Der Weichspüler

Ein fröhlicher Septembertag. Aber auf dem Gehsteig herrscht das Sturmtief: Wütend fuchtelt Arnold mit seiner Krücke dem Velofahrer hinterher: «Weg vom Trottoir - du Arsch!»

Man sah einen vorbeijagenden Stinkefinger. Und hörte die Worte: «Ab in die Gruft - du wackliger Trottel!»

«JA LECK MICH DOCH...», schrie Arnold.

Seit Arnold eine Krücke braucht, hat sich die Welt verändert. Und Arnold mit ihr. Stets war der junge Mann handzahm gewesen. Sanft. Und ausgeglichen wie Mike Shiva vor der Kristallkugel. Er war ein «Weichmacher» in der Lebensspüle - und wen wundert es, dass er auf Meggy, diesen Giftzahn der Arsen-Klasse 10, reinfiel.

GEGENSÄTZE ZIEHEN SICH AN - sagt man.

Hier zupfte sich die Dreckschleuder das Gänseblümchen am Wegesrand. Und schleppte es zum Altar. Das Weihwasser kochte, als der Teufelsbraten auf ein Jawort bestand.

Na dann - jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!

Jedenfalls säte Meggy nur Unbill. Sie verkrachte sich mit der ganzen Nachbarschaft. Und terrorisierte ihre Umwelt, dass selbst Al-Qaida sie für einen Trainingskurs engagieren wollte.

Natürlich terrorisierte sie auch Arnold. Er durfte die Wohnung nur in Finken betreten. Beim Fernsehprogramm gab sie den Ton an.

Und wenn er einmal zum Kegeln wollte, musste er vorher bei seiner Hausviper einen Bewilligungsantrag stellen - wundert es uns, dass der immer abgelehnt wurde?

ES WUNDERT UNS NICHT.

Der liebe Gott, der ja sonst gerne den Scharfmacher gibt, konnte dem nicht mehr zusehen. Er schickte Meggy bei einer Wanderung über die Klippe.

DANN WAR RUHE!

Arnold wollte eben die Freiheit schnuppern und diese auch ein ganz klein wenig geniessen, als er beim Kegeln noch «alle Neune» rief. Und dann als Zehnter ebenfalls auf den Boden krachte.

«Streifung!» - diagnostizierte der Arzt. Und ordnete Therapie an. ES WURDE DANN: EIN LAHMES BEIN. HUMPELN. UND DIE GEHKRÜCKE.

Die Krücke veränderte Arnold. Er wurde mürrisch.

Und genoss eine neue Macht, die der Stock ihm verlieh: Im Tram hüpften alle vom Sitz. Wer nicht parierte, den fegte er mit energischem Stockgefuchtel vom Stuhl.

Bei der Kasse am Supermarkt überholte er humpelnd die ganze Schlange: «Sehen Sie nicht, dass ich an einer Krücke gehe?!» Die Menschheit ergab sich. Und machte stumm Platz.

Wo er früher kaum den Mund auftat, mischte er sich jetzt überall ein. In der Beiz schaute Arnold den Jassern über die Schultern. Und klopfte wütend mit der Krücke auf den Boden: «Weshalb spielen Sie nicht das As aus - Sie haben doch noch den Bauer!»

Nur einmal motzte einer: «Nichtspieler - Maul halten!» Dann entdeckte er die Krücke. Und spendierte Arnold beschämt ein Bier.

Ungefragt mischte er sich auch in Unterhaltungen.

Als eine Ehefrau an einem Nebentisch in seiner Stammbeiz von ihrem Alten zusammengestaucht wurde, weil sie den Schweinskotelett-Knochen in die Hand nahm und schrecklich zu heulen anfing, da erhob sich Arnold von seinem Tisch: «Zicken Sie nicht rum... schauen Sie mein lahmes Bein an... d a s sind Probleme!»

Man kann also sagen: Arnold ist vom sanften Weichspüler zum nervigen Dauergewitter mutiert.

So einer lässt sich den Stinkefinger von einem Velorowdy nicht gefallen: NOCH IMMER FUCHTELT ER WILD MIT DER KRÜCKE. VERLIERT DAS GLEICHGEWICHT. UND FÄLLT AUF DIE STRASSE.

Ein Lastwagen tut den Rest. Der Gütige ganz oben setzte ihn dann auf diese Wolke, wo Meggy schon seit Jahren auf den grossen Moment wartete: «Schuhe aus - Finken an!» - «Ja, Meggy», seufzte er.

WUNDERTS UNS?

TUT ES NICHT.

Freitag, 27. September 2019