Von «Gluggern» und Schokolade an Kindergeburtstagen
Wenn ich als Dreikäsehoch etwas nicht mochte, dann: KINDERGEBURTSTAG! Nein. Das war jetzt ganz und gar nicht mein Ding. «Willst du nicht deine Freunde einladen?» Mutter schaute mich etwas verwundert von der Seite an. WOLLTE ICH NICHT. Sie assen dann meine Schokolade auf und wollten bei «Mensch ärgere Dich nicht» immer gewinnen. Diesbezüglich war ich schon Kummer mit der Kembserweg-Omi gewohnt. Sie war die Güte in Person - aber beim Spielen kannte sie kein Erbarmen. Sie war knallhart wie ein Guerilla-Kämpfer.
Andreas Caminada: «Es war ein fröhliches Chaos»
Als ich vor einigen Wochen zum Koch der Köche reiste, war die Welt sonnig. Hell. Allegro. In Thusis wartete der Bus. Er brachte mich nach Fürstenau.
HIER RÜHRT DER BESTE SCHWEIZER KOCH DIE KELLE: Andreas Caminada.
Heute? Sein Schloss ist still. Liegt im Dornröschenschlaf. Corona hat alles verändert. Er wartete bei der engen Einfahrt «zur kleinsten Stadt der Welt» - so Caminada. Das Schloss-Städtchen liegt zwischen Mailand und Zürich. Für Gourmets allerdings ist hier der Nabel des Universums.
Von der heutigen Sehnsucht nach Nähe und den früheren Küssen
Als schöner Bub wurde ich oft geküsst. DAS WAREN ALLES NUR WEIBERKÜSSE! Männer hielten sich zurück. GOTT SEIS GEKLAGT! Die Herren küssten damals eh nicht coram publico. Nur im Film. Oder hinter verschlossenen Schlafzimmertüren. Da meine Mutter jede Form von Zärtlichkeit mit Ausreden wie «Hans - ich habe heute Migräne!». Oder «Hör bitte auf mit dem Mist - apropos: Könntest du mal den Mistkübel runterbringen!» -, da die gute Mamma also alles Heisse aus dem kühlen Schlafzimmer aussperrte, waren Vaters Küsse für die Katz.
Von weggeschlossenen Alten und braunen Eiern
Die Frau schaut mich entsetzt über die Strasse an.
ICH HABE GENOSSEN.
Früher war da ein freundliches «Gesundheit!». Heute? - Ein Blick, als würdest du mit einer Atombombe spazieren gehen.
Als Generation, die schon an der Wiege von Donald Duck gestanden hat, gehörst du nicht auf diese Bergstrasse, die vom Adelbodner Wildstrubel direkt in die Bäckerei führt.
NEIN - AHV-ALTE GEHÖREN WEGGESCHLOSSEN. KEIMFREI ABGESONDERT! UND: AB INS STERILISIERGLAS!
Von dem Bergfrühling und fast heiler Heidiwelt...
Also - nichts mit Ei im Glas.
NICHTS MIT MEINER HEISSGELIEBTEN KARDINALS-SCHNITTE!
Keine Palatschinken. Kein Einspänner. Kein Schnittlauchbrot.
NEIN. ALLES IN LUFT AUF GELÖST. WIR VERGAMMELN HINTER VERSCHLOSSENEN TÜREN. UND DAS EI IST ÜBERALL - NUR NICHT IM GLAS.
Der liebe Gott... die Natur... das Schicksal... (suchts Euch aus!) haben zugeschlagen. Und meine Pläne wie einst Onkel Alphonse die Jasskarten neu durchgemischt: «Heee Dicker! Jetzt fangen wir mal wieder ganz von vorne an!»
Märzenmorgen
Lina sass auf der Gartenbank. Noch zeigte sich die Natur grau. Dennoch ahnte man den Frühling - er warf da und dort einen grünen Schleier über die Wiese.
Erste Krokusse streckten sich zum Himmel. Wie winzige Farbtupfer auf der Malerpalette gaben sie Lina ein Zeichen: HALLO - DER WINTER IST VORBEI!
Lina fröstelte. Noch war es kühl. Sie zog ihren Mantel enger an sich.
Seit einem halben Jahr war Lina Witwe. Klaus hatte an einem Oktobermorgen einfach tot neben ihr gelegen. Also d e n Schreck muss man zuerst mal verdauen!
Von den Ess-Sitten und dem Tafelspitz...
Die Torten schmecken süsser.
Die Schnitzel sind grösser.
Und die Beizenrechnungen kleiner.
VOR ALLEM: SIE SERVIEREN UNS DIESE FREUNDLICHKEIT, DIE AUCH BEI VIRUSKRISE UND NIESELREGEN DIE SONNE STRAHLEN LÄSST. A DISTANCE - ABER LIEBENSWERT.
Sorry, ich liebe die Österreicher.
Auch wenn es mir auf den Wecker geht, dass sie vor meiner Nase die Grenzen schliessen. Und auf den Skipisten meistens die Pokale abräumen.