Von der Omama, die wir so nicht nennen durften

Illustration: Rebekka Heeb

«BENIMM DICH!» – das war das Alltags-Credo meiner lieben Omama. Natürlich durfte ich nicht «Omama» sagen. Nur «dear Lydia». «Shitty Hexenbesen» hätte es besser getroffen.

Omama hatte mit den angeheirateten Banden ihrer Tochter nichts am Hut. Ebenso wenig mit ihrem Enkelkind, das sie zuerst einen «verzogenen Balg» nannte. Später dann einen «räudigen Hund». Und noch später, als ich mit 15 meinen ersten Offizier heimschleppte, «ein verdorbenes Miststück». ALSO DA KONNTE KEINE HARMONIE ZWISCHEN UNS AUFKOMMEN!

Erschienen am: 
Dienstag, 24. Januar 2017

Sonnige Mimosen

Sie sah die Mimosen. Sie standen auf einem kleinen Rolltisch vor dem Spitalzimmer. Und Ingrid ärgerte sich. Hatte sie nicht gesagt, man solle die Blumen nicht aus dem Zimmer entfernen!

Für Franco waren diese Blumen wichtig – ein Gruss aus seiner Jugend.

«Blumes haltet eh nicht lange… krankes Mann bekommen Kopfweh von dieses stark Geschmack» – so hatte die Krankenschwester ­argumentiert.

Erschienen am: 
Montag, 23. Januar 2017

Von der Weltmeisterin in Adelboden und Ski-Horror

Illustration: Rebekka Heeb

WINTER WAR ADELBODEN-­ZEIT. Ich hasste den Schnee. Ich hasste die klobigen Skischuhe. MEINE FÜSSE HATTEN BESSERES VERDIENT: Ballerinaschläppchen – NUN JA: ZUMINDEST TIGER-FINKLI! Ich hasste meinen Vater, der mich 50-mal aufs Kuonisbergli rauf und runter peitschte: «Nur noch das eine Mal… DANN HAST DU DIR EIN STÜCK SCHWARZ­WÄLDERTORTE IM CAFE SCHMID VERDIENT!» Es blieb nie beim «einen Mal».

Erschienen am: 
Dienstag, 17. Januar 2017

Zwillinge

Sie waren Zwillinge.

UND DOCH SO VERSCHIEDEN!

Die Leute blieben vor dem Doppelwagen stehen: «…sie ähneln sich wie ein Ei dem andern…»

DUMMES GESCHWÄTZ!

Denn äusserlich sahen sich Marc und Hans wohl ähnlich – aber ihre Seelen waren so verschieden wie Weihwasser und Essig.

Hans war ein Sonnenschein. Mit den strahlenden Augen des ersten Frühlingstags.

Marc hingegen – ein Quengelsack. Nerviger ­Rumbrüller. Schon mit sechs Monaten zeigten sich die ersten Zornesfalten über seinem spitzen Näschen.

Erschienen am: 
Montag, 16. Januar 2017

Von der Omi mit der Schlüssel-Macke

Illustration: Rebekka Heeb

Wenn ich die Fotokisten durchwühle, um die Lebens­erinnerungen für ein Buch zu bündeln, kommt mir immer wieder die Omi in die Finger.Über ihrem weissen, gewellten Haar trägt sie ein hauchfeines Netz. Auf dem Schoss eine grosse Tasche. Und stets steckte sie in weiten, nachtblauen Blumenröcken, die ihr eine Freundin in Heimarbeit und auf einer laut ratternden Nähmaschine zusammengebaut hatte.

Die Kleider wechseln auf den Fotos. Die Tasche nicht. Es war ein rissiger Gräuel aus aller­härtestem Leder. Und sie wog gut zwölf Pfund.

Erschienen am: 
Dienstag, 10. Januar 2017

Haarschnitt

Er wollte nicht mehr.

FERTIG. AUS.

Hans schaute in den Friseurspiegel.

Seit über einem halben Jahrhundert hing der an der Wand. Schon sein Vater hatte davor Haare geschnitten, Schnauzer gestutzt, Bärte rasiert.

Es war keine Frage, dass Hans die Schere übernehmen würde.

Hat er auch. Er spezialisierte sich auf Coupe Hardy. UND Bürstenhaarschnitt.

Es kam eine lange Zeit der langen Mähnen. Die totale Krise. Haarig!

Erschienen am: 
Montag, 9. Januar 2017

Vom «Glückes Schmied» und dem Dreikönigskuchen

Illustration: Rebekka Heeb

Innocent mag den Dreikönigstag nicht. Und schon gar nicht das Kuchenspiel. Er zieht immer die Arschkarte. Es liegt in den Genen, dass die kleinen Dicken stets wissen, wo das Glück steckt. Das heisst: Natürlich muss jeder seinem Glück schon selber etwas nachhelfen. Oder wie meine liebe Mutter rezitierte: «Faber est suae quisque fortunae.»

Erschienen am: 
Dienstag, 3. Januar 2017

Taittinger Rosé

NEUJAHR!

HALLELUJA!

Willibert rieb sich die Hände: «Noch 54 Tage bis zur Pensionierung!»

Annekäthi trug eine Champagnerflasche in die Stube. Taittinger Rosé. Jahrgang 1989.

«Sollen wir die zur Feier des Tages...»

Willibert schaute entsetzt auf: «ABER NICHT DOCH – ANNEKÄTHI! Die sparen wir uns auf einen grossen Moment auf!»

So gabs zum Jahreswechsel nur eine Dose Bier. Willibert war der Sparstrumpf-Typ. Immer ­gewesen.

Erschienen am: 
Montag, 2. Januar 2017

Vom schwarzen Engel und Tante Finnis Kropf

Illustration: Rebekka Heeb

Josefine war eine Hexe.

Zumindest flüsterte man das in der Familie (Mutterseite) herum. Josefine war Vaterseite. Und was von dort kam, war dem andern Ufer des Familientümpels eh immer suspekt (hätte ich Familiendünkel sagen sollen?).

Josefine war die älteste Schwester der Kembserweg-Omi. Wir nannten sie «Tante Finni». Und uns grauste ein bisschen vor ihr – ungefähr so wie vor einem Engerling im ­Erdbeerbeet. Oder einer Schnecke am Salat.

Erschienen am: 
Dienstag, 27. Dezember 2016

Vom langen Abschied und der Melodie des Lebens

Illustration: Rebekka Heeb

Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte

Lukas sass vor dem Flügel.

Auf dem polierten Holz duftete die gelbe Rose in einer schlanken Murano-­Vase. Draussen im Garten hatten sich die Krähen in der grossen Birke ver­sammelt. Ihr Geschrei war verstummt. Alle warteten, dass etwas geschehen würde.

«Was muss ich tun, Beatrice?» – Lukas schaute seine Frau mit einem unruhigen, fast flehenden Blick an. «Ich weiss nicht, was ich hier soll…»

Die ältere Dame (mit den fein ­frisierten weissen Haaren) trug ein ­veilchenblaues Deuxpièces. Langsam ging sie auf Lukas zu. Streichelte seinen Kopf. Und hob den Deckel zur Tastatur: «Du spielst doch so schön, Lukas…»

Erschienen am: 
Samstag, 24. Dezember 2016

Seiten