Von den Jungkätzchen und «Füttern verboten!»

Illustration: Rebekka Heeb

Sie kamen über Nacht. Ohne Voranmeldung. Als wilde Gruppe.

Wie eine Meute Touristen wuselten sie herum. Und gaben Unverständliches von sich - EIN BISSCHEN TÖNTEN SIE NACH JAPANISCHEN GEISHAS, WENN DIESE AN DER LAUTE ZUPFEN.

Wir waren eben beim Frühstück. Schon machte sich die Bande frischfrech an unser Müesli. Hüpfte in der Milch herum. Und steckte die Köpfe in die Butter.

IM ÜBRIGEN WAREN DIE EINDRINGLINGE KAUM HANDGROSS. ABER SCHON DICK IM PELZ. UND DIES AN EINEM ALTWEIBER- SOMMERMORGEN!

Erschienen am: 
Dienstag, 15. Oktober 2019

Der Tick

«Frau Sager - bei uns stiehlt niemand!» Die alte Frau zog grimmig die Lippen zu einem feinen Strich zusammen: «ICH WEISS, WAS ICH WEISS!»

Die Heimleiterin «Zum rosigen Lebensabend» wurde leicht stinkig: «Aha - und w a s wissen Sie?»

Anna Sager stierte an die weisse Wand. Dort beteten Dürers Hände. Und gaben auch keine Antwort...

Erschienen am: 
Freitag, 11. Oktober 2019

Vom Grauen des Fliegens und Greta hat recht...

Illustration: Rebekka Heeb

FLIEGEN IST GRAUENVOLL. ABSOLUTER SHIT. UND HEUTE EH VERPÖNT: UMWELTBELASTUNG UND SO.

Ich mache um Flughäfen schon seit langem einen grossen Bogen. Ich kann nicht stundenlang in Warteschlangen stehen. Ich finde es demütigend, wenn ich meine Schuhe ausziehen muss (nur weil ich vernagelt bin und meine Fussschrauben sämtliche Alarme auslösen: ACHTUNG - HIER KOMMT DER HEISSE BOMBER!)

Sie wedeln mich dann mit diesen seltsam piepsenden Apparaten aus der Reihe der Normalen zur Seite.

Erschienen am: 
Dienstag, 8. Oktober 2019

Der Bestatter

Hugo sass am Steuer seines Jaguar.

ER GAB GAS. Es schüttete aus Kübeln.

«Danke, Herr Humbel», flüsterte Hugo nun. Seine Worte gingen ins Ungewisse. Denn keiner wusste genau, ob Grossunternehmer Humbel in der Hölle schmorte. Oder ob er auf Wolke neun angekommen war.

Humbel war der Sechser in Hugos Leben gewesen. Drei Jahre schon hatte er für die Firma Eptinger Wasser mit und ohne Kohlensäure transportiert. Dann entdeckte er die Kleinanzeige in seinem Lieblingsblatt: «CHAUFFEUR FÜR ÄLTERN HERRN GESUCHT».

Erschienen am: 
Freitag, 4. Oktober 2019

Von verschiedenen Düften und 4711-Weihnacht

Illustration: Rebekka Heeb

Es ist vermutlich eine Alterserscheinung:

Aber Innocent flatuliert. Und zwar heftig. Kürzlich haben seine Flatulenzen sogar eine Flugdemonstration der italienischen Militärflieger übertönt: Luftflotte oben - flotte Luft unten!

Gut. So genau wollt ihr das alles gar nicht wissen. Aber eigentlich ist es etwas ganz Natürliches - wie frittierte China-Käfer zum Quicklunch. Oder die zähen Pfannküchlein aus Sojasprossenmehl.

Erschienen am: 
Dienstag, 1. Oktober 2019

Der Weichspüler

Ein fröhlicher Septembertag. Aber auf dem Gehsteig herrscht das Sturmtief: Wütend fuchtelt Arnold mit seiner Krücke dem Velofahrer hinterher: «Weg vom Trottoir - du Arsch!»

Man sah einen vorbeijagenden Stinkefinger. Und hörte die Worte: «Ab in die Gruft - du wackliger Trottel!»

«JA LECK MICH DOCH...», schrie Arnold.

Erschienen am: 
Freitag, 27. September 2019

Von Zahnschmerzen in Meran und dem Gebiss...

Illustration Rebekka Heeb

Der Zahn pocht.

Tausend Hämmerchen klopfen ans Zahnfleisch.

Es ist der Moment, wo du denkst: Wie schön hatte es die Kembserweg-Omi: RAFFEL RAUS. ZAHNGLAS. UND RUHE.

Als Kinder haben wir immer mal wieder mit ihrem Gebiss gespielt. Oder es zwischen den Begonientöpfchen versteckt. Die Omi schnalzte dann wütend mit der Zunge. Oben und unten der dünnen Lippen zeigten sich nadelfeine Fältchen. Das Mäulchen war ein gesunken, wie ein Soufflé, das in die Kälte kam.

Erschienen am: 
Dienstag, 24. September 2019

Milly sass am Fenster

Sie schaute zum Kranführer mit der roten Schildmütze. «Ein Spanier», dachte sie. Und winkte ihm zu. Manchmal träumte sie von ihm - einen heissen, spanischen Traum: Sie sass im Kran auf seinem Schoss.

Und er flüsterte ihr «te quiero mas que mi vida» ins Ohr.

Schweissgebadet wachte sie jeweils aus dem Traum auf. Sie war nicht schwindelfrei. Und die Krankabine drei Münstertürme hoch über der Erde.

Erschienen am: 
Freitag, 20. September 2019

Lucia Hunziker: «Dieser Körper war wie ein Gefängnis»

Foto: Corina Rainer & Lucia Hunziker

Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, war er schüchtern. Ein bisschen linkisch. Und still. Sehr still.

Er war nicht unbedingt der Fotograf, den ich mir für das Porträt mit Martin Suter gewünscht hatte.

Dann nahm er die Kamera. Und lächelte dem berühmten Autor zu: «Lucian. Lucian Hunziker.»

Einen Tag später, als er mir die Porträts auf mein Handy schickte, musste ich meine Meinung ändern. Ich spürte: Dieser schlaksige Kerl mit den melancholischen Augen macht seinen Weg.

Erschienen am: 
Samstag, 14. September 2019

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