Kolumnisten

Sie nennen das jetzt Kolumnen. Ich meine, früher hiess es einfach "Schreib noch ein Geschichtlein".
Jetzt tönt die Sache wie kurz vor dem Purlitzer-Preis.
Die "Geschichtlein" waren einst Lückenfüller. Der Bericht irgendeiner Parteiveranstaltung kam zu spät. Onkel Fritz, der dienstälteste Redaktor jener Zeit, hatte Panik daweil keinen Stoff. Also musste ein Füller her: "Schreib irgend etwas – 54 Zeilen mit einem fröhlichen Schluss".

Erschienen am: 
Montag, 7. März 2005

Kleinkriege

Heute morgen ist die Zahnbürste schon wieder falsch herum da gestanden.
Ich meine: Kopf nach links.
Jeder einigermassen vernünftige Mensch weiss, dass Zahnbürstenköpfe nach rechts zu schauen haben. So etwas hat der Mensch doch einfach im Gefühl. Aber nein: nach links. NUR UM MICH ZU AERGERN!

Erschienen am: 
Montag, 7. März 2005

Aus-Zeit

Als Hilde Herbst ihre Familie verliess, merkte es nur Waltraud. Waltraud war die Meersau.
Die Kinder hatten Hilde so tierisch gelöchert, bis Hilde kein Gramm Widerstandskraft mehr hatte und Waltraud gekauft wurde.
Die Jungmannschaft hatte hochheilig versprochen den Stall immer zu putzen, mit Waltraud lieb zu sein und sie täglich zu füttern.
Die Freude dauerte vier Tage. Dann wurde Waltraud durch "Krieg im All" abgelöst – ein Video-Game, das sie ihrem Vater abgeschwatzt hatten.

Erschienen am: 
Montag, 7. März 2005

Die Frühlingskur...

Es war ein strahlender Frühlingstag.
Karl-Heinz hatte gutgelaunt die Zeitung aus dem Briefkasten gefischt. Nun hockte er sich an den Frühstückstisch und wartete auf den köstlichen Duft der Frischback-Weggli, die seine Gertrude jeden morgen aus dem Ofen zog.
Er wartete umsonst.

Erschienen am: 
Mittwoch, 29. Juni 2005

Der Genuss der Langsamkeit...

Sieben Uhr morgens. In Lari, dem 8000-Seelendorf zwischen Pisa und Livorno auf einem kleinen Hügel der Maremma ruft die Kirchenglocke die Leute zum Gebet. Sie ruft auch Dino - ihn allerdings an die Maschine. Mit dem Läuten der Kirchenglocken startet er jeden Tag dieses eiserne Ungetüm, das weltweit Teigwaren-Geschichte gemacht hat. Eine Teig-Maschine, die ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat und die auch heute noch die Pasta-Geschichte der "Fratelli Martelli & C." knetet.

Erschienen am: 
Sonntag, 19. März 2006

Das Wunderland der Gewürze - Antica Drogheria Torielli

Die Menschenschlange im kleinen Eckgeschäft steht bis auf die dunkle Gasse. Die Leute warten geduldig. Untypisch für Italien. Noch untypischer für Genua.

Alfredo Cartucci hat vor drei Wochen Safranfäden aus dem Iran bestellt. Signora Rosanna hatte damals seinen Auftrag mit schwarzer Tinte ins grosse Buch notiert. Cartucci's Name und die Bestellung von 30 Gramm steht nun gleich nach dem Pariser 3-Sternerestaurant Lambroisie (120 Gramm).

Erschienen am: 
Sonntag, 19. März 2006

Heute ist der letzte Tag...

Seit drei Minuten schon steht er hinter Hildi's Frühstückteller.
Er will abräumen. Er sagt nichts. Aber sie spürt seinen Vorwurf im Genick. Hört sein protestierendes Zungenschnalzen. Und liest seine Gedanken: "Wie kann man nur stundenlang vor einem erkalteten Milchkaffee herumtrödeln ..."
Frau kann.

Erschienen am: 
Montag, 2. Mai 2005

Winter in Neapel

Die dicke Metzgerfrau hebt das Beil. Dann schlägt sie zu. Der Kopf von Lega-Führer Bossi donnert zu Boden.
Mit Berlusconi treiben sie's noch ärger. Da rollt nicht nur der Kopf. Ihm geht's auch an die Eier. "Le palle ... le palle!" - brüllt der neapolitanisch Mobb. Und assoziiert damit auch "che palle!" . Oder eben: "Wir haben die Nase voll!".

Erschienen am: 
Sonntag, 11. Dezember 2005

Turin - grau und schön

Der erste Eindruck von Turin ist wie ein trüber Wintertag: kalt. Grau. Und diese melancholische Tristezza, die man in all diesen Städten findet, wo der Glanz vergangener Epochen wie eine Opferkerze erloschen ist.

Erschienen am: 
Sonntag, 19. März 2006

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