Als Kleinstkind war ich so etwas von sauber, dass die Omis mich als Musterpaket eines Miniatur-Mister-Proppers herumreichten und stolz erklärten: «Da schaut nur? wie reinlich er ist.»
MEINE WINDELN BLIEBEN BLÜTENWEISS WIE DAS BRAUTKLEID VON SCHNEEWITTCHEN. Und wenn man meinen beiden tauben Tanten Glauben schenken darf, soll das Kleinkind seine bekleckerten Fingerchen wie der Satan das Weihwasserbecken von sich gestreckt haben: «Wuäääähhhh!»
Sofort wurde das Händchen mit feuchten Lappen gereinigt. Und in die Familiendiskussion eingebaut: «So reinlich wie er ist? das gibt sicher mal einen Arzt oder einen Buchhalter.»
NICHTS DAVON. ICH WURDE DAS VERSAUTESTE, DAS DIE FAMILIE ZU BIETEN HATTE.
Es begann eigentlich schon damals, als ich die ersten Märchenbücher lesen konnte, geistesabwesend durch Blumenwiesen streifte und mir vorstellte, dass irgendwo ein König auftauchen und mich in die Arme nehmen würde: «Da bist du ja? seit Jahren suchen die Königin und ich dich vergeblich, mein Sohn und Prinz. Du wurdest bei der Geburt verwechselt?»
«Um Himmels willen, wie siehst du aus!», rief die Kembsweg-Omi verzweifelt, wenn sie die erdigen Feldschollen von meinen Sohlen kratzte. Ich erzählte ihr von meiner Suche. Und sie klopfte energisch den weissen Samen der Saublume aus meinem Haar: «Hör auf mit dem Scheiss? dein Trämlervater hat sich dich ja auch nicht aussuchen können. Und im Jahre 1947 hat im Frauenspital kein Adel entbunden?»
Aus Frust begann ich wild zu essen. Schnell. Unkontrolliert. Und da der Meister Propper ihnen abhanden gekommen war, rächte sich die Familie mit miesen Mahnungen wie «Alles einspeicheln und 36 Mal kauen».
Doch da war alles schon unten und das Kind total versaut.
Auch heute noch: Wenn ich esse, vergesse ich mich. Spritze wie ein ganzer Löschzug. Immerhin? mit der Befleckung stand ich in dieser Familie nicht alleine da. Schon meine Mutter war eine geborene Kleckerliese. Auf ihren beachtlichen Busen flog immer mal wieder ein Stück vom Huhn oder öfters auch ein Salatblatt, das seine Spuren hinterliess wie die Schnecke auf dem Asphalt.
Mein Vater, der sich in seiner Trämleruniform stets makellos präsentierte, gab Zunder und schalt die kleckernde Mutter: «Musst dich ja nicht wundern, wenn dein Sohn nach jedem Essen wie eine Müllhalde aussieht? bei deinem Vorbild!»
Dann stritten sie sich über Vorbildsfunktionen und ich griff hastig noch nach einer Hähnchenkeule, deren abgefallene Hälfte dann prompt wieder auf dem Hosenschlitz landete? wie gesagt: SO ETWAS VON VERSAUT!
Wir wollen das Thema hier nicht vertiefen. Es gibt nun mal Bemitleidenswerte, an denen haftet das Versaute wie die Fliegen am Kuhmist. Ich werde von Kellnern, die es über meinem Hemd Pommes frites hageln lassen, nicht verschont. Aber als ich vor vier Tagen in Nürnberg gleich eine ganze Platte von diesen Miniatur-Bratwürstchen in die Haare bekam, habe ich doch sehr bestimmt protestiert. Und wissen Sie, was der Kellner gesagt hat: «Auf Ihrer Hose lag schon ein Stück Weisswurst? das hat mich total aus dem Konzept gebracht!»
O.k.: CHINA UND DIE WELT HABEN AUCH PROBLEME.
Aber ich bin froh, dass ich mal darüber reden konnte.
Total versaut
Montag, 31. März 2008