Telefonanruf

Eigentlich hätte ich Ihnen hier gerne von meinem Besuch auf der Engstligenalp Vergnügliches geschrieben. HÄTTE.

Denn ich komme kaum dazu. Schon beim ersten Satz, der da munter beginnt. «Jucheee - eine Seilbahn führt hinauf! Oh du Wonne aller platten Füsse und...» - also, hier schellt das Telefon:
Es klingelt nicht. Es kündet sich mit Verdis Triumphmarsch an. «Guten Tag... sind Sie 033 673 12 12?»
JA BIN ICH EINE NUMMER? Deshalb hänge ich wortlos auf. Und begebe mich in die Seilbahn - rein geistig.
DOCH DIE WELT LÄSST DIE GONDEL NICHT LOSFAHREN. Sie holt mich auf die Erde zurück, wo die Kühe weiden und das Grauen ist.
«Dideldudeldei... dideldudeldei...»: Wenn Innocent nicht demnächst diese irrdumme Melodie, die er reindudeln konnte und über die er sich so freut, als hätte er im Lotto den Jackpot geknackt - also wenn nicht bald einmal anstelle dieser Anfangstakte zum Triumphmarsch ein hundsgewöhnlicher Klingelton kommt, werfe ich den Apparat eigenhändig auf die Kuhweide.
«... Sie sind aber doch 033 673 12 12», knurrt die Stimme nun vorwurfsvoll. Dann etwas sonniger. «Herr Hammel, Hans Hammel?»
Ich dumpf: «Der ist mause... habe gestern die Blumen begossen.»
«BITTE?!»
«Mein Vater ist tot und lässt Sie grüssen. Ich bin an einer Geschichte - Sie nerven! Also hauen Sie ab und aus meiner Leitung!».
Diesmal hatte er aufgehängt. Zurück in die Schwebebahn, die Sie und mich auf die Engstligenalp führen wird. Wie wundervoll ist doch das Alter, wo kein Schwein sich in dein Leben einmischen kann: «Aber... aber... der richtige Mann geht doch zu Fuss und...»¨
ICH SEHE DA WANDERSOCKENROT !
Nun schliesst also Pierens Bärti die Gondeltüre, macht noch hurtig auf einen Schwarm Gämsböcke aufmerksam, die mit dieser etwas herablassenden Miene von Bankschalterbeamten neben dem Engstligenfall rumtigern und: DIDELDUDELDEI!
«... ich habe keine Abmeldung dieser Nummer. Also lebt Ihr Vater doch noch. Wollen Sie mich verarschen?».
Langsam siede ich wie das Teewasser der Königin: «DIESE NUMMER IST SEIT JEHER AUF MICH REGISTRIERT.»
«Heissen Sie denn Hans Hammel?»
«Ich heisse Hanspeter Hammel - aber weil mein Vater Hans hiess, und mehr hier lebte als ich, haben wir das Telefon auf Hans registriert. Haben Sies geschnallt?»
«Das ist unkorrekt.»
Nun werde ich langsam madig: «Hören Sie - in einem Land, wo jeder Steuerflüchtling eine Briefkastenadresse haben kann, kann ich auch im Namen meines Vaters telefonieren! Was wollen Sie eigentlich?»
Am andern Ende Gehüstel: «Wir hätten da ein spezielles Angebot für Zweitapparate und...»
MEINE LIEBEN - WIR WERDEN NIE AUF DER ENGSTLIGENALP ANKOMMEN.
Zwar wurde der Hörer einmal mehr grusslos aufgehängt, aber schon meldet sich Verdis Triumphmarsch.
Ich will eben Unschönes ins Telefon brüllen, da sülzt eine sanfte Stimme: «Hallo -. Hier ist die deutsche Klassenlotterie. Haben Sie eine Sekunde Zeit...»
Nein. Ich mache mich auf den Weg zur Engstligenalp? ZU FUSS.

Montag, 4. September 2006