Bell-Epoque

Würschtli-Znacht - der Küchen-Hit der 50er Jahre

Rezept: Bell-Würstli auf Risotto

Ein Frankfurter hat das Wienerli erfunden. In der Schweiz war es dann Bell, der aus der Wurstidee ein Markenprodukt machte. 1920 kam das «Bell-Würstli» auf den Markt.

Sie haben uns früher den Tag gemacht. Oder eigentlich: die Nacht. Denn «Würschtli-Topf» gabs immer zum Abendessen.
In der dampfenden Schüssel schwamm das braune Glück: BellWürschtli.
Für uns Kinder wars Glück, weil wir erstens: heisse Würstchen liebten. Und zweitens: mit der blauen Tube herumsenfen durften.
Für Mutter wars Glück, weil so ein Würschtli-Znacht nicht viel Aufwand machte. Und ihr einen stresslosen Nachmittag bescherte.

Ein Wurst-Topf war in den 50er Jahren an Einladungen, an Silvesterfeiern oder als kleine Mitternachtsstärkung nach einem Theaterbesuch der grosse Hit. Die länglichen, braunen Dinger waren knackig-nobel und gesellschaftlich «in». Ein paar Saisons lang wurden sie gar im heissen Blätterteigmantel angeboten: «Würschtli im Schloofrock ...» Nun wissen wir alle, dass die Würstchen dieser Welt aus Österreich stammen. Genauer: aus Wien.

Aus Liebe. Und doch stammte der Erfinder des weltberühmten «Wienerlis» nicht etwa aus der Donaustadt. Es war ein stämmiger Metzgergeselle aus Franken, der das Wiener Würstel erstmals vis-à-vis des Stephansdoms ins Schaufenster hängte.

Der junge Frankfurter Georg Lahner hatte sein Herz nämlich in Wien verloren. Und liess seine Wurst auch gleich da. Die Angebetete war von höchstem Stand und konnte mit dem Metzger gesellschaftlich nicht in denselben Topf geworfen werden - also eröffnete der Liebhaber mit der Apanage der Baronesse eine Metzgerei. Kreierte dieselbe Wurstfüllung wie schon in Frankfurt. Und machte mit seiner Wurst Furore - sowohl die Hocharistokratie mit dem Kaiser persönlich wie auch Strauss oder Schubert machten sich das Würstchen zum Gabelfrühstück. Und zur Leibspeise.

Zwar nannte der junge Metzgermeister in Liebe zu seiner Heimatstadt die Würstchen «Frankfurter». Das liessen die Wiener aber nicht gelten. Und machten prompt «Wiener Würstel» draus.

Ein Renner. In der Schweiz war es dann Bell, der aus der Wienerli-Wurstidee ein Markenprodukt machte: das Bell-Würstli. 1920 wurde es erstmals hergestellt. Und war - wie sein Vorgänger aus Wien - von Beginn weg ein Knaller.

Bis spät in die 30er Jahre war Bell mit seiner Produktion an der Elsässerstrasse in Basel der grösste europäische Metzgereibetrieb seiner Art. 1908, als Vater Bell das Areal gekauft hatte, grasten hier noch Kühe auf der Wiese. Heute ist der Charcuteriebetrieb an der Elsässerstrasse der grösste in ganz Helvetien.
Doch zurück zum Bell-Würstli. Wichtig war Bell schon in den 20er Jahren das visuelle Marketing. Die Wurstprodukte wurden mit einem Logo versehen - speziell die Bell-Konservendosen machten immer wieder durch ihr eigenes Design und den typischen Namenszug auf sich aufmerksam. Bell-Werbeplakate waren ein Catch-Eye erster Güte - immerhin haben Künstler wie Niklaus Stoecklin, Herbert Leupin oder auch August Haas Bell-Plakate kreiert.

Nun wurde das Bell-Würstchen gar mit einer Plombe, die den Namenszug trug, verziert. Die «Plombierung» war reinste Handarbeit - drückte aber die Wertschätzung für das neue Wurstprodukt aus. Und zeichnete sich so neben Wienerli und Frankfurterli aus. Letztere beiden führte man nämlich schon längst in der Produktion.

Während Frankfurterli aus reinstem Schweinefleisch zubereitet wurden, hat man für Wienerli wie auch für die neuen Bell-Würstli noch Rindfleisch hinzugetan. Die Rezeptur ist hochwertig. Gewürzt wird mit Pfeffer, Koriander, Macis (Muskatblüte) und Muskatnuss. Das Bell-Würstli allerdings hat eine noch ausgefeiltere Rezeptur als das Wienerli - so ist zum Beispiel der Anteil des reinen Muskelproteins höher.

Mit Brand. Lange Jahre wurde das exklusive Bell-Würstchen also noch von Hand «plombiert». Später liess man eine Plombiermaschine für diese Arbeit entwickeln - die einzige in der Schweiz. Auch heute ist das Bell-Würstli das einzige «gebrandete» Schweizer Würstchen im Offenverkauf.

Im vergangenen Jahr sind rund 2'000'000 solcher Bell-Würstli verkauft worden. Bei den Wienerli waren es ungefähr 32 Millionen. Diese Zahl scheint gigantisch, ist aber nur ein Klacks, wenn mans mit den Österreichern vergleicht. Die vertilgen auch heute noch in einem Jahr gut und gerne 700 Millionen dieser «Wiener Würstel», die eigentlich aus Frankfurt stammen. Und gleichwohl keine «Frankfurterli» sind.

Bell-Würstli auf Risotto

Wurstprofi. Christoph Jenzer aus Arlesheim ist einer der einfallsreichsten Metzgermeister unserer Region. Seine Goldwurst ist Kult, seine verschiedensten Erfindungen für den Fleischtopf sind legendär. So wurstet er beispielshalber jeden Donnerstag mit einer 200 Jahre alten Maschine die Salsicce traditionale - eine italienische Bratwurst, wie man sie früher in den Abruzzen und in der Toskana hergestellt hat. Seine Treberwürste, die auf den Grappa-Traubenhülschen gebrutzelt werden, sind Poesie - und der Beweis, dass innovative Metzgermeister wie einst Georg Lahner nicht ausgestorben sind …

Mit dem Bell-Würstchen hat Christoph Jenzer nun ein Risotto gekrönt. Hier sein Rezept:

Zutaten. 400 g Risottoreis, 1 gehackte Zwiebel, 8 dl Fleischbrühe, 4 dl Weisswein, 50 g Butter, 80 g Parmesan, 4 Bell-Würstli, etwas Rapsöl, Olivenöl.

Zubereitung. Die Zwiebel im Olivenöl anziehen, ebenso den Reis. Nach etwa einer Minute alles mit der Fleischbrühe ablöschen. Unter ständigem Rühren köcheln lassen und nach 10 Minuten den Weisswein hinzufügen. Weiter köcheln lassen. Nach 20 Minuten vom Feuer nehmen - Parmesan und Butter unter den Risotto rühren.
Mittlerweile Bell-Würstli unten und oben kreuzweise einschneiden. Und in etwas Öl auf allen vier Seiten bräteln, bis sie die «Beine» strecken. Auf dem Risotto servieren. E Guete!

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Freitag, 17. Februar 2006