Die Stalkerin

Sie stand mit ausgebreiteten Armen da.

Ein bisschen wie dieser Herr Jesus auf dem Hügel von Rio.

Und sie lächelte. Freundlich. Lieb. Ein wenig verschmitzt.

(Dies alles nicht wie dieser Herr Jesus auf dem Hügel von Rio.)

Jens wusste nicht, was er tun sollte.

Er schaute nach hinten. Aber nein – da war keiner. Das Lächeln und die ausgestreckten Arme galten ihm. IHM ALLEINE.

Die Frau war klein. Ihr Haar lang. Strähnig. Grau.

Erschienen am: 
Montag, 20. März 2017

Von dem sizilianischen Macho und seiner Agata

Illustration: Rebekka Heeb

Umbi wartet am Flughafen.

Umbi ist Umberto.

Umbi mag es nicht, wenn ich ihn «Umbi» rufe. Ich glaube, das Wort bedeutet etwas schrecklich Unflätiges in dieser Sprache, die sie hier auf der Insel sprechen – eine Sprache, die aber dem arabischen Souk näher ist als dem Dante der italienischen Kultur.

KURZ. WER HIER NICHT MIT DIESEM GENUSCHEL AUFGEWACHSEN IST, VERSTEHT EH NUR BAHNHOF. UND «FIGA», «figa», «FIGA» – denn darum dreht sich hier alles in dieser zitronigen Macho-Welt.

Erschienen am: 
Dienstag, 14. März 2017

Poesiealbum

Anna blättert im Album. Jesuskäfer tanzen auf dem Buchdeckel durch ein Veilchenbeet. Und «Vergis meinicht» steht in Goldlettern auf dem Samtumschlag. Das S hat die Zeit geschluckt. ­Die Erinnerungen nicht.

Als Anna ihrer Grossnichte so ein Poesiealbum schenken wollte, winkte die kleine Lara genervt ab: «Aber wir schicken heute doch SMS, Tante Anna.» Sie war sieben. Und hatte das dritte Handy. Anna dachte: Arme Zeit – wie sollen die Kinder später in SMS blättern…?

Erschienen am: 
Montag, 13. März 2017

Fasnacht ohne Betten

Der nette Mann schüttelte noch einmal den Kopf: «Es tut mir leid – ich habe hier keine ­Reservierung ‹Celine Huber›!»

SHIT. SHIT. SHIT.

«Aber Sie werden doch noch ein Zimmer frei haben?»

Celine schaute den Desk-Mann verzweifelt an.

Der seufzte ebenso verzweifelt: «In Basel ist ­Fasnacht, Frau Huber. Sie wissen gar nicht, wie viele Bebbi diesen

Anlass fliehen!»

DOCH.

WUSSTE SIE GENAU.

SIE WAR EINE DAVON.

Erschienen am: 
Montag, 6. März 2017

D Summerveegel und das ungleiche Brüderpaar

Fasnachtsgeschichte

An einem Morgenstreich wird eine alte Frau beim Affenbrunnen auf dem Andreasplatz von ihrer Vergangenheit eingeholt. Eine berührende Fasnachtsgeschichte von -minu.

Simone schaute zum Himmel. Langsam brach der Tag an, in dieser Stadt in ihrem Ausnahmezustand – und über ihre Fasnacht mit all den Schattierungen: von lodernder Freude bis bleierner Trauer.

Wie ein Schwarm flatternder Schmetterlinge zog der Stammverein der Summerveegel seine Runde um den Affenbrunnen.

Erschienen am: 
Samstag, 4. März 2017

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