Velokauf...

Es war Liebe auf den ersten Blick. Dabei war er gar nicht der Typ für solche Geschichten. Nie hätte sich Max vorstellen können, eines Tages so etwas zu besteigen.
UND NUN DIES.
ER WAR TOTAL BEGEISTERT. VOR ALLEM VON DEN DICKEN PNEUS.
«Mit den Dicken fährst du besser...»? war das nicht irgend so ein Werbespot gewesen?
«Trotzdem: immer mit!»? schüttelte der Verkäufer den Warnfinger. Drehte ihm noch einen Sturzhelm an. Modell «Jockey-Stülper». «Sieht doch nett aus...», sagte sich Max. Und sah einen dicken, runzligen Pferdebesteiger im Spiegel.
«GROSSARTIG!»? strahlte der Verkäufer. Er hätte Max in dessen Euphorie noch eine Reitpeitsche andrehen können.
Sie einigten sich darauf, dass das Velo perfekt ausgerüstet würde: 14 Übersetzungen. Die Schlusslicht-Hallogene. Dann natürlich Körbchen. Zwei Körbchen. Grösse XXL. Hinten. Und vorne. Denn Max war rundum eine Konsumsau. Er konnte vor keiner Banane «Nein» sagen. Noch einmal strich er zärtlich über die beiden dicken Pneus: «Die sind ja der Hammer!» «Ja», strahlte der Verkäufer, «da müssen Sie schon saudumm tun, um damit in eine Tramschiene zu kommen...» Max radelte nämlich sein eigenes Tramschienentrauma. Er hatte sich dem Velohändler geoutet: «Ich war 32, als ich vom Kommissionenmachen heimfuhr. Dann war da diese verdammte Tramschiene. Peng. Und ich lag am Boden? neben mir die 24 zerbrochenen Aktionseier. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie...»
«Ja, ja», sagte der Händler, «das waren noch Zeiten, als es Eier in Aktion gab!»
Er wollte das Geheimnis vom neu gekauften Velo für sich behalten. Und Else am Tage X per Natel ans Fenster rufen: «Schau mal, wer da unten klingelt...»
Max malte sich alles in den herrlichsten Bildern aus: er mit Jockey-Helm... Else, die verzückt die Hände ineinanderschlug. «Aber Maxilein... hast du nun doch wieder eines gekauft!»... dazu das lustige Glockengebimmel über den dicken Pneus!
Jahrelang war sie ihm in den Ohren gelegen, er solle seine Velophobie überwinden:
«ES HAT SCHLIESSLICH JEDER IM LEBEN SEINEN STURZ! UND ALLES FÄHRT MAL VON DEN SCHIENEN. DAS IST ABER NOCH LANGE KEIN GRUND, MIT DER LIMOUSINE IM SUPERCENTER VORZUFAHREN, WENN MAN EIN FLÄSCHLEIN MAGGI EINKAUFEN WILL...»
Else radelte klar im Grünen. Und als Max das dritte Doppelkinn austrug, brachte sie auch noch ihren Gesundheitstick ein: «JETZT TU ENDLICH ETWAS FÜR DEINE FITNESS...»
Das Christkind hatte ihm dann einen Hometrainer gebracht. Max aber hasste Velos, die man nur bestrampelte, ohne dass sie sich bewegten. Er sagte artig «Danke». Und stellte es in den Keller.
Als der grosse Tag kam, schwang er sich etwas mühsam auf den Sattel, bimmelte dem Verkäufer fröhlich mit der Glocke und machte sich radelnd auf den Weg.
ER GEHÖRTE NUN AUCH DAZU! Wetterte Autofahrern hinterher: «WICHSER? PASS DOCH AUF!»
Max angelte nach dem Handy im Hosensack. Und: «Sieh mal, wer da unten kling...»
Im Spital streichelte Else seine gebrochene Hand: «Du Armer... diese dummen Schienen. Ich werde mich in meiner Partei dafür einsetzen, dass der Tramverkehr unter den Boden kommt!»
«Ich wäre es schon fast...», seufzte Max.
Er hat nun kein Velo mit 14 Übersetzungen mehr.
Dafür ein Fünffach-Kinn.
Auch gut.

Montag, 5. September 2011