Rezept: Ravioli al Chef
Zwischen heiss geliebt und viel geschmäht: Vor exakt 70 Jahren sind Büchsenravioli bei uns erstmals in die Verkaufsregale gekommen. Sie haben ihre Stellung gehalten. Nicht nur beim Militär.
Heute kommen sie meist aus dem Beutel. Oder frisch vom Italiener. Doch fragte man ein Kind vor einem halben Jahrhundert, wo die Ravioli herkommen, hiess die Antwort: «Aus der Büchse!»
Rollt einer die essgeschichtliche Frage gar ein paar Jahrhunderte zurück, so wissen die einen: «Marco Polo hat die Ravioli aus China nach Italien gebracht!» Die andern behaupten das Gegenteil: «Marco Polo hat die Ravioli von Italien nach China exportiert!» Und die ganz Schlauen: «Blödsinn – schon die alten Griechen haben Makaria genudelt. Daraus haben die Römer dann Maccaroni gemacht…»
Zu meiner Kinderzeit rollten die Ravioli in Hero-Büchsen an. Sie blubberten gemütlich im brodelnden Wasser. Gespannt schauten wir zu, wenn Vater den Dosenöffnerzahn in das Blech rammte. Meistens spritzte eine rote Fontäne zum Plafond. Es war nicht Vaters Blut – es war der Dosensugo. Begleitet von Mutters Gezeter: «Tausendmal schon hab ichs gesagt. Du sollst die Konserve mit einem Handtuch abdecken … ich kann nicht wegen jeder Raviolibüchse die Küche frisch streichen lassen.» Die dampfenden Ravioli kamen schliesslich auf eine Platte. Darüber flockte Mutter Emmentaler. Und feingehackten Peterli. Letzteren vor allem wegen der Farbe. Zu allem kam das Tischgebet: «Komm lieber Herr Hero und sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast… Amen.»
EI, EI, EI. Büchsenravioli waren in den fünfziger bis siebziger Jahren hierzulande ein Gourmet-Renner der Spitzenklasse. Kinder gingen für die Dinger durchs Feuer. Grossmutter konnte die Teigweichen mühelos mit ihren schaukelnden Dritten beissen. Vater hängte an jede Hero-Büchse eine Reminiszenz aus seiner Dienstzeit, als die roten Ravioli noch mit frischen Spiegeleiern vom Bauernhof serviert worden waren. Und die Mütter waren zufrieden – die Büchse verschaffte ihnen ein paar kostbare Minuten Freizeit in ihrem straffen Tagesprogramm. Abgesehen davon waren Ravioli preiswert: Fr. 2.10 die grosse Dose, abzüglich Märklirabatt. Dies in den fünfziger Jahren.
Vor genau 70 Jahren sind die Büchsenravioli in Helvetien erstmals angerollt. Die «Conservenfabrik Seethal» lancierte das neue Produkt «Super Ravioli alla Milanese». 1948 brachte dann Hero die Büchse gross auf den Markt – und wurde damit Schweizer Marktführer.
Beliebt waren die Büchsenravioli nicht nur bei Hausfrauen und Kindern. Auch die Männer schätzten diese Teigwarenart. Noch vor 20 Jahren sind im Militär jährlich 226 Tonnen Büchsenravioli gegessen worden. Mit der Reduktion der Armeebestände ging allerdings auch der Bedarf zurück – im letzten Jahr hat man in den Militärküchen noch 98 Tonnen Ravioli aufgebüchst. Natürlich rümpfen Hobbyköche und Gastronomen die Nase: «Büchsenravioli – brrrr! Wie kann man auch?!»
Man kann! Der Ravioli-Markt legt im Lebensmittelhandel überdurchschnittlich stark zu. Die italienische Teigtasche – heute allerdings vorwiegend durch die «Frischravioli» vertreten – ist zum Verkaufsrenner der letzten Jahre geworden. Immerhin sind im vergangenen Jahr im Schweizer Detailhandel für 37 128627 Franken (!) Ravioli verkauft worden. Das entspricht 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Ecco, die Ravioli-Liebe der Schweizer!
WAS DRIN IST. Der schwärzeste Tag in der Geschichte der Schweizer Büchsenravioli war sicherlich jener 10. März 1978, als der «Kassensturz» in einer Horrorsendung die Ravioli auseinander nahm. Basis der Reportage bildete allerdings ein in Wien durchgeführter Test über ein Billigprodukt, welches für den österreichischen Markt bestimmt war.
Nach der Sendung brach der Konsum landesweit auf rund die Hälfte zusammen. Hero reagierte mit einer Inseratenkampagne: «DAS IST DRIN!» Man garantierte, dass die Zusammensetzung der Büchsenravioli aus Rindfleisch (ohne Innereien), Speck und Tomatensauce bestehe. Und: «Qualität und Hygiene werden bei uns gross geschrieben!»
Dennoch: Es dauerte Jahre bis das Umsatzniveau der Vorjahre wieder erreicht wurde. Der Prozess, den Hero gegen den «Kassensturz » führte, war langwierig. Und endete schliesslich in einem Vergleich.
NOSTALGIE. Von der Rezeptur her ist das Produkt in all den Jahren unverändert geblieben. Mit der Einführung der «porzellanweissen Dosen» anno 1972 konnte auch der etwas eigene Blechgeschmack eliminiert werden. Hero gelang mit der Entwicklung dieser weltweit ersten geschmacksneutralen «Porzellandose » überdies ein grosser Wurf.
Heute? Noch immer werden in der Schweiz täglich Unmengen Ravioli genossen. Zubereitet wie einst. Oder nach der Art von Küchenchef Peter Itin (siehe Rezept). Oder so, wie wir es in einem Hero- Rezept-Inserat der sechziger Jahre gelesen haben: «Ravioli Nizzaer Art». Kochfeste Platte mit Knoblauchzehe einreiben. Die heissen Ravioli darauf anrichten. Geriebener Käse darüber streuen – mit Butter beträufeln. Und im Ofen bei Oberhitze gratinieren. Salat oder Spinat extra dazu.
Wär doch mal etwas für eine Nostalgie-Einladung!
Ravioli al Chef
Peter Itin, mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichneter Metzgermeister und Militärküchenchef, hat uns mit einer Büchse Ravioli sein Rezept kreiert:
Zutaten: 1 grosse Büchse Ravioli, 1 gehackte Zwiebel, 3 gehackte Knoblauchzehen, Peterli, Schnittlauch und Liebstöckel mit dem Wiegemesser fein zerschnitten, 100 g Speckwürfeli, 1/2 Glas Rotwein, Reibkäse, 2 dl Rahm, etwas Butter, Tomatenmark.
Zubereitung:
In etwas Butter Zwiebel und Knoblauchzehen (beide fein gehackt) anziehen und die Speckwürfeli dazugeben. Schön rösten, dann mit dem Rotwein ablöschen. Etwas Tomatenmark hinzugeben und mit frisch gemahlenem Pfeffer und Salz sowie den frischen Kräutern würzen. Die Dosen-Ravioli in die Sauce geben (dabei die Hälfte der Tomatensauce abschütten) und in der Sauce erhitzen. Sorgfältig wenden. Alles in feuerfester Form anrichten. Rahm und geriebenen Käse drübergeben und im Ofen bei 200 Grad gratinieren.
E Guete!