Miriam Baumann-Blocher: «Ich brauche keine Villa»

Miriam Baumann-Blocher. Foto: Lucia Hunziker

Die einen verwerfen die Hände: «BLOCHER? UMSHIMMELSGOTTSWILLEN!»

Sie haben Miriam Baumann nie gesehen. Sie reden drauflos. Und betonieren einfach zu.

Die andern schwärmen: «Die Blocher-Tochter? Baumann? Hat Basel gutgetan - sie ist so viel netter als ihr Vater. Viel süsser...»

Das mit der Süsse stimmt. Kommen wir noch darauf zurück.

Sie wollte das Treffen im Latini. Das Ristorante mit der italienischen Küche liegt nur einen Hüpfer vom Läckerli Huus entfernt. Die Wahl ist also effizient - Frau Baumann will nicht unnötig Zeit investieren. Auch nicht beim Namen.

«Baumann-Blocher? Aber nein. Ich bin Frau Baumann. Fertig. Wenn ich jedes Mal Baumann-Blocher schreiben müsste, bräuchte es für die Unter schriften auf dem Papier einen halben Wald. Baumann genügt. Wobei ich nicht gesagt habe, dass ich nicht zum Namen Blocher stehe. Mir sind beide recht...»

Sie ist unscheinbar: schwarze Hose, unifarbiges Shirt. Jäckchen darüber. Die unauffällige Frau vis-à-vis erinnert an jene reichen Baslerinnen, denen man die Milliarden nicht ansieht. Und die auch nicht darüber reden.

Ich versuche es trotzdem - immerhin ist sie die zweitgrösste Aktienbesitzerin des Ems-Konzerns. Jäckchen hin. Jäckchen her. «Reden wir über Geld...»

Erstauntes Aufblicken: «Das tut man in Basel nicht.»

Sie hat schnell gelernt. Also Themenwechsel. «Wie fühlen Sie sich in der Region, die sie mit dem Kauf des traditionellen Läckerli-Tempels aufgewirbelt haben?»

Nun lacht sie auf. Sie hat dasselbe Lachen wie ihr Vater - laut und ungebremst: «Das sind nun auch schon 13 Jahre her. Die Presse hat einen Riesenwirbel um alles gemacht. Tenor: Zürcherin kauft Basels Traditionen auf - man kennt ja diese schreienden Titel. Jedenfalls waren wir in aller Munde. Und unser Läckerli so gottlob auch bald.»

Wie sind Sie überhaupt auf die Läckerli gekommen?

«Also, die Geschichte beginnt ja viel früher. Zur Kinderzeit. Was viele nicht wissen: Meine Grossmutter wohnte in Muttenz. Zu Weihnachten lag dann immer ein Kilopaket Läckerli unter dem Baum - von Oma für Miriam. Ich riss den Sack auf. Und futterte mich noch am selben Abend durch das ganze Kilo. Ich war süchtig nach Basler Läckerli. Überhaupt: nach Süssem. Meine Mutter war diesbezüglich ziemlich beunruhigt. Sie schleppte mich zum Arzt. Und der winkte ab: Ach, das ist nur eine vorübergehende Phase. Okay, aber die Phase dauert bis heute an!»

Wenn wir schon bei Weih nachten sind: Wie haben die Blochers an Weihnachten mit ihren Kindern gefeiert?

«Wie alle andern auch: Da war das Weihnachtsbaumzimmer, das man vor der Bescherung nicht betreten durfte... das Glöggli, das uns endlich erlöste... der Baum, von dem wir immer wieder überwältigt waren. Und den meine Mutter stets schmückte. Das Essen...»

Ein traditionelles Weihnachts menü?

«Nein. Meine Mutter liess sich immer Neues einfallen. Traditionell waren einfach die Guetsli, oder eben Gutzi.»

«Und heute? Noch immer derselbe Ablauf?» Wieder das Lachen: «Es ist Ihnen aber schon klar, dass die Weihnachtszeit die strengsten Arbeitstage des Jahres mit sich bringt? Ich bin ein Kontrollfreak. Das ist nicht immer von Vorteil. Man macht sich das Leben dadurch oft auch schwer - an Heiligabend, nach Ladenschluss, fahren mein Mann und die Kinder mit mir zu den Eltern. Ich setze mich aufs Sofa. Und spätestens beim Singen von Ihr Kinderlein, kommet bin ich eingeschlafen.»

Aber bringen Sie ihrer Familie zumindest ein paar Läckerli mit?

«EIN PAAR? DA BÄUCHTE ICH WOHL KAUM AUFZUKREUZEN. DAS AUTO IST RAMMELVOLL MIT SÜSSIGKEITEN! DIE WARTEN DOCH ALLE DARAUF!»

«Sie leben in Rheinfelden...»

«Ja. Und ich bin zufrieden. Es ist ein guter Ort. Gemütlich. Am Rhein - ich liebe das Wasser. Dazu eine ideale Infrastruktur. Man ist nahe an der Autobahn. Es hat gute Zugverbindungen. Und mein Mann - er arbeitet jetzt zwei, drei Tage wöchentlich in Wien - kommt schnell zum Flughafen.»

«Sie haben eine Villa auf dem vornehmen Hügel hinter dem Feldschlösschen-Schloss?» Jetzt scheppert das Lachen wieder: «Blödsinn. Wir sind in einer Überbauung, in einer gemieteten Viereinhalb- Zimmer-Wohnung. Was soll ich auf diesem Hügel? Ich kann von unserer Wohnung mit den Kindern zu Fuss ins Städtli spazieren. Kann mit ihnen am Rhein entlangschlendern - das ist doch Lebensqualität! Dazu brauche ich keine Villa. Irgendwann, wenn unsere Kinder grösser werden und nicht mehr zusammen ein Zimmer teilen wollen, werden wir uns wohl nach etwas mehr Platz umsehen müssen.»

«Sie sind relativ spät Mutter geworden. Geplant?»

«Es hat sich einfach so ergeben - geplant war gar nichts. Das heisst, als Kind habe ich immer gesagt, ich wolle meine Kinder sehr früh haben. Alte Eltern seien ein Gräuel nun ist es eben anders gekommen. Man muss vom Schicksal nehmen, was es einem in die Karten mischt.»

Immerhin - Mutter, Unter nehmerin, aktiv im Gewerbeverband. Das tönt nach einem Stundenplan ohne Mittags pause. Wie geht so etwas mit Kindern?

«Da haben wir ganz einfach Glück: Sie sind wunderbar. Und absolut pflegeleicht. Wir hatten eine Nanny, eine ältere Frau, die bei uns pensioniert wurde. Jetzt haben wir am Tag eine junge Nanny aus Rheinfelden - das läuft grossartig. Und mir ist wichtig, dass wir die Abende und Nachtessen gemeinsam mit den Kindern verbringen.»

Apropos Essen: «Wie sind Sie bloss auf den Beruf der Lebensmittelingenieurin gekommen?»

Jetzt funkeln ihre Augen: «Essen! Es war immer das Essen, das mich fasziniert hat. Und auch heute noch fasziniert. Der Berufsberater hat mir eine ellenlange Liste in die Hände gedrückt. Am Schluss sind drei Berufe übrig geblieben: Bio chemikerin, Lebensmittel ingenieurin, Apothekerin - das Essen hat das Rennen gemacht.»

Sie war an der ETH - hat dort gar in der Band gespielt.

«Ja. Querflöte. Und Piccolo.»

Piccolo? Sie könnte an der Fasnacht mitpfeifen...

«Nun gut - technisch würde ich es wohl hinkriegen. Aber mir liegt das Zuschauen mehr. Mein Vater hat ja immer mal wieder am Morgestraich aktiv mitgemacht.»

Hat die Regierung sie ein geladen, den Morgestraich aus dem Basler Rathausfenster zu geniessen?

«Nein. Hat sie nicht...»

Sollte sie aber - immerhin ist Miriam Baumann heute das Symbol einer anderen Basler Tradition: des Läckerli.

Sie zuckt die Schultern: «Ich bin kein Ehrenkübel. Ich fahre da eher auf Schnitzelbängg ab. Meine kleine Schwester lebte viele Jahre hier. Rahel hat uns immer zur Fasnacht an die Schnitzelbängg eingeladen. Meistens ins Fauteuil. Sie ging dann wieder nach Zürich - und ich kam hierher. Heute lade ich alle ein.»

Sie grinst nun: «Einmal habe ich einen richtigen Kölner Karnevalisten nach Basel gelotst. Er wolle schon das Pappnäschen packen. Ich habe ihm abgeraten. Ich zog mit ihm durch die Cliquenkeller und hinter den Zügen her - und er war total erschlagen. Fasziniert von der sozialen Spannweite: Vom CEO bis zum Hausmeister sind alle in derselben Clique. Es gibt keine sozialen Abstände. Das hat ihn am meisten fasziniert.»

Wir haben eine Zeit, die alles durcheinanderwirbelt. Auch das Läckerli-Imperium?

«Sie haben eben einen neuen Laden auf der Passerelle eröffnet. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, aus dem Vertrag auszusteigen?»

«Nun - die Zeiten sind nicht einfach. Aber ich glaube an die Zukunft. Es muss weitergehen. Deshalb ziehe ich das alles auch durch - zusammen mit unseren Leuten. Die Mannschaft ist super. Und besteht zu 70 Prozent aus Frauen...»

«Was wünschen Sie sich vom neuen Jahr für Basel?»

«Ich hoffe, die Stadt schafft den Spagat zwischen dem traditionellen Altbewährten und dem Neuen, Innovativen. Und genau das wünsche ich mir fürs Läckerli Huus auch.»

Vorlieben und Abneigungen

Sie mag: Skifahren, Süsses, das Erlebnis der vier Jahreszeiten.

Sie mag nicht: Meeresfrüchte, Arroganz, Basteln und Zeichnen («Da war ich immer eine Niete»).

Samstag, 19. Dezember 2020