Die Traurigkeit

Corona hat alle im Griff – ob wir jetzt darüber hinwegsehen wollen. Oder uns ins Üble verbeissen: CORONA DIKTIERT UNSERE ZEIT. DEN STUNDENPLAN. DAS LEBEN!

Der Virus diktiert auch dein Denken. Deine Gefühle – da ist dieser Kampf gegen die Vernunft, wenn Du einen Freund nach langem Wiedersehen umarmen möchtest.
Und da sind alle diese dummen, fast schon kleinlich-kleinkarrierten Fragen, welche Dich konfus machen: …können wir Lesungen durchführen..? Wird das Theater spielen..? Kann man den Weihnachtsmarkt oder die Fasnacht «light» durchführen?
Light?
«Light» schmeckt nie vollfett. Und hinterlässt immer ein ungesättigtes Gefühl. Also: Besser verzichten, als halbe Sachen!

Wir ziehen die neusten Corona-Nachrichten ein. GIERIG. Wie der Junkie den Stoff.

SIE HABEN SICH IN DER STATISTIK GEIRRT!

Ich überfliege die Zahlen. Und verstehe gar nichts mehr. Man wertet die Angaben von 793 Menschen aus, die mit dem Virus infiziert wurden. Plötzlich ist alles anders: in den Bars und Nightclubs stecken sich fast zweihundert Mal weniger an als in den Familien. Und bei der Arbeit verhältnismässig viele. Aber am Schlimmsten sind «ANDERE» - jeder 8. hat sich bei «ANDERE» angesteckt. Allerdings kann diese Zahl auch nicht ganz stimmen, da von den 793 Befragten 316 die Details «wo wie wann» nicht beantwortet haben.
Irgendwie sind Statistiken, Forscher, Medien, ja wir alle, aus den Fugen geraten.

Und plötzlich ist diese schwere gläserne Glocke über Dir: Der schwarze Durchhänger. Und ein graues, grauenhaftes Gefühl, das du nicht analysieren kannst: «Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.

Gut. Die Verse sind von Heinrich Heine. Und es geht bei ihm um einen Fischer, der mit seinem Boot in den Wellen untergeht. Schuld hat die Loreley – mit ihrem hypnotischen Gesang.
ABER DIE TRAURIGKEIT IN HEINES LIED IST DIESELBE WIE DIE MAGISCHE MELODIE DER CORONA .

Hat die vorletzte Generation nicht zwei Kriege durchlebt. Hat sie nicht auch Tote beklagt, die Ungewissheit verflucht – und auf das Ende der dunklen Zeit gewartet?
Damals hatten die Menschen Hunger. Und keinen Solarstrom zum Heizen – doch irgendwann war der Spuk vorbei. Und die Sonne zeigte sich wieder.

Wir lamentieren heute auf hohem Niveau, wenn wir auf die Resslirytty-Fahrt oder das Chillen am Glühwein-Stand verzichten müssen. Die Medien feuern das Lamento noch an. Worüber soll man sonst berichten – wenn nicht über die neusten Statistiken… die Fallzahlen… und die gestapelten Toten in den Kühlhäusern…?
Alternativ wäre höchstens: ADELA ZIEHT INS PROMI-BIG-BROTHER-HAUS…

Ich weiss nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin…

Mittwoch, 5. August 2020