Von den süssen Brüstchen, die Minuzze heissen

Illustration: Rebekka Heeb

Innocent muffelt. Ich habe ihn um fünf Uhr morgen aus dem catanischen Hotelschragen prügeln müssen. Und jetzt ist er schräg drauf: «UND DAFÜR HABE ICH FERIEN!»

Umberto (vulgo: Umbi) erwartet uns schon an der Réception, die eigentlich nur ein Tisch und eine alte Glocke ist. HEUTE IST UMBIS GROSSER TAG. IN ­WENIGEN STUNDEN WIRD DIE HEILIGE AGATA IN DIE LUFT GEHEN. UND DURCH DAS VOLK VON CATANIA GETRAGEN.

Ein tragender Moment – für Innocent in ­diesem Moment aber nur «tragisch».

Erschienen am: 
Dienstag, 21. März 2017

Die Stalkerin

Sie stand mit ausgebreiteten Armen da.

Ein bisschen wie dieser Herr Jesus auf dem Hügel von Rio.

Und sie lächelte. Freundlich. Lieb. Ein wenig verschmitzt.

(Dies alles nicht wie dieser Herr Jesus auf dem Hügel von Rio.)

Jens wusste nicht, was er tun sollte.

Er schaute nach hinten. Aber nein – da war keiner. Das Lächeln und die ausgestreckten Arme galten ihm. IHM ALLEINE.

Die Frau war klein. Ihr Haar lang. Strähnig. Grau.

Erschienen am: 
Montag, 20. März 2017

Von dem sizilianischen Macho und seiner Agata

Illustration: Rebekka Heeb

Umbi wartet am Flughafen.

Umbi ist Umberto.

Umbi mag es nicht, wenn ich ihn «Umbi» rufe. Ich glaube, das Wort bedeutet etwas schrecklich Unflätiges in dieser Sprache, die sie hier auf der Insel sprechen – eine Sprache, die aber dem arabischen Souk näher ist als dem Dante der italienischen Kultur.

KURZ. WER HIER NICHT MIT DIESEM GENUSCHEL AUFGEWACHSEN IST, VERSTEHT EH NUR BAHNHOF. UND «FIGA», «figa», «FIGA» – denn darum dreht sich hier alles in dieser zitronigen Macho-Welt.

Erschienen am: 
Dienstag, 14. März 2017

Poesiealbum

Anna blättert im Album. Jesuskäfer tanzen auf dem Buchdeckel durch ein Veilchenbeet. Und «Vergis meinicht» steht in Goldlettern auf dem Samtumschlag. Das S hat die Zeit geschluckt. ­Die Erinnerungen nicht.

Als Anna ihrer Grossnichte so ein Poesiealbum schenken wollte, winkte die kleine Lara genervt ab: «Aber wir schicken heute doch SMS, Tante Anna.» Sie war sieben. Und hatte das dritte Handy. Anna dachte: Arme Zeit – wie sollen die Kinder später in SMS blättern…?

Erschienen am: 
Montag, 13. März 2017

Fasnacht ohne Betten

Der nette Mann schüttelte noch einmal den Kopf: «Es tut mir leid – ich habe hier keine ­Reservierung ‹Celine Huber›!»

SHIT. SHIT. SHIT.

«Aber Sie werden doch noch ein Zimmer frei haben?»

Celine schaute den Desk-Mann verzweifelt an.

Der seufzte ebenso verzweifelt: «In Basel ist ­Fasnacht, Frau Huber. Sie wissen gar nicht, wie viele Bebbi diesen

Anlass fliehen!»

DOCH.

WUSSTE SIE GENAU.

SIE WAR EINE DAVON.

Erschienen am: 
Montag, 6. März 2017

D Summerveegel und das ungleiche Brüderpaar

Fasnachtsgeschichte

An einem Morgenstreich wird eine alte Frau beim Affenbrunnen auf dem Andreasplatz von ihrer Vergangenheit eingeholt. Eine berührende Fasnachtsgeschichte von -minu.

Simone schaute zum Himmel. Langsam brach der Tag an, in dieser Stadt in ihrem Ausnahmezustand – und über ihre Fasnacht mit all den Schattierungen: von lodernder Freude bis bleierner Trauer.

Wie ein Schwarm flatternder Schmetterlinge zog der Stammverein der Summerveegel seine Runde um den Affenbrunnen.

Erschienen am: 
Samstag, 4. März 2017

Von Lara und Lara – mit und ohne Materialprobleme

Illustration: Rebekka Heeb

«Lara ist dran. SIE HAT BESTZEIT» – Innocent hypert wieder. Immer wenn Lara dran ist, bekommt er das grosse Sausen. Er krallt sich in den Fernsehsessel. Und brüllt die Vasen vom Buffet.

Unten fehlen Lara dann allerdings ein paar Hundertstelsekunden.

DIE WELT IST SCHLECHT. UND INNOCENT JETZT MIES DRAUF: «Das sind doch alles Dumpfbacken. Die haben das arme Mädchen verwachst. Technisch war sie die Beste…»

GEHT MIR ALLES SO WAS VON KALT AM ARSCH VORBEI!

Erschienen am: 
Dienstag, 28. Februar 2017

Martha Kunzenstein

Martha suchte das Salz.

Es war wie verhext. Vor einem Monat noch war es bei den Suppengewürzen gewesen. Und jetzt kugelten hier Überraschungseier herum.

Martha äugte nach einer Bedienung. ABER ES GAB KEINE BEDIENUNG MEHR.

Das ältere Fräulein (sie bestand auf dieser Anrede) seufzte: Es gab auf dieser Welt überhaupt keinen Service mehr. Alles musste man sich selber organisieren: das Essen am Tresen… das Tram­ticket am Automaten. Wenn sie da an diese netten Trambilleteure von früher dachte… DAS WAREN NOCH MÄNNER GEWESEN. NICHT EINFACH SO GRÄSSLICHE BLECHKISTEN, DEREN FUNKTIONSGANG SIE BIS HEUTE NOCH NICHT KAPIERT HATTE.

Erschienen am: 
Montag, 27. Februar 2017

Severin Schwan - CEO Roche: «Man muss einfach sich selber sein»

zVg - Foto: Bruno Caflisch

Wo treffen wir uns?

«‹Brauerei›» – mailt die Sekretärin. Und: «Er nimmt noch seinen Pressesprecher mit…»

Die meisten kommen mit Blumen. Herr Schwan mit Feldhaus, seinem Kommunikationsleiter.

Ist mir auch recht. Hauptsache, er kommt. Denn der grosse Schwan hat gewiss Gescheiteres auf der Liste, als mit einer Zeitungs-Ente zu lunchen.

Ich bin zu früh – wie immer. Das macht die Nervosität. Denn: «Ich möchte keine privaten Fragen» – das hat er mir schon klipp und klar elektronisch durchgegeben.

Erschienen am: 
Samstag, 25. Februar 2017

Vom Stress mit Kindern und von Joints dagegen

Illustration: Rebekka Heeb

Rosie löchert mich. Rosie ist meine älteste Freundin. Die beste aller adoptierten Schwestern. Und die gross­herzigste aller Grossmütter.

Aber jetzt: «DAS BRINGT DICH DOCH NICHT UM!»

Nein. «Um» nicht. Aber es bringt mich an den Rand des Wahnsinns. Ich soll nämlich ihre Grosskinder hüten. So quasi als männliche Kita-Tante mit Schnauzer. ABER BEI MIR HERRSCHT NULL BOCK AUF KINDER. ICH MEINE, WENN ICH GERNE KINDER GEHABT HÄTTE, HÄTTE ICH MIR SELBER ETWAS GEBASTELT. IST JA KEINE HEXEREI!

Erschienen am: 
Dienstag, 21. Februar 2017

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