Es ist vermutlich eine Alterserscheinung:
Aber Innocent flatuliert. Und zwar heftig. Kürzlich haben seine Flatulenzen sogar eine Flugdemonstration der italienischen Militärflieger übertönt: Luftflotte oben - flotte Luft unten!
Gut. So genau wollt ihr das alles gar nicht wissen. Aber eigentlich ist es etwas ganz Natürliches - wie frittierte China-Käfer zum Quicklunch. Oder die zähen Pfannküchlein aus Sojasprossenmehl.
Will man bei Innocent seine Ausbrüche thematisieren, wird er gleich säuerlich: «Was du nur hast! Das rektale Entweichen von Darmgas wurde gar in der Literatur bearbeitet. Selbst Georg Kreisler hat es besungen. ALSO PUPSE NICHT VORNEHMER ALS DU BIST.»
Ich schweige gekränkt. Und spraye das Thema mit «Tannennadelduft» aus der Welt. Wir brauchen mindestens vier Dosen die Woche.
Die Kembserweg-Omi konnte auch drauflosdonnern. Sie lachte dann herzlich: «Gott - hat das gutgetan!»
MEINE MUTTER WEHTE JEWEILS WILD UND KÄSIG IM GESICHT DAS FLÄSCHLEIN MIT SPILLMANNS «GANGSTER» IN DER WOHNUNG HERUM. SIE SCHÜTTETE DIE SÜSSLICHEN TROPFEN AUF DEN TEPPICH UND AN DIE VORHÄNGE. Airfresh war eben noch nicht erfunden. Und das Dufttännchen hing damals nur in Taxis von Istanbul.
«Ja, ja», nickte die Omi dann schelmisch: «Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen.»
Man konnte hier - BEI GOTT! - nicht von einem «Tönchen» sprechen. Die alte Frau furzte wie ein Ross.
Okay. Zeit für einen Themenwechsel: das Parfüm.
Gottlob badete meine gute Mutter darin. Und auch der Vater war ganz dufte. Bei ihm war es ein Rasierwasser. Es hiess Pitralon. Und er goss sich eine hohle Hand voll davon auf die Backen. Nicht umsonst nannten die Frauen seine Tramlinie, wenn er von Burgfelden bis zur Hard Fahrdienst hatte: den Duft-Dreier.
Auch ganz oben gab der gute Vater Duftnoten ab. Sein Haar war dünn. Er kämpfte ein Leben lang gegen das Schüttere an ihm - umsonst. Das Resultat war so wirkungslos wie sein Kampf gegen rabenschwarzen Faschismus oder Rosenkohl zum Mittagessen.
Das gelbliche Wässerchen, das er sich in die Kopfhaut einmassieren liess, hiess «Birkin». Es war von einem gewissen Doktor Dralle. Später gab es eine englische Sängerin, die nach diesem Haarwasser benannt wurde. Zusammen mit Serge Gainsbourg hat Jane Birkin den Hit «Je taime, moi non plus» auf Platte gehaucht. Noch heute wird dieser Hit hin und wieder im Nachtprogramm von schlaflosen Hörern verlangt.
Was mit dem Birkin-Wasser passiert ist, kann ich leider nicht sagen - vermutlich ist es über Amazon bestellbar. Jedenfalls: Papa verabschiedete sich trotz täglicher Friktion mit nur sechs Haaren von dieser Welt.
Die Kembserweg-Omi beschränkte sich bei ihrer Parfümwahl auf ein paar Tropfen «Kölnisch Wasser» Also Kurzform: 4711.
Ich erinnere mich an die 70er-Jahre: immer wenn im Dezember die Kölner Firma ihre Weihnachtswerbung schmettern liess, kurbelte die Oma den Lautsprecher auf Höchstton:
«Schenke von Herzen - doch was es auch sei: 4711 ist immer dabei!», verkündete eine sonore Männerstimme mahnend in die Runde.
Die Omi nickte ihm selig zu, als wäre er der Weihnachtsmann der Düfte.
Jedenfalls musste sich keiner mehr wundern, dass am Heiligen Abend immer ein gutes Dutzend kölnische Duftflaschen unter der Tanne lagen: «Für Omi.»
Natürlich schüttete sich auch das rosige Kind literweise von Mutters Parfüm hinter die Ohren. Haarwasser von Vater war nicht so seins. Parfüm musste für den kleinen Buben rosig duften. Und wie oft wurde dann der sensible Junge von seinen Magistern, diesen duftlosen Kleingeistern, zum Auslüften vor die Türe gestellt.
INNOCENT - DER SELBER ALSO ARG MIT SEINEN UNAUSSPRECHLICHEN DUFT NOTEN HERUMKRACHT - HAT FÜR PARFÜMS NIE ETWAS ÜBRIGGEHABT.
Im Gegenteil: «Ich bekomme Migräne bei diesen Düften!», meckert er, wenn ich mir ein Tröpflein von Frau Chanels Nummer 5 hinter die Löffel klatsche.
Innocent ist auch heute noch der Kernseifentyp. Er kann ein Affentheater starten, wenn sich im Theater jemand neben ihm ein ganz klein wenig zu stark mit Nina Riccis «Air du Temps» vollgespritzt hat: «Können Sie Ihre Parfümflasche nicht mit einem umweltverträglichen Vergaser ausrüsten! Das ist ja nicht zum Aushalten!»
UND ICH GENIERE MICH DANN MINDESTENS SO WIE DAMALS BEI DER KEMBSERWEG-OMI, WENN BEI IHR IM TRAM LAUT DIE POST ABGING!
Zurück blieb bei ihr jeweils diese unvergessliche Wolke 4711.
Und dann eben noch dieser andere Duft, über den wir jetzt nicht mehr sprechen wollen...