht. Warst mit allen Promis auf Du: «Ich habe sie zum Teil aufgebaut. Das ist ein Part unseres Jobs - wir m a c h e n die Promis. Pushen sie. Manche stürzen ab. Andere haben Höhenflüge. Aber wenn du zu Beginn an jemanden glaubst, wird er dir immer dankbar sein, dass du ihn gefördert hast. ALLERDINGS BRAUCHT ES VERTRAUEN - AUF BEIDEN SEITEN. WENN DU NICHT LOYAL BIST, GEHT SO EINE BEZIEHUNG IN BRÜCHE.»

Die Kollegen rümpfen allerdings die Nase: «People-Journalismus ist B-Journalismus.»

«So etwas schmerzt mitunter. Und macht mich fuchsteufelswild. Es ist viel schwieriger, täglich eine Sendung mit und über anwesende Promis auf die Beine zu stellen, als in irgendwelchen News-Sendungen hochtrabend über Politiker, die man noch nie persönlich getroffen hat, herzuziehen. Wir machen knochenharte, haut nahe Live-Arbeit. Non-Stop - dies nicht aus dem Elfenbeinturm. Wenn bei uns ein Gast durchstartet, geht das live über den Bildschirm!»

PASSIERT?

«Ja klar - da ging etwa bei Fohrlers Interview mit Irina Beller die Post ab. Sie verliess wutentbrannt das Studio. Es gibt auch Promis von der sogenannten intellektuellen Seite, die in unsere Sendung kommen. Und süffisant in die Kamera lächeln: Ich schaue das zwar nie - aber jetzt bin ich trotzdem da. Da musst du einfach darüberstehen.»

Die Kellnerin bringt Paola die Pasta: Paccheri an Gemüse.

Kochst du?

«Liebend gerne. Natürlich italienisch: Pasta... Pesce... Saltimbocca. Während des Lockdown habe ich meinem Lebenspartner jeden Abend ein anderes Menü aufgetischt. Er freute sich darauf. Und mich entspannte die Kocherei.

Fünf-, sechsmal jährlich fahren wir nach Portogruaro, also in den kleinen Lagunen-Ort meiner Vorfahren. Wir haben uns in der casa meiner Eltern eine Dachwohnung eingerichtet. Sind wir angekommen, ist es, als würde jemand einen Schalter in mir umdrehen: Ich bin Italienerin... rede im Dialekt drauflos... und geniesse die Italianità...»

Könntest du dir vorstellen, später einmal immer in Italien zu leben?

Sie überlegt lange - dann: «Ich glaube, switchen wäre wunderbar - drei Monate Venetien, drei Monate die Schweiz. Ich liebe die Schweiz eben auch sehr.»

Ihr Lachen dämpft sich jetzt: «Immerhin hat mir dieses Land viel geschenkt. Viel gegeben. Auch die Chance beim Fernsehen. Eigentlich wollte ich ja Sprachlehrerin am Gymi werden. Aber so ist es auch recht...»

AUCH RECHT? DU GILTST IMMERHIN ALS POWERFRAU IM SENDER. UND DIE SCHWEIZER PROMIS VER EHREN DICH WIE DER PAPST DIE MADONNA.

Jetzt wieder das typisch laute Lachen: «Du übertreibst. Mit der neuen Sendung Gesichter & Geschichten kommen neue Herausforderungen auf uns zu. Die Sendung wird etwa doppelt so lange wie Glanz & Gloria. Ende Jahr soll sie starten. Wir werden unser Allerbestes geben müssen.»

Sie lächelt jetzt fast etwas schüchtern: «Ich gab mich nie mit dem Zweitbesten zufrieden. Das ist vielleicht nicht immer einfach für die andern...»



Vorlieben und Abneigungen


Sie mag: Menschen... Menschen... Menschen...
Sie mag nicht: Überhebliche Kollegen... Mathematik und Neid.



Samstag, 22. August 2020