Als Hilde Herbst ihre Familie verliess, merkte es nur Waltraud. Waltraud war die Meersau.
Die Kinder hatten Hilde so tierisch gelöchert, bis Hilde kein Gramm Widerstandskraft mehr hatte und Waltraud gekauft wurde.
Die Jungmannschaft hatte hochheilig versprochen den Stall immer zu putzen, mit Waltraud lieb zu sein und sie täglich zu füttern.
Die Freude dauerte vier Tage. Dann wurde Waltraud durch "Krieg im All" abgelöst – ein Video-Game, das sie ihrem Vater abgeschwatzt hatten.
Seit drei Jahren nun gehörte Waltraud in Hilde's Hausfrauenprogramm wie Betten machen, Kleiderkästen ausmisten und Spannteppiche shamponieren.
Nun vermisste Waltraud das Salatblatt, dass Hilde ihr stets nach den Mittagsnachrichten zusteckte. Die Meersau stemmte sich am kleinen Lattenzaun hoch. Sie äugte unwillig herum. Da sah sie, wie Hilde mit einem Koffer aus dem Haus ging. Waltraud ahnte, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Denn Meerschweinchen sind sensibler als alle andern Hausbewohner – Ehemänner und Kinder inklusive.
Den Ausschlag hatten die Pommes-Frites gegeben. Die Kinder hatten zwei Schulkameraden zum Essen mitgebracht. Und "Fritten mit Börgers" bestellt.
Das Resultat war, dass die Gastkinder die Nase rümpften: "Das schmeckt nicht wie bei unserer Mamma".
Es stellte sich heraus, dass die Mutter der Gastkinder die Fritten auf dem Blech backte und das Fleisch per Mikrowelle weich kriegte.
"Uns so zu blamieren!", schrie Rosa-Anna, die jüngste Tochter, ihre Mutter an. "Kein Wunder, dass Vati nie zu Hause ist ...!".
Daraufhin hatte sie den Koffer gepackt.
Unter ihrer Nachtwäsche hatte sie immer wieder etwas Geld von Egon gehordet. Er merkte es nicht, wenn sie ihm ans Portemonnaie ging. Er merkte überhaupt nichts mehr, was sie betraf. Sie hatte seit der Gbeurt der zweiten Tochter 18 Kilos zugenommen, vernachlässigte ihre Haare und sah eben so aus wie gestresste Hausfrauen aussehen.
"Du hast's gut", hatte Ella, ihre beste Freundin geseufzt, als sie sich an einem Sonntag beim Kuchen trafen: "Ein Mann, der für dich arbeitet, Kinder, die dich anbeten – und eine Meersau, die keine Umstände macht". Hilde hatte gespürt, dass Ella leicht gereizt war – der gereizte Ton von unterbeschäftigten Sekretärinnen: "Ich brauche eine Aus-Zeit in einem Tibeter-Kloster", hatte Ella gesagt. Vier Wochen später kam die Karte aus Tibet.
Auch Hilde wollte ihre Aus-Zeit.
Als Egon die Polizei alarmierte, wusste er nicht mehr welche Augenfarbe Hilde hatte. Sie mussten Hilde beschreiben – und das fiel der Familie schwer: "eine typische Hausfrau eben!", versuchte es Egon. "Wie Mütter halt sind ..." ergänzte Rosa-Anna.
Der Polizist schloss seufzend sein Büchlein: "Sie wird wieder kommen – so etwas haben wir jeden Tag auf dem Posten!".
Als Hilde nach 14 Tagen wieder da stand, wurde sie von einem Berg ungemachtem, Geschirr und dem langen Blick aller empfangen: "Wie konntest du uns das antun?"
Die Tage im Wellness-Hotel hatten sie ruhiger und schöner gemacht. Und Egon schlief seit langen Jahren wieder einmal mit Hilde. Als er nach vollbrachtem Akt penetrant schnarchte, ging sie ihm ans Portemonnaie.
Für ihre nächste Aus-Zeit.
P.S. Waltraud fanden die Kinder am vierten Tag nach Hilde's Weggang exitus.
Aus-Zeit auch für Waltraud.