Von den Jungkätzchen und «Füttern verboten!»

Illustration: Rebekka Heeb

Sie kamen über Nacht. Ohne Voranmeldung. Als wilde Gruppe.

Wie eine Meute Touristen wuselten sie herum. Und gaben Unverständliches von sich - EIN BISSCHEN TÖNTEN SIE NACH JAPANISCHEN GEISHAS, WENN DIESE AN DER LAUTE ZUPFEN.

Wir waren eben beim Frühstück. Schon machte sich die Bande frischfrech an unser Müesli. Hüpfte in der Milch herum. Und steckte die Köpfe in die Butter.

IM ÜBRIGEN WAREN DIE EINDRINGLINGE KAUM HANDGROSS. ABER SCHON DICK IM PELZ. UND DIES AN EINEM ALTWEIBER- SOMMERMORGEN!

Innocent jagte vom Ei hoch: «JETZT ABER AUCH ... !». Dann im Schmelzton: «Sind sie nicht allerliebst WO KOMMEN DIE NUR HER?»

Natürlich ist die Frage naiv. Wir sind schliesslich eine Insel mit Wildkatzen. Zoologen schätzen, dass hier zwei Mal jährlich 30000 solcher Miezen auf die Welt kommen. Die Gebär säle krachen. Und laufen auf Hochtouren.

Das Schicksal wollte es, dass die meisten der kätzerischen Wochenbettnerinnen direkt unter unserm Grundstück niederkommen. Ohne falsche Bescheidenheit dürfen wir deshalb behaupten, die blühendste Geburtsklinik der Toskana zu sein.

DIE KLEINEN FELLKNÄUEL SIND JETZT NICHT MEHR ZU BREMSEN. Sie jagen den letzten Faltern hinterher. Hüpfen wie junge Hasen durchs Gras. Und spielen in ausufernder Wonne «Hasch mich!».

Die Katzenbabys sind von dieser naiven Arglosigkeit, die unsere abgebrühten Seelen anrührt. Sie haben noch n i c h t dieses direkt Berechnende einer Sheba-Werbekatze, eines Regierungsratskandidaten oder eines CEO vor der Weihnachtsgratifikation.

ES SIND EINFACH NUR KÄTZCHEN. LIEB. SÜSS. KNUDDELIG.

Aber selbst die allerliebsten Knuddelchen wachsen verdammt bald zu fauchenden Flohbergen heran. Sie schleppen angebissene Vipern in die Stube. Und zeigen dir, wie man eine Maus mit drei Bissen auseinandernimmt.

Deshalb klatsche ich energisch mit einem Reisbesen auf unser Tischtuch ein: «Packt euch! - Wir sind kein Kitekat-Hotel! Ab in die Hölle, bevor ich das Kochbuch mit dem Rezept für «falsches Kaninchen» hole »

Innocent hat Tränen in den Augen.

Dieser Mann, dem ich mich seit einem halben Jahrhundert für eine Rolex-Uhr zu Füssen werfe (und dessen Augen mich daraufhin eisig mit Verachtung strafen: »Das ist für Wichser und Zuhälter!») - dieser Kerl mit dem Hartherz in der Schale eines Atombunkers, kriegt sich nicht mehr ein: «Ja wo sind denn die Mizzimizzi der dicke, böse Mann meint es nicht so er hat nur seine Tage ich hole euch jetzt mal von den guten Fischifischi »

DIE «GUTEN FISCHIFISCHI» WERDEN FÜR «RISOTTO CON GAMBERI» GEBRAUCHT. Wir haben nämlich Gäste - und ich habe mich punkto Risotto reisserisch verstiegen. Bei mir wird es nämlich immer pappig, wenn Onkel Ben nicht zur Hand ist. Und hier auf der Insel fehlt die asiatische Reis-Rasse. DANACH ÜBRIGENS: SCHWERTFISCH IN ZITRONEN MARINADE.

Frühmorgens schon, kaum dass die Meereswellen schäumten und das angespülte See grass am Strand noch nicht bestialisch nach Fäulnis und Tod stank, habe ich mir von Lisetta einen halben Schwertfisch und zwei Kilo frisch gefangene Gamberi in meine nachhaltige Jutetasche abfüllen lassen. Sie tropfte. Aber das tut Jute immer.

Die Schalen der Crevetten geben den würzigen Sud zum Risotto. NUN JA - HÄTTEN GEBEN SOLLEN.

Schon machen sich nämlich die Jungkatzen darüber her. Und unser Essplatz sieht aus, als hätte hier einer eine Schnitzeljagd mit rosigen Schnipseln durchgeführt.

Auf Mahnblättern und an Info-Abenden, die zehn Mal jährlich in der Turnhalle am Hafen stattfinden, werden wir naiven Dummis von Tierärzten, dem Polizei-General und einem halben Dutzend Umweltschutz-Verbänden aufgeklärt: «DAS FÜTTERN DER WILDKATZEN IST BEI DUNKLEM KERKER UND HARTEN GELDSTRAFEN VERBOTEN DAS ÖKOSYSTEM KRACHT SONST AUS EINANDER MINI-TIGER, DIE AUS DER SHEBADOSE FRESSEN, LASSEN JEDE RATTE LINKS LIEGEN UND: WOLLT.IHR.DAS.TOTALE.MÄUSECHAOS?!»

Da ist natürlich etwas dran. WOLLEN WIR NICHT! Wenn ich jedoch zwischen dem Sheba-Döschen und einer verfilzten Ratte wählen müsste, würde ich auch zum industrialisierten Katzen-Menü greifen.

Die Studierten werden der Predigt nicht müde: Lasst die Natur walten. Die Katzen müssen sich auf ganz natür liche Art dezimieren.

O.k. Da haben sie auch recht: Möwen picken einige von ihnen auf die Wildschweine wollen auch ihren Spass und Weihnachten steht bald vor der Türe. Da werden am Heiligen Abend in den dunklen Fischerhäusern Mützen aus Katzenfell oder Rheuma-Leibchen, die mit flauschigen Miezen gefüttert worden sind, verschenkt.

Mehr will ich dazu nicht sagen.

Und dann ist es wieder so weit: Du sitzt beim Frühstück. Und der mauzende, fiepende Gebärsaal hat erstmals Ausgang.

DA KANN MAN DOCH NICHT SO SEIN !

Ich versorge also meine Besen. Und bremse Innocent ab: «Nein - keine Milch, das verdauen sie noch nicht!» «Blödsinn», knurrt er, «das sind Insel-Tiger. Die haben einen Magen wie ein 12-PS-Hoover ist nicht noch Schwertfisch im Haus?»

DA WOLLEN WIR MAL NICHT SO SEIN!

Die Gäste bekommen Käsegnocchi.

Dienstag, 15. Oktober 2019