Die Süsse aus der Dose

Ananas aus der Büchse - das Luxusdessert der fünfziger Jahre

Rezept: Ananas-Torte «Adriana»

Von frischer Ananas konnten frühere Generationen nur träumen. Schon Büchsenananas waren Luxus. Sie finden sich - trotz frischer Konkurrenz - noch heute in fast jedem Küchenschrank.

Mein Vater nannte sie «Süssspeise mit Loch». Dann konnte er sich ausschütten vor Lachen.
Mutter büchste sie nur auf, wenn nichts anderes im Haus war. Normalerweise gabs zum Alltagsdessert «Kompott» aus den Bülachergläsern, die wie Soldaten zum Appell auf der Kellerhurd standen. Ihr sterilisierter Inhalt sah hinter dem lupendicken Glas jeweils schöner aus, als er schmeckte. Wir reden hier nicht von den Soldaten. Sondern von den Bülachergläsern mit dem Birnen- und Zwetschgenkompott.
Ananas aber war Luxus.
Ananas gabs hin und wieder an einem Sonntag. Oder zu Omis Geburtstagsfest. Zwei Scheiben kamen in das kleine Kristallschälchen. Darüber eine Wolke aus Rahm. Und als Top: diese scharlachrote Büchsenkirsche, die auf dem weissen Rahmberg Spuren hinterliess wie Mutters Lippenstift auf den Zähnen.
Vater rief sofort nach der Kirschflasche. Und Mutter zog einen Flunsch: «Du musst doch noch fahren, Hans!» «Ohne Kirsch schmeckt die Sache viel zu süss, Lotti, und die Süssscheibe metällelet …» Ich kenne die deutsche Übersetzung für «metällele» nicht. Das Dialekt-Verbum will sagen: hat Metallgeschmack. Und den hatten in den frühen 50er Jahren insbesondere Ananaskonserven und Spinat in Büchse.

Traum Hawaii. Vater träufelte also vom Zuger Kirsch über die Ananasscheiben. Und Mutter seufzte: «Ein einziges Mal möchte ich auf Hawaii eine frische Ananas geniessen können - Hawaii und seine Ananasplantagen müssen das Paradies sein.» Für jemanden, der die Ferien immer in Adelboden-Boden bei Pieren Edis Kühen verbrachte, war der Drang nach Hawaii und Ananas verständlich. Vier Jahrzehnte später bin ich dann nach Hawaii geflogen, um einen Monat lang auf Maui wertvolle Belletristik zu schreiben. Ich wollte die Schreiberei mit einer hawaiischen Ananaskur verbinden, um gertenrankschlank und als Bestsellerautor nach Europa zurückzukehren. Der Ananastraum war bald ausgeträumt! Auf der ganzen Insel gabs nur Ananas in Büchsen. Die hawaiischen Früchte («Smooth Cayenne»), die als aromatischste ihrer Art gelten, wurden alle zu den Luxus-Resorts und Schickeria-Früchtehändlern ausgeflogen.

Ich blieb zurück mit Büchsenananas von Del Monte. Und die Büchsen kamen von den Philippinen. Also wich ich auf Donuts mit Vanillecreme aus und blieb rundum rund als wie zuvor - und ein Bestseller wurde nie geschrieben!

Luxusware. Zurück zur Scheibe, der gelochten. Gelocht wird sie, weil der Mittelteil der Ananas meistens holzig ist. Ernährungsforscher meinen, man solle justement diesen Mittelteil essen. Er bringe dem Darm kostbares Fasermaterial. Aber immer diese Fäden zwischen den Zähnen - das ist dann auch nicht das Gelbe vom Ei!

In den 50er Jahren war die Ananas rar. Und Luxus. Zusammen mit der Banane bedeutete sie Exotik pur. Frische Ananas schmückten vielleicht mal einen Fresskorb an Weihnachten. Ansonsten bekam man sie nur auf dem Hero-Etikett der Büchsenananas zu Gesicht. Oder dann als Wickelwackel bei der legendären Josefine Baker als Tanzkostüm.
Allerdings war die Ananas schon vor über 120 Jahren als ideale Konserve bekannt. Bei den ersten Preislisten von Hero wird Ananas bereits 1886 aufgeführt. «Anno 1940 verschwand die Ananas aus der Produktion», berichtet Hero-Archivar André Brunner. «Sie tauchte erst vor 20 Jahren mit der Einführung der künstlich gesüssten Kompottlinie wieder auf. Heute führt Hero die Ananas in Büchsen als Light-Produkt.»

Im grossen Stil. Auf den Philippinen werden am meisten Ananas angepflanzt. Die Del-Monte-Gruppe hat hier auf Mondanao bereits 1926 mit dem Plantagenanbau im grossen Stil begonnen. Heute produziert Del Monte jährlich 664000 Tonnen Ananas - davon werden täglich 1,5 Tonnen gelocht und eingebüchst.

Auch der Konkurrent Dole ist gross auf den Philippinen eingestiegen. Er produziert dort auf einem 12000 Hektar grossen Gelände bei Polomok.
Del Monte und Dole sind heute die Marktleader punkto Süssscheibe mit Loch. Die Philippinen nennen die Ananas «die Kugel mit den 1000 Augen» - wegen der spiralförmig angeordneten Schildaugen. Längst finden wir Ananas nicht nur im Fresskorb und Delikatessengeschäft. Sondern preisgünstig in jedem grösseren Supermarkt.
Allerdings: Die frische Ananas hat die Dose nie ersetzen oder gar verdrängen können. Denn ob nun der berühmte Waldorf-Astoria-Salat mit Büchsenananas angereichert oder der Toast Hawaii mit der süssen Scheibe aufgemotzt wird: Die Büchsenananas - so schreibt das Gourmet-Lexikon - findet sich als exotische Reserve in neun von zehn Schweizer Küchenschränken.

Ananas-Torte «Adriana»

KOCHEN VON A BIS ZED. Gar nichts mit Büchsenananas hatte bis anhin Adriana Zahner im Sinn. Sie winkte ab: «In meiner Kochschule lehre ich, wie man mit frischen exotischen Früchten und Gemüsen umgeht …» Stimmt. Ihre Kochschule in Bottmingen («Kochen von A bis Zed») ist berühmt und von «toute la Suisse» besucht. Die Kochexpertin mit den traumschönen Menüs und den ganz speziellen Tischdekors liess sich aber von «cuisine cruelle» dazu überreden eine Ananasbüchse aufzuzahnen. Und mit dem Inhalt etwas auf den Tisch zu zaubern. Das Resultat hat uns begeistert - und wird alle Ananas-Fans zum Nachmachen animieren.

Zutaten:
1 Mürbeteig (22 cm Durchmesser), 1 grosse Büchse Ananas, 1 Vanillestängel, von dem man das Mark herauskratzt, 1 gestrichener Esslöffel Rohrzucker, 2 Esslöffel Rum Coruba.

Zubereitung:
Ananasscheiben sehr klein schneiden. Die Früchte nun mit dem Büchsensaft und dem Vanillemark in eine Pfanne geben und bei kleiner Hitze 10 Minuten köcheln lassen. In Sieb schütten und Saft in Schüssel abtropfen lassen.
Ananas erkalten lassen.
Mürbeteig auf Backtrennfolie aufs Blech geben, mit Gabel einstechen und die erkalteten Ananasstückchen auf den Teig verteilen. Im vorgeheizten Ofen bei 200 Grad 25 Minuten backen.
Mittlerweile den Saft im Pfännchen auf grossem Feuer zu Gelee reduzieren und mit dem Rum parfümieren. Diesen Gelee gleichmässig über die gebackene, noch lauwarme Torte verteilen. Mit Puderzucker überstäubt servieren.
E Guete!

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Freitag, 2. September 2005