Waaiedift und Suppeschwaade – schön wärs!

Einst stärkten sich die Cliquen mit Gaggo und Murbs, heute wabern Grillwurstwolken durchs fasnächtliche Basel.

Man hört es rund um die Basler Fasnacht immer wieder – die Suppenoper in Versform. Und die Ode an «Waaiedift»:

«Waaiedift und Suppeschwaade dien zem Gniesse jetzt ylaade!» SCHÖN WÄRS!

Die zarten Düfte einer Ziibelewaaie sind längst von Grillwurstwolken überdeckt worden.

Und Mehlsuppe? – Fragen Sie mal die Piccolo-Virtuosen, die blasen ihnen doch bei geröstetem Mehl gleich den Marsch: «GEHTS NOCH?! MEHLSUPPE IST DER TOD JEDES GUTEN PFEIFERANSATZES.»

Mit andern Worten: Die braune Suppe, welche uns Traditionalisten im letzten Jahrhundert eingebrockt haben, ist nicht bei allen der feine Ton.

Dazu kommt noch dieser schwitzende Reibkäse, der Fäden zieht – IGITT UND ALARM.

DER KÄSE KÖNNTE DOCH GLATT DIE FRISCH GESTÄRKTE PIERROT- RÜSCHE VERSAUEN!

Nein. Nein. Und nochmals nein.

Dann lieber einen tropfsicheren Reinschieber vom Bretzel-König. Nature. Und garantiert ohne Versau-Gefahr.

Dabei gehört gerade die Basler Mehlsuppe zum kulinarischen Kulturgut dieser Stadt. Glaubt man dem Fasnachtscomité der 50er-Jahre, wurde diese Art von gerösteter Brühe bereits von den Römern verzehrt. 1957 jedenfalls hat Fritz Grogg eine Blaggedde entworfen, auf der einer der ältesten Migranten unserer Stadt eine solche Suppe schlürft. Der Migrant ist ein Krieger Cäsars – und der suppenschlürfende Kämpfer wird zum Motto: «2000 Johr Mählsuppe!»

Parmesan verhunzt das Aroma

Es scheint, dass die römischen Kämpfer nach dem Genuss der Suppe mit ihrem Ansatz weniger Mühe hatten als die Schreiholz-Primadonnen 2000 Jahre nach ihm.

Aber klar: Das mit der römischen Suppenlöfflerei ist Hafenkäse. Und sicher haben Cäsars Männer – apropos Käse – keinen Gruyère reingerapst. Nicht einmal Parmesan – obwohl der heute immer öfter in die Mehlsuppe schneit. Das ist ein Unding. Denn der Parmesan verhunzt das ganze Aroma der Suppe. Überdies ist der Parmesan eh ein krasser Affront gegen die Basler Gastronomie. Wenn schon Käse, dann ein ziehkräftiger!

Also zu den Tatsachen: Mit 2000- jähriger Mehlsuppentradition ist gar nichts! Tante Knorr und Onkel Maggi suppten erst in den 50er-Jahren.

DA KAM FREUDE AUF!

Noch heute dürfen die beiden Suppenbeutel-Firmen in den drei Wochen vor der Fasnacht eine Umsatz-Hausse über der Basler Region verbuchen.

SO VIEL ZUM THEMA: «Bei m i r gibts nur hausgemachte Mehlsuppe!»

Aber klar doch: Beutel aufschneiden. Inhalt in kaltes Wasser beseln. Aufkochen. Und einen Schuss Sherry ins Glück. DER KREATIVE SCHUSS VOM SHERRY GIBT DAS GRÜNLICHT ZUM LABEL «hausgesuppt!».

Es wird eh ein Riesentheater um eine gute Mehlsuppe gemacht. Wirte haben mir auf ihrem Totenbett das Geheimnis verraten: «Lange, lange auf kleinster Flamme kochen lassen, damit das Mehl aufquillt – mindestens zwei Tage!» Andere behaupteten: «Für den Sud nur bestes Suppenfleisch verwenden – und ein kleiner Schweinsfuss wegen des Glanzes!» Die dritten: «Mehl nur auf dem Blech im Ofen rösten. Ofenmehl schmeckt sanfter!»

Aber das wirkliche Geheimnis, das sie ins Grab mitgenommen haben, war der Trick mit der Beutelsuppe und dem Sherry. O. k. Es gibt auch solche, die mit Rotwein wässern. Ist aber nicht dasselbe.

Fasnachtszeitung Schorsch Gaggo

Beeindruckt haben mich eigentlich nur zwei Mehlsuppenrezepte: das von Andreas Morel. Und das von der Familie Baumgartner. Morel nimmt überhaupt keine Brühe. Sondern lässt das geröstete Mehl dominieren und wohlschmecken, indem er es einfach nur mit Wasser ablöscht. Und alles mit etwas Salz würzt. PUNKT.

Die Baumgartners wiederum schwören auf ihr Rezept, bei dem das Mehl mit sage und schreibe zwei Dezi­liter Erdnussöl geröstet wird. Ich habe beide Suppen ausprobiert – schmecken alle zwei wunderbar! Und man hat danach immer noch einen super Ansatz für das «Nunnefirzli» oder den «Waggis» (für Fremdleser: Es handelt sich dabei um nicht allzu einfache Fasnachts- Pfeifermärsche).

Was wenige wissen – eine Tradition war in Basel zum Morgestraich der heisse Gaggo vor dem Vieruhrschlag. Gaggo ist Dialekt und bedeutet Kakao. Es gab gar eine Fasnachtszeitung: Schorsch Gaggo. Und die älteren Mitbürger dieser kleinen Provinz wissen noch, wie Rose Ryhiner, die Mutter des einstigen Basel-Tourismus-Direktors (derjenige, der anno 2000 die Queen an der Grün 80 am Tisch hatte) immer nach dem Morgestraich die Clique ihres Sohnes mit Gaggo und Zopf verwöhnt hat.

Gaggo und Murbs (Murbs sind süsse Milchbrötchen) wurde auch bei Mutter Rensch, der Besitzerin des «Schiesser»-Hauses am Märt für die Stubete-Gäste serviert. Und Gaggo wird um die Jahrhundertwende in ­vielen Cafés und Restaurants am Morgestraich ausgeschenkt – so belegen es zumindest die Kleininserate in den Zeitungen jener Zeit.

Auch die Kääswaaie ist nicht so alt, wie ihre Schwester mit den Zwiebeln. Während Käse nämlich relativ teuer war, gabs die Zwiebeln immer günstig im Elsass. Ist ja klar, wozu die sparsamen Bebbi gegriffen haben. – NOCH FRAGEN?!

Selbst das Fasnachtskiechli ist nicht unbedingt eine urbaslerische Erfindung. Im Bernbiet werden die Dinger mindestens schon seit es Kühe und Mehl gibt für Hochzeiten, Taufen und Leichenessen hergestellt. Ganz anders die Faschtewaaie. Und das Sunnereedli, diese beiden Köstlichkeiten haben einen rein baslerischen Ursprung. Und werden heute überall in Helvetien kopiert – leider ohne den Zusatz «B A S L E R»-Faschtewaaie. Oder «B E B B I»-Sunnereedli. Da hätte die Konsumentenschutztante mal ein paar Takte darüber müffeln sollen!

Die grosse Arschkarte punkto ­Fasnachts-Essgenüsse ziehen natürlich die Zivilisten. Die Cliquen haben schon längst alle Beizen ausgebucht (manchmal wird in Schichten ge- gessen und der Tisch gar zwei Mal «verkauft») – das meist servierte Fasnachts­essen ist: Haggbroote mit Härdöpfelstogg.

Irgendwie muss sich der Fasnachtsbesucher schliesslich auch ernähren. Also geht er an die Wurst. Gottlob geht das Angebot heute ein paar Teller über Klöpfer mit Senf hinaus – die Vielfältigkeit steht derjenigen bei einem Kantonalen Schwingfest oder einer 1.-August-Fressmeile in nichts nach: Älpler-Makronen neben Frikadellen und Kääskiechli – suuri Lääberli sowie Fondue-Burger oder thailändische Frühlingsrollen. Und natürlich: chinesische Nudelpfanne. Chinesischer Reis­teller. Chinesisches Vegi-Menü.

Vermutlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ein junger Grafiker eine alte Tante mit chinesischem Sonnenhut und zwei Stäbchen im Sweet- and-Sour-Pork-Gemisch als Plaketen-Entwurf abgibt: «3000 Johr chineesischi Baslerstäbli …»

Dann vielleicht doch wieder lieber Gaggo und Murbs!

«Die Basler Fasnacht – poetisch und historisch»; Fotoausstellung von Rolf Jeck, Galerie am Spalenberg, Petersgraben 73; bis Sonntag, 15. März 2015

Freitag, 20. Februar 2015