Seine Visitenkarte ist schwarz – na ja wie ein japanischer Grabstein...
Mit Goldschrift.
Das Ganze kommt nicht etwa in kommunem Karton daher. Es hat die harte Konsistenz einer Kreditkarte. Und spielt in der verspielten Art eines 10'000-Dollar-Jetons von Las Vegas.
Die Visitenkarte ist also speziell. Und der Gast ist es auch.
Meine Erwartungshaltung: Kommt er? Kommt er nicht?
Immerhin hat er den Termin etwa drei Jahre lang hinausgezögert. Ein langes Vorspiel für einen DJ.
Der Jockey hat sich das «Donati» in Basel gewünscht.
Der portugiesische Kellner lächelt: «Herr Konrad kommt oft mit seiner Mutter... ein liebenswerter Mann.»
HERR KONRAD?
Erst jetzt wird mir klar, dass Antoine eigentlich «Herr Konrad» ist. «Antoine» ist keine Kunstform – «Ich heisse einfach so. Seit Kindesbeinen...»
Antoine Konrad ist pünktlich – auf die Sekunde. Sein Outfit wirkt ungezwungen. Aber elegant: ein Lumber in der Farbe von flockiger Polenta. Die Augen stecken hinter einer gelblich getönten Brille – die Gläser passen im Ton zum Wildleder-Jackett. «Es war eine lange Nacht – die Sonnenbrille cachiert da ideal.»
Dann ein Cashmere-Pullover mit V-Ausschnitt. Man ahnt ein bisschen Brusthaar.
Ich habe ihn mir «affiger» vorgestellt. Jemand, der sich im Rolls-Royce chauffieren lässt, teure Uhren trägt und seinen Hang zum Luxus nicht unter dem Deckel hält, erweckt immer Neid. Und das Nasenrümpfen des kommunen Fussvolks: «Muss das sein?!»
ES MUSS.
All dieser Prunk, das fröhlich sprudelnde Champagnerglas, 250 Paar Schuhe im Kasten und die 1000-Volt-Dauerfete sind Antoines Markenzeichen. Damit macht er Kohle. Und später erklärt er mir auch wie und warum: «Heute gehören die Neureichen dieser Welt zu meinen Kunden. Russen mit viel Geld. Amerikaner, die plötzlich Millionen haben. Japaner, die sich dumm und blöd verdienen.»
Sie wollen auch ihren Glanz. Und da kommen sie zu DJ Antoine: ‹Organisiere mir doch einen tollen Abend – du kennst jeden. Geld spielt keine Rolle...› Durch diese Begegnungen habe ich aber auch schon Menschen getroffen, die sehr sensibel sind und mit denen sich schöne Freundschaften entwickelt ha-ben...»
Dieselben Leute lassen von Antoine auch Häuser einrichten. Sie besprayen sich mit seiner Duftnote (AK1). Und wollen, dass er ihnen die fünfte Hochzeitsfeier ausrichtet.
«...wenn ich ein DJ in löchrigen Jeans und FUCK-YOU-T-SHIRT wäre, würde keiner von diesen Finanzhaien antanzen. Sie wollen den Glamour. Die totale Show. Sie wollen als beste Gastgeber des Universums in den Klatschspalten erscheinen. Und dazu kann ich ihnen verhelfen...»
Er hat kaum drei Stunden geschlafen. Ein russischer Oligarch hat ihn mit seinem Privatjet nach einer Party in Moskau nach Basel fliegen lassen.
Er lacht: «...und jetzt bin ich da. Wo wollen wir die Fotos schiessen?»
Unsere Fotografin hat Sonderwünsche: «Am Rhein wäre schön.»
Antoine macht alles mit. Posiert. Läuft zehnmal die Treppen hoch und runter. Und wagt nur einmal einen Gegenvorschlag: «Wären die blauen Tische im Hintergrund nicht besser zu meinem Gelb...?»
Natürlich ist es besser. Und er posiert noch einmal.
Wir nehmen Kalorienarmes vom Wagen. Dann Fisch. Und ich muss alles Missgünstige, das ich über ihn gedacht habe, über Bord werfen.
DAS IST KEIN ARROGANTER ARSCH (wie ihn viele bezeichnen). Er lebt auch nicht in den Wolken. Sondern dieser Discjockey ist ein ziemlich nüchterner Rechner. Und fest auf dem Boden.
Nicht umsonst wurde er Helvetiens berühmtester DJ-Export. 200 000 Meilen hat er jeden Sommer auf dem Tacho. Ob Tokio, Sydney, Paris – Antoine legt überall seine Platten auf. Manchmal für 20 000 Leute. Manchmal privat für nur 100.
Jeden Abend gastiert er in einer anderen Stadt. In einem anderen Land. Mitunter spult er drei Kontinente in zwei Wochen ab. Mit Linienflügen geht das nie. Das ist nur mit dem Privatjet zu bewältigen. Aber: «...in der Schweiz nehme ich Zug und Tram. Ich habe ein U-Abo...»
Oft in der Schweiz?
«Zu wenig. Ich wohne ja in Sissach. Arbeite dort. Und liebe diesen Ort, weil er mir die nötige Ruhe schenkt...»
Er ist in Basel aufgewachsen. Bruderholzquartier: «...nicht ganz oben bei den Villen. Reihenhaus. War jedoch schön. Gutbürgerlich eben...»
Sein Vater war Bauführer und Liegenschaftsverwalter, sein Grossvater Unternehmer – «dessen Gene stecken mir im Blut. Mit einem Dutzend Angestellter bin ich heute wohl auch so etwas wie ein Unternehmer...»
Also – Lehrzeit in Basel?
«Ja. Meine Mutter hielt nichts davon, Schallplatten für andere Leute aufzulegen. Sie wollte, dass ich etwas ‹Rechtes› werde. Also ging ich in eine kaufmännische Lehre. Und jobbte nachts in meinem Traumberuf. Mit zwei Holzkisten voller Platten bin ich jeweils losgezogen – und habe meine ersten DJ-Nächte hingelegt...»
Richtig angefangen hats bei Littmann am Basler Totentanz. Genauer: in Bimbotown. Ich erhielt 100 Franken pro Abend...»
Heute liegt sein Honorar im fünfstelligen Bereich. Kein Wunder, dass da Neid aufkommt. Und besonders die Schweizer Musikkritiker Gift und Galle speien: «Mainstream-Sound ohne Charakter» – so nörgeln sie.
Er zuckt die Schulter:
«Das kratzt mich nicht. Ich wollte nie intellektuelle Musik bringen. Ich mache meinen Sound aus dem Bauch heraus. Gefühl ist wichtig – man kann Kunst und Musik abstrakt und intellektuell zerreden. Das bringt dann gar nichts. Wie auch die ewigen Diskussionen um Religionen und Gott.»
Du giltst als gläubiger Katholik. Gehst auch oft in die Kirche – am liebsten nach Mariastein.
«Das hat eben auch mit meinen Gefühlen zu tun. Ich bin so aufgewachsen. Als junger Bub war ich in der Jungschi des CVJM. Meine Mutter ist eine gläubige Christin – sie hat mir all diese Werte vermittelt...»
Viele Schweizer empfinden dich als 195 arrogante Zentimeter. Und uncool – schmerzt das?
«Ich nehme es zur Kenntnis. Aber ich weiss, was ich will. Und dafür stehe ich auch ein – ich mache die Musik für meine Fans. Der Sound muss nicht hinterfragt werden. Ich möchte, dass sich die Leute an meinen Abenden ihren Alltag und alle Sorgen wegtanzen. Ich möchte ihnen einen Moment Verschnaufpause in einer – sagen wirs mal überspitzt – ziemlich beschissenen Welt geben. Die Welt jedoch hat auch tolle Seiten, nur sehen das viele Menschen nicht mehr.»
Schweizer Auftritte sind selten ge- worden.
«Ja, es sind wenige. Aber sie sind intensiv...»
Du bist im Ausland entsprechend weitaus bekannter als hier – wurmt dich das?
«Dafür ist unser Land als Markt zu klein...»
Mit dem neusten Album «Provocateur» bist du wieder in den Charts. Ich verstehe nichts von dieser Art Musik – aber mir gefällt der Sound: eingängig... sanft... auch ein bisschen, na ja, anders als sonst...
Antoine nickt: «Stimmt. Das neue Album ist anders. Wir haben uns viel Zeit dafür genommen. Zwei Monate. Das spürt man. Die Hektik einer Schnellproduktion fiel weg. Wir waren alle total relaxt. Haben ein Haus am Meer gemietet. Und jeder Musiker hat den anderen inspiriert. Das war wirklich grossartig.»
Du erscheinst in allen Glamour-Sendungen und Gloria-Illustrierten dieser Welt – die Groupies jagen hinter dir her. Wie gehst du damit um?
Er zögert: «Die Interviews sind ein Teil des Geschäfts – genau wie meine Clips, die Auftritte in den VIP-Shows oder bei ‹Deutschland sucht den Superstar›. Als Profi spulst du das alles ab: Party. Lachen. Cheerio! Aber irgendwie fühlst du dich in dieser Hektik doch oft auch einsam...»
Mach jetzt nicht auf Tränendrüse! Du hast doch eine Beziehung.
«Klar. Kommt dazu, dass ich manchmal ganz gerne alleine bin. Und dann ist da ja auch mein Sohn Sebastian. Mit ihm verbringe ich die meiste freie Zeit. Er ist mit seinen 16 Lenzen schon wirklich cool – und möchte mal als Modedesigner einsteigen. Jedenfalls verhökert er seine sehr spezielle Linie bereits übers Internet. Hier bricht wohl auch das Kaufmann-Gen des Urgrossvaters durch...»
Apropos Kaufmann – wie lange hast du damals nach der Lehre als «Kaufmann» gearbeitet?
Er grinst: «Also das waren kaum fünf Monate. Dann bin ich voll als DJ eingestiegen. Ich habe mir eine Wohnung in der Basler City auf dem Barfüsserplatz gemietet. Mit 800 Franken habe ich meine eigene DJ-Firma gegründet. Und deshalb machts mir auch Spass, heute zu zeigen, was aus den 800 Franken geworden ist. Auch wenn das nicht als dezenter Basler Stil gilt...»
Deine Mutter hat sich jetzt wohl mit der DJ-Laufbahn ausgesöhnt.
«Anfangs hat sie immer behauptet, mit so etwas verdiene man doch kein Geld. Dann habe ich sie kurzerhand als meine Buchhalterin eingestellt. Daraufhin hat sie nichts mehr gesagt. Sie blieb zehn Jahre in meiner Firma. Jetzt habe ich sie pensioniert, damit sie noch ein bisschen das Leben geniessen kann...»
Und du? Dein Leben tönt ja nach Dauerfete und ewigem Highlight. Kommst du auch mal zur Ruhe?
Er überlegt: «Nun – in meinem Alter (ich bin jetzt 41) ist die DJ-Laufbahn begrenzt. Die grossen Jahre der Festivals und Partys sind eh vorbei. Es entwickelt sich alles neu. Anders. Social Media spielen hier eine grosse Rolle.
Ich habe auf Facebook über zwei Millionen Followers. Jedoch nur fünf bis zehn Prozent der Followers sehen ein Bild, das ich poste. Den Rest erreichst du nur durch Beziehungen. Das ist der heutige Markt. Entsprechend habe ich mich auch auf anderen Gebieten eingependelt... eben: mein eigenes Parfum. Dann Einrichtungen. Und ich habe auch eine Stiftung ins Leben gerufen – die AK1 Fondation.»
Und was macht diese Stiftung?
«Es geht um Strassenkinder in Osteuropa und Peru. Wer ihr unglückliches Leben gesehen hat, den lässt ihr Schicksal nicht mehr los. Mit dem gesammelten Geld kann ich ein ganz klein wenig dazu beitragen, dass sie ein besseres Leben haben. Wir tun da zu wenig...»
Du bist also tatsächlich ruhiger ge- worden?
«Ja. Vielleicht sogar ein richtiger Bünzli. Ich lebe nicht mehr auf der rosa Wolke, sondern hinterfrage vieles... auch die Werte eines Lebens. Deshalb ist mir mein Sohn so wichtig. Ich möchte mit ihm so viel Zeit als möglich verbringen.»
Und eigene Freizeit?
«Nun – ich ziehe mich gerne in mein Haus im Burgund zurück. Dort kann ich durchatmen, wenn der Stress zu arg wird. Ich liebe es, auf dem Markt einzukaufen und...»
Hallo! Hallo! – Das ist doch wieder so ein einstudierter Schmus für ein Glamour-Interview: DJ Antoine kocht im Burgund Ratatouille mit frischen Zwiebelchen vom «petit marché» . Er zeigt uns auch seinen berühmten Weinkeller...
Er lacht laut: «Na ja – so in etwa. Aber die französischen Weine haben schon etwas für sich...»
Bist du ein Connaisseur?
Er zuckt die Schulter: «Es ist wie mit der Musik – man kann sie zerreden. Oder einfach nur geniessen. Ich bin der Geniesser...»
Wir machen uns auf den Weg. Er gibt mir seine schwarze Visitenkarte.
Ist da nicht zu viel Gold drauf?
Er klopft mir auf die Schulter: «FANG JETZT NICHT AUCH NOCH DAMIT AN. DAS IST SO TYPISCH BIEDERE SCHWEIZ ! Wir sind hier die klare Neidgesellschaft. Fährt einer einen RollsRoyce, bekommen die andern gelbe Na- sen. Trägt eine einen Pelz, ist sie eine Mörderin. Ein bisschen Gold am Hals – schon giltst du als sozial unter jeder Sau. Die Biederkeit wird hier hochgekocht und...»
Jetzt grinse ich: «War nur ein Witzchen... ich wollte dich mal live auf 100 000 Volt erleben.»
Sein Auto fährt vor – es bringt ihn direkt nach München. Zu seinem nächsten Auftritt.
Der portugiesische Kellner schaut Antoine nach: «Ein wirklich feiner Mann...»