Dialektik

Hubert raschelte energisch mit der Zeitung. «Hildi.» «HILDI!» Keine Antwort.

Dann: «HILDEGARD!»

Man hörte das Klappern von Tellern. Schliesslich hagelte es gereizte Schimpfwörter, die Hubert jedoch nicht vernehmen kann. Die Wellen seines Hörapparates reichen nicht bis in die Küche.

Besser so.

Hildi baut sich nun mit funkelnden Augen beim Esstisch auf: «WAS SCHREIST DU SO HERUM – WAS IST LOS?!» Stille.

Dann vorwurfsvoll: «Es hat keine Aprikosen­konfitüre mehr...». MITTELSCHWERE KRISE.

Erschienen am: 
Montag, 14. September 2015

Von einer kleinkindernagelgrossen Schachtel und Erstzähnen…

Illustration: Rebekka Heeb

Mein erster Zahn kam in die rosa Schachtel. Nun ja – das war so eine Mini-Box, in der mein guter Vater meiner Mutter Schmuck geschenkt hat. Mit einem Trämlerlohn lag nicht viel drin – sowohl in der Schachtel. Als auch so.

Hier wars ein Kleeblatt-Anhänger. Das Schmuckstück war kaum kleinkinderfingernagelgross (WAS FÜR EIN RIESIGES WORT FÜR EINE WINZIGE SACHE – ES KÖNNTE FÜR POLITISCHEN GEIST STEHEN!). Und es war auf hauchzarter Watte in der Farbe eines Pink Panthers gebettet.

Erschienen am: 
Dienstag, 8. September 2015

Couture «Daisy»

Lucie schaute ihn mit ihren grossen Augen an. Sie wusste: Damit hatte sie Kurt an der Angel: «ICH HABE NICHTS ANZUZIEHEN, KURT!»

Kleiner Discours vor dem Hotelkasten: «…und das! … und das! …und das war doch gerade eben… und…»

«Kurt!» – WIEDER DER BLICK, «morgen gehen wir…»

Er winkte ab: «Ohne mich!»

Sie küsste ihn auf die Nase: «Aber ohne dich macht das Kleider aussuchen in der grossen Stadt keinen Spass, Pummelbärchen!»

GESCHMOLZEN.

Kurt war ein tropfendes Stück Wachs unter ihren Augen.

Erschienen am: 
Montag, 7. September 2015

Dody Staehelin: «…und jammern hilft ja eh nix!»

Der Portier des Wiener Hotels Sacher blinzelt über den Brillenrand. Dann macht er Männchen: «Die gnädige Frau ist noch nicht eingetroffen… aber SIE kommt bestimmt sofort…»

Er beugt sich vor. Und vermeldet vertraulich: «SIE ist noch eine dieser letzten echten Damen. Mit Disziplin. Und mit der Pünktlichkeit einer Schweizer Uhr…»

Ich warte im grossen Salon. Als ich Dody Staehelin das «Sacher» vorschlug, sagte sie nur: «Fein. Auf dem roten Plüsch können wir ungestört plaudern…»

Ungestört?

Erschienen am: 
Samstag, 5. September 2015

Von einem verwechselten Koffer und Faltencreme

Illustration: Rebekka Heeb

Der Kofferschlepper sah aus, als käme er aus der Operette: «Dorf y auspacken?»

Nun. Ich bin ja nicht so. Aber diese Direktanmache treibt unsereinem auch mit 68 Jahren noch die Röte eines Löschhydranten in die Birne. «Ich weiss nicht recht …», stammle ich.

Jetzt hat der Mann auch schon den Koffer geöffnet. Hängt die zwei Kittel in den Kasten. Zwingt meine Hose an Bügelklammern. Reiht Hemden in Schubladen ein. Und lächelt etwas verwegen: «Den Rest loss y drinni.»

Erschienen am: 
Dienstag, 1. September 2015

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