Von der alten Primadonna und der Casa Verdi

Illustration: Rebekka Heeb

Die Alte stützte sich auf den Rollator. Sie hatte Rouge auf ihren faltigen Bäckchen – es sah aus, als würde Abendrot über eine aufgerissene Strasse aus­gegossen. «Sono Lucia», stellte sie sich nun vor. «LUCIA DI PARMA – SIE ERINNERN SICH?»

Ich war ein stummes Fragezeichen. Und das gefiel Frau Lucia gar nicht. Also gab sie etwas Schützenhilfe: «1946. Gleich nach dem Krieg. Zuerst im San Carlo von Neapel. Dann hier an der Scala. LA GRANDE LUCIA, LA DIVINA!»

Erschienen am: 
Dienstag, 7. April 2015

Von den Pariser Monaten und der Kroketten-Zeit

Illustration Rebekka Heeb

Georges war ein Weichei. Mutlos. Er lebte in seiner ­verlogenen Welt.

Ich meine: Er ging allen Schwierigkeiten aus dem Wege.

Daran musste ich denken, als «der Kreis», dieses bejubelte Schweizer Film-Lamento über ein trauriges Schwulenleben über mich hereinbrach.

Ich habe Georges in der Pariser Oper kennengelernt. Vorne tanzte Nurejew. Hinten stand ich. Es war die Zeit, als ich dem russischen Tänzer und dessen pompösem Paket im Tricot überall hin nachreiste.

Natürlich beachtete mich Nurejew nicht.

Erschienen am: 
Dienstag, 31. März 2015

Schall und Rauch

Es war seine letzte Zigarre.

Noch einmal spielte er mit den Lippen am Deckblatt. Und spürte, wie der sanfte Rauch ihn benebelte.

Dies alles würde nun vorbei sein.

«Die Erlösung naht», hatte sein Arzt gegrinst. Es war ein Doktor des schwarzen Humors. Deshalb mochte Edi ihn. Und seine dunklen Sprüche.

Vermutlich würde er seine Havannas vermissen. Doch bestimmt nicht die jammernden Ratschläge seiner Umgebung: «Hör endlich mit dieser Pafferei auf. Schaust du dir nie das Bild einer Raucherlunge an …»

Doch.

Erschienen am: 
Montag, 30. März 2015

Vom Besuch im Bundeshaus und von grauem Stein

Illustration Rebekka Heeb

Das Bundeshaus hat mich nie heiss gemacht. Einfach nicht.

Wenn jemand mit Sissi und Schneewittchen gross geworden ist, hatten Herrscher­häuser anders auszusehen:

MEHR GOLD.

MEHR TÜRMCHEN.

MEHR GLANZ.

Als Politiker und Gewerkschafter hatte mein Vater allerlei Beziehungen zum Bundeshaus. Er schleppte alles und jeden hin. Es gibt kaum einen Bergbauern in Adelboden, der mir heute nicht mit geröteten Augen die feuchten Hände entgegenstreckt: «Dyn Ättel hett mi denn no is Bundeshuus brocht…»

Erschienen am: 
Dienstag, 24. März 2015

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