Hoffen für Tilly

Tilly schaute sich im Stübchen ihrer Grossmutter um.

Aus der Küche rief Tanja: «Es hat noch Kaffee­kapseln. Soll ich uns einen Espresso machen?»

Tillys Grossmutter war tot. Bei ihren Einkäufen war sie vor dem Aktionsständer mit den ­Weihnachtsstollen zusammengebrochen.

Als die Polizei auf Tillys Mobiltelefon anrief (man fand die Nummer im Portemonnaie der Alten), war Mittagsstress.

Erschienen am: 
Montag, 28. November 2016

Von der Hitze in Botswana und bunten Vögeln

Illustration: Rebekka Heeb

«AAAAFRIKA!», seufzte Innocent. Er seufzte den Kontinent mit drei A. Damit wollte er seine Sehnsucht verbal ausdrücken: «AAA-frika! Irgendwann will ich da mal hin!»

«Aha», sagte ich. Mit nur einem kurzen A. Denn meine Sehnsucht hielt sich punkto Afrika bis anhin in Grenzen.

Vor mehr als 40 Jahren prügelte mich meine Lieblingstante Hermine nach Kenia. Mombasa. Es gab ein einziges Hotel. Und eine Nachbarinsel ohne Strom: Malindi. In meiner angerosteten Badewanne räkelte sich eine Speikobra.

MUSS ICH MEHR SAGEN?!

Erschienen am: 
Dienstag, 22. November 2016

Der Wahrsager

Er schob den Totenschädel dem Mann zu: «Bitte gut schütteln!»

Der triste Hohlraum war mit Symbolik gefüllt: ein Skelettstück vom Rückgrat eines Kaninchens, eine Kunststoffsau (rosa), ein Schokoladen-Smarty (rot), eine Gummispinne (schwarz) und ­Knöchlein. Ein ganzes Bouquet von Skelett-­Resten.

Max wusste nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, diesen Hellseher aufzusuchen. Vermutlich lags am Seelentief. Lore hatte Max vor drei ­Stunden verlassen. Dies nach 28 Ehejahren.

Erschienen am: 
Montag, 21. November 2016

Von Geschichtenerzählern und dem «Myggeli»

Illustration: Rebekka Heeb

«In eigener Sache schreibt man nicht.» – Innocent rümpft die Nase. «Schon gar nicht in die Zeitung!» Der alte Meckerheini hat wieder mal seine vornehme Stunde. Okay. Eigentlich wolle ich nur berichten, wie es zu den Mimpfeli gekommen ist. Sie sind jetzt auf die Stunde genau 40 Jahre alt. UND ICH MEINE, DA DARF MAN DOCH SCHON MAL WEIHRAUCH SPRÜHEN…

Erschienen am: 
Dienstag, 15. November 2016

Escort-Boy

Er empfing die Kundinnen immer im dunkel­blauen Anzug. Dazu Krawatte. Meistens Hermès.

Vor jedem neuen Treffen war er aufgeheizt, wie ein pubertierender Schüler. Auch jetzt. Er spülte sich den Mund mit Listerine. Sprayte sich mit der schwarzen Duftnote von Parma ein. Und fackelte die Kerzen an.

In zehn Minuten sollte Kätzchen 69 hier sein.

Wie alle seine Kundinnen kam auch Kätzchen 69 durch ein Sex-Portal zu ihm. Das Anonyme im Internet machte die Sache noch heisser. Und ­Anonymität war wichtig.

Erschienen am: 
Montag, 14. November 2016

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