Jennifer Mulinde: «Dann sehen sie mich – die schwarze Helvetia»

«Röschti-Bar?»

Die Berliner Taxifahrerin schüttelt unwillig den Kopf: «Det kenn ich nicht.»

Wir stottern in ihrem klapprigen Opel durch Berlin Kreuzberg: Kebab-Buden … viel schrilles Jungobst …grüne, blaue, rosa Mähnen… Tattoo-Studios… die bröckelnden Mauern voll von Graffiti: FUCK YOU!

«Es ist ein kultureller Treffpunkt…», versuche ich es.

«Det is schrill», lacht die Rothaarige am Steuer. «Uf Kultur machn s hier alle…»

Erschienen am: 
Montag, 7. Dezember 2015

Vom Sänger an Beethovens Grab

Illustration: Rebekka Heeb

Die Frau am kleinen Holztisch wippt mit den Füssen. Sie trägt Ballerina-­Schläppchen in der rosigen Farbe von ­welken Pfingstrosen. Das schüttere Haar fällt ihr in ­dünnen, teerschwarz gefärbten Strähnen auf eine weissliche Spitzenbluse. Letztere ist für immer dahin: Denn auch der rabiateste Meister Riese kann den Gilb der Jahrzehnte nicht mehr rauszwingen.

Vor dem Runzelpüppchen liegt eine Herbst­kugel – die Wiener Spezialität des Novembers: ein Schneeball aus Schlagobers, glacierten Kastanien und Zuckersirup.

Erschienen am: 
Dienstag, 1. Dezember 2015

Fleischeslust

«Hansi – ESSEN FERTIG!»

Hans hangelte nach seinen Finken.

Er stemmte sich aus dem Fernsehsessel hoch. Und rieb in Vorfreude die Hände: Das Abendessen war ihm das Liebste!

Sein Arzt hatte allerdings die alte Leier vom ­«Kaiser am Frühstück» und «Bettler beim ­Abendmahl» gesungen: «Nach 18.00 nur ein Joghurt. Oder ein Stück Brot mit Milch, Herr ­Tobler. Beim Frühstück aber dürfen Sie in die Vollen greifen ...»

Hans Tobler war nie ein Frühstücker gewesen: eine Tasse Kaffee. Eine Zigarette. Fertig.

Erschienen am: 
Montag, 30. November 2015

Von Gasbomben in Rom und Klopfzeichen als SMS

Illustration: Rebekka Heeb

Als der Mann die Bombe in meinem Schlafzimmer sah, begann er zu hyperventilieren. Dann lief er grünlich an: «JA SIND SIE NOCH ZU ­RETTEN?! TOTAL DURCH­GESTARTET, WAS?! Raus hier – bevor alles in die Luft geht!» Dies alles in sizilianischem Schnellschussdialekt.

Und: MEIN GOTT, DIESES AFFENTHEATER WEGEN EINES LAUSIGEN BÖMBCHENS!

Ich lebe seit über 30 Jahren mit Bomben in Rom. Ja, man kann ruhig sagen: Es ist meine ­bombigste Zeit.

Erschienen am: 
Dienstag, 24. November 2015

Integration mit Sushi

Wenke kochte.

Seit Wochen versuchte die Münchner Professorin, diesen Menschen ein paar Brocken gutes Deutsch einzupauken.

Und Amir schaute nicht einmal zur Tafel.

Er piepste auf seinem iPhone herum. Und spielte «Schiffe versenken».

JA HAST DU WORTE!

«HERR AMIR!»

Erschienen am: 
Montag, 23. November 2015

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