Vom Sänger an Beethovens Grab

Illustration: Rebekka Heeb

Die Frau am kleinen Holztisch wippt mit den Füssen. Sie trägt Ballerina-­Schläppchen in der rosigen Farbe von ­welken Pfingstrosen. Das schüttere Haar fällt ihr in ­dünnen, teerschwarz gefärbten Strähnen auf eine weissliche Spitzenbluse. Letztere ist für immer dahin: Denn auch der rabiateste Meister Riese kann den Gilb der Jahrzehnte nicht mehr rauszwingen.

Vor dem Runzelpüppchen liegt eine Herbst­kugel – die Wiener Spezialität des Novembers: ein Schneeball aus Schlagobers, glacierten Kastanien und Zuckersirup.

Erschienen am: 
Dienstag, 1. Dezember 2015

Fleischeslust

«Hansi – ESSEN FERTIG!»

Hans hangelte nach seinen Finken.

Er stemmte sich aus dem Fernsehsessel hoch. Und rieb in Vorfreude die Hände: Das Abendessen war ihm das Liebste!

Sein Arzt hatte allerdings die alte Leier vom ­«Kaiser am Frühstück» und «Bettler beim ­Abendmahl» gesungen: «Nach 18.00 nur ein Joghurt. Oder ein Stück Brot mit Milch, Herr ­Tobler. Beim Frühstück aber dürfen Sie in die Vollen greifen ...»

Hans Tobler war nie ein Frühstücker gewesen: eine Tasse Kaffee. Eine Zigarette. Fertig.

Erschienen am: 
Montag, 30. November 2015

Von Gasbomben in Rom und Klopfzeichen als SMS

Illustration: Rebekka Heeb

Als der Mann die Bombe in meinem Schlafzimmer sah, begann er zu hyperventilieren. Dann lief er grünlich an: «JA SIND SIE NOCH ZU ­RETTEN?! TOTAL DURCH­GESTARTET, WAS?! Raus hier – bevor alles in die Luft geht!» Dies alles in sizilianischem Schnellschussdialekt.

Und: MEIN GOTT, DIESES AFFENTHEATER WEGEN EINES LAUSIGEN BÖMBCHENS!

Ich lebe seit über 30 Jahren mit Bomben in Rom. Ja, man kann ruhig sagen: Es ist meine ­bombigste Zeit.

Erschienen am: 
Dienstag, 24. November 2015

Integration mit Sushi

Wenke kochte.

Seit Wochen versuchte die Münchner Professorin, diesen Menschen ein paar Brocken gutes Deutsch einzupauken.

Und Amir schaute nicht einmal zur Tafel.

Er piepste auf seinem iPhone herum. Und spielte «Schiffe versenken».

JA HAST DU WORTE!

«HERR AMIR!»

Erschienen am: 
Montag, 23. November 2015

Von der Ölung und Dackel Waldi

Illustration: Rebekka Heeb

«Der Herr sei mit euch!» – das kleine, hutzlige Männchen in seinem teerschwarzen Rock und mit der sonnenbrand­roten Halbglatze schaute so treu wie Dackel Waldi, wenn er ein Rädchen vom Salami will.

Innocent: «Wer zum Teufel ist diese rostige Beisszange?» Ich lege genervt den Zeige­finger auf die Lippen: «Psssst – das ist Padre Gabriele, der Insel-­Seelsorger der Armen und Alten. Er hat die besten Beziehungen nach oben. ALSO REISS DICH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN!»

Erschienen am: 
Dienstag, 17. November 2015

Cheese

Hugo genoss die Stille.

Es war eine November-Idylle.

Hin und wieder durchbrach der Trompetenton eines Elefanten das Schweigen der Natur.

Und lautlos segelten die letzten bunten Blätter zu Boden. Hugo liebte diese Morgen im Berliner Zoo – hier war er weg von der vermaledeiten Computertechnik seines Büros. Hier war Frieden, Ruhe – BIS ER DEN APPARAT SAH.

Erschienen am: 
Montag, 16. November 2015

Zimmerfrau

Dora schüttelte den Kopf: «LECK MICH – TYPISCH FRAU!»

Das Badezimmer der Aurora-Suite war ein Schlachtfeld: Spiegel verschmiert. Drei Frottee­tücher zerknüllt am Boden. Und auf der kleinen Glasétagère: klebrige Ampullen «für wunder-­VOLLE Lippen».

«Leck mich!», tobte Dora wieder.

Erschienen am: 
Montag, 9. November 2015

Von Aldo II. und den verschwundenen Katzen

Illustration: Rebekka Heeb

Alle lieben Katzen. Die ­Ägypter haben sie zum Haustier des Jahres erkoren. Die Franzosen haben mit ihnen das PUSSYCAT gegründet. Und auf unserer Insel mag man sie am liebsten mit viel Knoblauch und Rosmarin.

Katzen sind neben Frosch, Sau und Nilpferd die meistgekauften Nippes dieser Welt. Na ja – vielleicht noch Eulen. Aber keiner sagt uns, wie eine Eule an Knoblauch schmeckt.

KATZEN HINGEGEN – «JAMMJAMM!»

So zumindest behauptet Gianni. Dreht dabei den Zeigefinger in seiner dicken Backe. Und rollt die Augen.

Erschienen am: 
Dienstag, 3. November 2015

Erika

Fanny rupfte die Erika aus dem Grab.

AUSGERECHNET!

IHRE MUTTER HATTE ERIKA GEHASST.

Es schien, dass dieses struppelige Heidekraut für Friedhofsgärtner in halb Europa d i e November-Pflanze war.

Primelchen im Frühling. Stiefmütterchen im ­Sommer.

UND DANN KOMMT ERIKA!

Erschienen am: 
Montag, 2. November 2015

Seiten