Das blaue Wunder

Von Dreiecksgeschichten beim Gala-Diner

Rezept: Crêpe-Rouladen «Christine»

In den 50er Jahren gehörten Gala-Käsli zu den Highlights eines typisch schweizerischen Café-Complet-Znachts. Doch auch heute noch ist der Frischkäse in der blauen Halbmond-Schachtel ein Bestseller.

«Café complet» ist heute out. Omi-Zeit. Passé. Noch vor einem halben Jahrhundert war «Café complet» das gängige «Znacht» der meisten Schweizer Familien. Jeder hatte seine kleine Variation. Aber das Grundrezept blieb sich in der ganzen Deutschschweiz gleich: Kaffee, Milch, Butter, Brot, Gomfi - dazu wenig Käse oder Wurst. Letzteres allerdings gabs nur am Anfang des Monats, wenn das Haushaltsbudget noch ein paar Extrasprünge zuliess. Ansonsten beschränkte sich das Nachtessen auf Milchkaffee und eine Gomfischnitte. Fertig.

Eine Exklusivität im Complet war die nachtblaue Schachtel mit der markanten Halbmondform und den vier gelben Buchstaben: GALA. Gala-Käsli waren Luxus für die Arbeiterfamilie - allerdings ein Luxus, den sie sich immer wieder leistete. Wir Kinder fuhren auf die Gala-Käsli mindestens so sehr ab wie auf Grossmutters Quittenkonfitüre.

Das Besondere. Heute sind reichbestückte Käseplatten Alltag. In den 50er Jahren gabs zu den Nachtessen nur ein Stück Emmentaler (und hier stets nur eine Marke - man kannte all die wunderbaren Geschmacksfinessen dieses Königs der Schweizer Käse noch nicht). Dann und wann wurde mal ein Stückchen Tilsiter aus dem aalglatten Käsepapier geschält. Auch Joghurt war kein Thema. Die weisse Masse in diesen ursprünglichen Gläsern schmeckte einfach zu sauer. Überdies kamen die Joghurt-Gläslein für das Normalbudget zu teuer. Doch wenn Mutter das «Café complet» für einmal etwas aufmotzen wollte - seis, weil sie Gäste dazu eingeladen hatte oder ganz einfach, weil ihr mal um etwas «Besonderes» war - dann griff sie zur blauen Schachtel. Und zu Gala.

Im blauen Halbmond lagen drei abgerundete Dreiecke. Wir Kinder durften die Silberecken sorgfältig an der kaum punktgrossen, feuerroten Lasche öffnen. Der cremige, weisse Inhalt wurde aufs Brot gestrichen - und schmeckte nach tausend Wonnen. Die leere Gala-Schachtel aber brachten wir am andern Tag in den Kindergarten, wo die geschickten Finger unserer «Kindergarten-Gotte» Wunderdinge wie Gampirössli oder Fasnachtslärvli daraus bastelten.

Die Alternative zur Gala-Köstlichkeit waren die runden Käseschachteln von Gerber. Die Dreiecklein zeigten sich hier kleiner. Überdies offerierten sie die verschiedensten Geschmacksrichtungen. Am beliebtesten war bei uns Kindern das Schinken-Käsli. Doch mehr als eines dieser winzigen, dreieckigen Lucullus-Höhenflüge hätten Mutter und ihr Budget nicht erlaubt.

Die Entdeckung. Erst in den späten 70er Jahren ist der Käse zum Thema geworden. Damals, als die Gewerkschafts- und Trämlerlöhne bald einmal das Einkommen des Kleinunternehmers überholten, war Café complet auch in Arbeiterkreisen kein Thema mehr. Die Nachtessen wurden mit den Löhnen üppiger - und die Käseplatten auch. Zum Emmentaler reihten sich nun Camembert, Münsterkäse und - der frechste aller neuen Genüsse - der Gorgonzola mit seinen bläulichen Schimmel-Adern. Immer bunter wurde die Palette, immer internationaler, so dass man darüber die Schweizer Bergkäseherrlichkeit ganz vergass und erst wieder von Alex Wirth in den späten 80er Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde. Der Käser von der Colmarerstrasse lehrt(e) die Bebbi, welchen Genuss ein Complet-Znacht mit Käseköstlichkeiten aus Helvetien bereiten kann.

Doch zurück zum Gala-Moment. 1936 kam die Schachtel erstmals auf den Markt. Zehn Jahre lang haben die Experten von Gerber gepröbelt, bis sie diesen Frischkäse aus Doppelrahm herausgetüftelt hatten. Wichtig war die Bekömmlichkeit der legendären Dreiecke. Gala enthält wenig Eiweiss und ist gut verträglich - das war in den 30er Jahren bei einem Frischkäse revolutionär.

«Der Name Gala enthält die Idee eines Galadiners. Die Familie Gerber, welche damals den Käse produzierte, wollte aus dem blauen Halbmond einen kulinarischen Genuss machen», sagt Elisabeth Ayer von der Emmi-Gruppe, zu der Gala heute gehört. Es ist ihr gelungen. Und gottlob haben nicht rührige Werbeheinis und Grafiker an diesem Gala-Moment herumgedoktert und alles neu konzipieren wollen. Denn nur weil man bei der Packung der 30er Jahre geblieben ist und auch nichts am Rezept verändert hat, ist Gala noch immer das Schweizer Frischkäse-Leaderprodukt. 400 Tonnen werden jährlich gedreieckelt - der blaue Halbmond ist somit eine vollrunde Sache geblieben.

Crêpe-Rouladen «Christine»

Erfindungsreich. Mit Gala lassen sich die verschiedensten Leckereien zaubern. Christine Albrecht, Grande Dame des Basler Caterings, hat für uns ein Rezept herausgetüftelt, das jedem ihrer Gala-Empfänge gut ansteht. Die professionelle Gastgeberin aus Riehen gehört heute zu den Top-Catering-Betrieben der Region. «Am liebsten kreiere ich einen Anlass vom Blumenschmuck bis zum Dessert-Praliné. Da bei vielen Diners oder Apéros öfters dieselben Gäste auftauchen, ist es wichtig, immer wieder neue Kreationen anzubieten. Meine Crêpe-Rouladen sind eine davon:

Zutaten für die Füllung: 160 g Galakäsli, 150 g Mascarpone oder Rahmquark, feingeschnittenen Schnittlauch, Pfeffer, Salz (alles gut untereinander zu einer Masse mengen).

Zutaten für die Crêpes: 1 Ei, 1 El Mehl, 2 El Rahm, 1 El flüssige Butter, Salz, Pfeffer.

Zubereitung: Die Crêpes-Zutaten verquirlen und hauchdünne Crêpes ausbacken. Auf Teller auskühlen lassen. Die Füllung auf den ausgekühlten Crêpes mit dem Spachtel verstreichen, satt einrollen - und bis zum Gebrauch in Folie gewickelt im Kühlschrank aufbewahren. In 5 mm dicke Ringli schneiden. Mit Stick (oder Zahnstocher) piercen und auf mit Salatblättern ausgelegter oder mit Schnittlauchröllchen beschneiter Platte anrichten.

Rezeptkategorie: 
Freitag, 30. September 2005