Lucie schaute ihn mit ihren grossen Augen an. Sie wusste: Damit hatte sie Kurt an der Angel: «ICH HABE NICHTS ANZUZIEHEN, KURT!»
Kleiner Discours vor dem Hotelkasten: «…und das! … und das! …und das war doch gerade eben… und…»
«Kurt!» – WIEDER DER BLICK, «morgen gehen wir…»
Er winkte ab: «Ohne mich!»
Sie küsste ihn auf die Nase: «Aber ohne dich macht das Kleider aussuchen in der grossen Stadt keinen Spass, Pummelbärchen!»
GESCHMOLZEN.
Kurt war ein tropfendes Stück Wachs unter ihren Augen.
Marlene, Verkäuferin bei Couture «Daisy» knurrte: «Blöde Tussi!» – Die dumme Kuh hatte schon drei Tailleurs probiert.
Dann kam sie mit einem strahlenden Lächeln aus dem Hinterzimmer. «Hier haben wir etwas in Grün. Auch ein Einzelstück…»
Lucie rümpfte ihr Näslein: «Der Rock spielt aber arg in der Minzenfarbe…»
SCHEISSZICKE!
Und wieder das Lächeln: «Lagerfeld arbeitet diese Saison nur in Pastelltönen…»
«Noch ein Glas Champagner?» – die Frage ging an Kurt. Er lümmelte in einem der eleganten Ledersessel. Und liess die Prozedur stoisch über sich ergehen. «Bei einem Modell-Preis von 14 000 Franken sollte ein zweites Glas eigentlich drin liegen …», grinste er zu Marlene von Couture «Daisy»:
«So ein super Mann. So geduldig», dachte diese. Und stellte sich im tiefsten Innern die Frage: «WESHALB HABEN DIE GRÖSSTEN DRECKSCHLEUDERN IMMER DIE NETTESTEN MÄNNER?»
Marlene kam zum Schluss, dass es eine Bettfrage sein musste.
Sie warf einen Blick auf die grosse Hermes-Papiertasche, in der ein schwarzer Fummel steckte.
«Wir haben heute Morgen schon zugeschlagen …», nickte Kurt lächelnd.
«Geld wie Heu», seufzte Marlene stumm.
Da tauchte Lucie in Lindengrün aus der Kabine auf.
«Bezaubernd!», sagte Marlene.
«Echt heiss», nickte Kurt anerkennend.
«Haben Sie eine Stola dazu?», fragte Lucie.
«Der Tag ist geritzt», dachte Marlene. «Das kleine Grüne kostete 16 900 Franken. Und eine Stola nochmals 4000 Franken.
Sie strahlte: «Ich hole Ihnen «TULPENTRAUM», das neuste Tuch von Prada…»
Als Marlene mit der Stola zurückkam, unterhielt sich der nette Ehemann mit einer arabischen Frau. Diese trug den Schleier. Man sah nur blitzende Augen.
Marlene schätzte die verschleierte Kundschaft. Hinter dem Abdecktuch steckte meistens ein halber Monatsumsatz für Couture «Daisy». Deshalb freundlich: «Kann ich helfen…?»
«Sie muss zu Dior», erklärte Kurt. Und drückte Marlene die leere Champagner-Flûte in die Hand. «Ich zeige ihr den Weg…»
«WAS FÜR EIN GENTLEMAN … EINFACH KLASSE … WESHALB GERÄT UNSEREINS IMMER NUR AN RUCKSACKTYPEN?!»
Marlene schaute den beiden verträumt nach. Dann rief sie zur Kabine: «Darf ich reinkommen… hier ist das Prada-Tuch… ein Traum!» –
Keine Antwort.
Marlene klopfte an die schmale Türe.
DIE KABINE WAR LEER. DIE DREI MODELL-KLEIDER WAREN EBENFALLS WEG…
Lucie hatte alle drei Modelle am Boden ihres Hotelzimmers ausgebreitet.
«Jetzt ist aber endgültig Schluss mit deinem Tick!», wetterte Kurt.
«Ach Pummelbär! – «ich brauche hin und wieder diesen Kitzel … andere Frauen schnupfen Kokain!»
«Der Champagner war mies!» knurrte Kurt.
«Man kann nicht alles haben! Morgen sind wir in Salzburg! – Ich bräuchte wieder mal ein Perlencollier …» –
«Lucie!»
Sie klimperte mit den Wimpern.
DA WAR ER WIEDER WACHS.
(Vermutlich eben doch eine Bettgeschichte.)