Integration mit Sushi

Wenke kochte.

Seit Wochen versuchte die Münchner Professorin, diesen Menschen ein paar Brocken gutes Deutsch einzupauken.

Und Amir schaute nicht einmal zur Tafel.

Er piepste auf seinem iPhone herum. Und spielte «Schiffe versenken».

JA HAST DU WORTE!

«HERR AMIR!»

Der kleine Iraner liess vor Schreck das Telefon ­fallen. Er wusste: Mit Frau Wenke war nicht zu spassen. Sie wollte aus ihm einen perfekten Flüchtling machen. Und perfekt hiess: Er hatte die Sprache des Landes zu reden. Und sich den Sitten hier anzupassen. So.

«Herr Amir – ich habe Sie gefragt, auf was unsere deutsche Demokratie beruht. Und was Ihre Werte sind…» – die Stimme von Professorin Wenke ­Wonnemut war jetzt etwas schrill.

Amir senkte demütig den Kopf:

«Ist schönes Land, die deutsche Land… und Mutter Merkel gutes Frau…»

«Herr Amir – nach der Stunde kommen Sie zu mir!»

Klar. Wenke war froh um den Job als «Deutsch-Pädagogin für Immigranten-Gruppen». Vor vier Jahren noch hatte sie in der Senioren-­Universität über den Bayernkönig Ludwig (ihr Lieblingssujet) doziert. Das war unbefriedigend. Die Alten dösten spätestens nach zehn Minuten.

Aber ein anderer Job war nicht zu haben.

Jetzt hingegen brauchte das Land Leute wie sie. Brauchte alle: Sozialarbeiter … Lehrer, Psychologen. Die Arbeitslosenquote war in diesen Berufen rapide unter den Strich gesunken.

WURDE AUCH ZEIT!

Wenke hatte sieben Jahre auf der Uni gepaukt. Sie heiratete ihren Studienkollegen Max. Die Verbindung stellte sich als Irrtum heraus. Max war schwul. Er hatte zu viel Grammatik, aber zu wenig sich selber studiert.

Nun denn – sie trennten sich im Guten. Max lebte nun ganz für seinen Schulunterricht (Deutsch und Geschichte) Und zum Ausgleich kochte er. Wenke besuchte ihn einmal monatlich zu einem Sushi-Essen.

NO BAD FEELINGS – also!

«Herr Amir», nahm Wenke nun den kleinen Iraner ins Visier. «Sie leben seit vier Jahren hier … Ihr Deutsch ist noch immer katastrophal… SIE ­MÜSSEN SELBER SCHON AUCH ETWAS ZUR INTEGRATION BEISTEUERN!»

«Ich viel machen für Integration… ich fahre ­Mercedes… schönes grosses Wagen mit Sterne vorn…» Er schaute sie nun mit seinen schwarzen Kugelaugen an wie ein Kind vor dem Weihnachtsbaum: «Ich schon in Iran als böses Verfolgung immer grosses Gebet zu Allah … gut Allah, lass mich auch fahren dieses schönes grosse Wagen mit Stern, wo kommen aus Land, wo ich gehen will …» «Aha», sagte Wenke.

Nun strahlten die Kulleraugen. «Allah haben kapiert grosses Wunsch von kleines Amir. Er machen mich zu Chauffeur bei Hotel Oriental-Mandarin… und ich fahren Gäste in grosses Wagen mit Stern…»

Wenke schwieg. Sie dachte, dass Allah einen ganz speziellen Draht zur Ironie haben müsse.

Aus einer spontanen Idee heraus lächelte sie nun Amir an: «Ich bin heute Abend bei meinem ­Ex-Mann zu Sushi eingeladen – wollen Sie ­mitkommen?» Wieder Kulleraugenstrahlen: «Gutes Frau Wenke … gutes Ex-Mann … aber Amir nicht essen Sushi!»

«Ohne Sushi werden Sie sich hier nie integrieren, Herr Amir!»

Max grillierte Amir dann eine Hühnchenbrust. Legte Reis darum. Und dämpfte drei Tomaten.

Dazu kochte er ihm Jasmin-Tee.

Nach vier Wochen zog Amir bei ihm ein.

Nach einem Jahr rollte er auch Sushi.

Die Integration ging galoppartig voran.

Morgen fahren beide nach Sylt. Nicht im ­Mercedes. Sondern im Opel. Auch gut.

Man sollte nie nach den Sternen greifen.

Montag, 23. November 2015