Unterdrückte Neigungen

Jean sass vor dem Frisierspiegel. Wie eine Reihe gold funkelnder Bomben standen Selmas Lippenstifte auf der Kommode.
Jean wählte Erdbeerrot. Nummer?5?.
Als er den Stummel rausdrehte, wehte ihm ein süsslicher Duft entgegen. Jean spürte, wie ihm die Hose enger wurde. Zitternd gab er dem etwas schmalen Mund unter dem Schnurrbart Farbe. Dann presste er die Lippen auf einem Kleenex-Blatt zusammen? so wie er es bei Mamma immer gesehen hatte.

Erschienen am: 
Montag, 13. Mai 2013

Unter der Gürtellinie

Na schön? es ist ein Thema direkt unter der Gürtellinie.
Wir reden nicht von diesem Samstagabend, als die Schweiz ihren Mister wählte. Das war nicht unter der Gürtellinie. Das war unter jeder Sau.
Der einzige Reiz an der? laut Propaganda? «härtesten Show der Superschönen», war der Brechreiz.

Erschienen am: 
Montag, 4. April 2011

Über die Klinge gesprungen

Hannchen flog noch einmal über die Tasten.
Ihr kleines Mündchen war ein verbissener Strich.
Ihre Augen blitzten Gift und Galle.
«So!»? knurrte sie zufrieden. «... und jetzt fahrt alle zur Hölle!»
Hannchen hatte in diesem Moment den Computer des Weltunternehmens Fresh-Mouth & Co umfrisiert.
Genauer: das Buchhaltungsprogramm.
Dieses Programm, das sie jahrelang in vielen Stunden selber entwickelt hatte. Und das nun so ein Arschloch aus den Staaten übernehmen sollte.

Erschienen am: 
Montag, 14. Mai 2012

Traugotts Tod

Als Traugott in mein Leben trat, wurde alles anders.
Ich hätte am liebsten schon am ersten Tag Suppe aus ihm gemacht.
Aber: versprochen ist versprochen.
Ich habe Evchen nämlich mit gekreuzten Fingern schwören müssen auf Traugott gut aufzupassen.

Erschienen am: 
Montag, 4. Juli 2005

Trama in Nummer 3

Es war ärgerlich. Das ist es oft. Wir haben zwar den dichtesten Tramnetzbetrieb Europas. Aber wir haben auch den meisten Stress: DENN MAN WEISS NIE, WO DER SCHLITTEN ANHÄLT.
Wir stehen auf dem Aeschenplatz. Und diesmal hält der 3er hinten. Vor ihm steht nämlich der 15er. Und ich auf der Höhe des 15ers. Aber ich muss ja in den 3er. Also spulen wir zurück.
Spulen ist das falsche Wort. Ich eiere. Denn: Rutschgefahr, spiegelglattes Eis, und das, was der Wetterfrosch mit sonniger Miene «GRAVIERENDER WINTEREINBRUCH» genannt hat.

Erschienen am: 
Montag, 6. Dezember 2010

Total versaut

Als Kleinstkind war ich so etwas von sauber, dass die Omis mich als Musterpaket eines Miniatur-Mister-Proppers herumreichten und stolz erklärten: «Da schaut nur? wie reinlich er ist.»
MEINE WINDELN BLIEBEN BLÜTENWEISS WIE DAS BRAUTKLEID VON SCHNEEWITTCHEN. Und wenn man meinen beiden tauben Tanten Glauben schenken darf, soll das Kleinkind seine bekleckerten Fingerchen wie der Satan das Weihwasserbecken von sich gestreckt haben: «Wuäääähhhh!»

Erschienen am: 
Montag, 31. März 2008

Tödlicher Besuch...

Sie mochte den Mann nicht.
Aber sie hatte keine Wahl.
Svetla küsste ihren rosa Teddybären. Drückte ihn an sich: «Na, dann wollen wir mal...»
Sie öffnete die Tür der schäbigen Kammer und zog die Vorhänge: «Komm herein, Udo...»
Aufgewachsen war Svetla in Irkutsk. Die Stadt war grau. Und in den Wintermonaten sibirisch eisig.
Ihre Mutter arbeitete in einer Konservenfabrik. Sie verschraubte eingemachte Preiselbeeren in Gläser.
Und brachte Tonnen von den Beeren heim.

Erschienen am: 
Montag, 9. Januar 2012

Tanzen als 17. Schwan

Als ich mit acht Lenzen zum ersten Mal Schwanensee sah und beschloss, eines der vier kleinen Schwänchen zu werden, bekam mein Vater ganz arg Vögel. Er liess bei Mutter Dampf ab: "Ja spinnt denn dieser Junge? Erstens ist Tanzen nur etwas für schwule Männer. Und zweitens bekommt man Plattfüsse davon..."

Das mit den Plattfüssen stimmt.

DAS ANDERE NICHT.

Erschienen am: 
Montag, 29. November 2004

Tante Amélie

Amélie Schlumberger hätte das Kind gerne erwürgt.
Seit 30 Minuten brüllte der Schreihals nonstop. Und seit zwei Stunden stahl er ihr die Schau.
DABEI WAR ES AMéLIES GEBURTSTAGSFEST! Und der kleine Scheisser ein schreiender Störfaktor.
FÜR DIESES NERVIGE «GOTT IST DER ABER SÜSS»-GEFLÖTE, DAS GLEICH ZU BEGINN DES FESTES UM DEN BUBEN ANHOB, HATTE SIE WEISS GOTT NICHT DEN SAAL DES ZOO-RESTAURANTS GEMIETET! (und dazu noch das drittbeste Menü ausgewählt? man wurde schliesslich nur einmal 90!).

Erschienen am: 
Montag, 16. September 2013

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