Also - nichts mit Ei im Glas.
NICHTS MIT MEINER HEISSGELIEBTEN KARDINALS-SCHNITTE!
Keine Palatschinken. Kein Einspänner. Kein Schnittlauchbrot.
NEIN. ALLES IN LUFT AUF GELÖST. WIR VERGAMMELN HINTER VERSCHLOSSENEN TÜREN. UND DAS EI IST ÜBERALL - NUR NICHT IM GLAS.
Der liebe Gott... die Natur... das Schicksal... (suchts Euch aus!) haben zugeschlagen. Und meine Pläne wie einst Onkel Alphonse die Jasskarten neu durchgemischt: «Heee Dicker! Jetzt fangen wir mal wieder ganz von vorne an!»
Aus ist es mit der Sizilienreise an Innocents Geburtstag. In Sand gebaut das Interview mit der grössten Salome aller Zeiten - Inge Borkh in München. Mein Vater hat ihr Anfang der 50er-Jahre jedes Wochenende Rosen ins alte Theater geschickt. Und damals war eine Rose noch eine Rose! Nichts Schlaffes im Durchsichtstütchen aus dem Eimer vor der Supercenter-Kasse.
Und jetzt - kein Treffen mit der Diva. Wir schützen einander gegenseitig. WEIL: WIR SIND mit 70+ BEIDE IM SCHUTZALTER!
Ich hocke seit zwei Wochen nur noch am Computer. Annulliere. Und habe Innocent im Nacken (klaro: mit drei Metern Sicherheits-Distanz): «Verlange von allen das Geld zurück. DU WARST JA BESTIMMT BLÖD GENUG, ALLES IM VORAUS ZU BEZAHLEN! KENN DICH DOCH!».
Er kennt mich. Und: ja. Ich war blöd genug.
Natürlich verlange ich das Geld n i c h t zurück. Und wenn Innocent zum zehnten Mal nachfragt, nicke ich leicht genervt: «Jaaajaaa sie haben alles aufs Konto zurückgebucht!»
ALS OB ITALIEN JETZT KEINE ANDEREN SORGEN HÄTTE ALS UNSERE PAAR LAUSIGEN EURO!
Ich sass mit zwei Basler Freundinnen in Wien bei Plachutta am Topf: Tafelspitz. Gehackter Spinat. Apfelkren.
Kitty gab den Löffel ab: «Sei uns nicht böse - ich habe ein mieses Bauchgefühl. Morgen kehren wir zurück!».
Es war nicht der Tafelspitz. Es war die Vorahnung!
ALSO NACHDEM SICH KITTY DERART ABSERVIERTE HATTE, VERLIESS MICH ABRUPT DIE LUST AUF PALATSCHINKEN.
Noch in der Nacht stopfte ich die nötigsten Sachen in die grossen Säcke von Ikea. Verriegelte die Wiener Wohnung. Und bretterte durch die Finsternis.
Ich kam in Salzburg eben noch über die Grenze, als Österreichs Landesgarde hinter mir dichtmachte. Und den Zoll schloss: Der Letzte löscht das Licht!
ICH WAR DER LETZTE.
Innocent empfing mich höchst ungnädig: «Was willst d u denn hier. Wollten wir nächste Woche in Wien nicht die Eier aus dem Glas löffeln?»
Corona ist an ihm vorbeigegangen. Er mag keine schwarzen Meldungen. Und stellt bei Tod und Grauen immer den Fernseher aus. Er w i l l das Miese auf dieser Welt gar nicht hören. Und da die Welt mies ist, ist sein Hörapparat fast immer auf «out».
Ich brülle: «Wir fahren nach Adelboden - du gehörst zur Risiko-Gruppe. Vor allem mit deinem Beatmungs-Rüssel und dem Bluthochdruck...»
ER REAGIERT LEICHT VERSTIMMT UND: «VERGISS MEINE SUDOKUS NICHT. DA IST DIE WELT NOCH LOGISCH. UND ALLES IN ORDNUNG!»
Wir wollten eben abbrettern, als Kitty sich meldete: «Wir sind in Basel - es war der letzte Flug von Wien...»
ICH MEINE -WORTE WIE AUS EINEM KRIEGSFILM.
Nun hocken Innocent und ich also in den Bergen. Hier ist die Welt so gesund wie Heidiland. Alles sonnig. Alles ein bisschen vom dampfenden Mist umweht. Und alles mit dem stets gleichen, gemütlichen Rhythmus des Berner Oberlands: «adagio - e pure troppo...»
Der Winter ist zu Ende - erste Osterglocken bimmeln den Sommer ein. Krokusse, violett wie die Augen der Taylor, strecken neugierig die Nase aus der Erde. Und auf dem Kuonisbergli liegen noch ein paar Flecken vom Kunstschnee herum - gerade als hätte der liebe Gott ein Kännchen mit Kaffeerahm verschüttet. Und nicht sauber aufgewischt.
Auch die Bergdohlen sind noch nicht zu ihren Felsen zurück gekehrt. In langen schwarzen Reihen stapfen sie übers Land. Eine neben der andern. Sicherheitsabstand: zwei Hand breit.
Die priesterschwarzen Vögel erinnern an diese Polizei-Einsätze in den Fernseh-Krimis, bei denen die Beamten in breiten Reihen nach einer Leiche stochern.
Immer wieder zupfen die gelben scharfen Schnäbel etwas aus dem noch faden Gras. Sie schlucken den Fund. Und gehen sofort weiter - um nicht aus der Reihe zu fallen.
Bei den Pierens dürfen die aufgeregten Kälbchen mit ihrem lustigen Kraushaar erstmals aus dem Stall - sie hüpfen wild herum. Und erinnern an die Jugend in den Discos: Kälber-Party.
Ok - für die Youngsters ist der Spassmoment jetzt aufs Eis gelegt. Jung-Kälber haben da mehr Glück. Aber nur kurzfristig - irgendwo hört man auch hier schon den Sensemann im Schlachthof herumschlurben.
Kitty ruft an: «Wie lange gedenkst du in den Bergen zu bleiben?
Wie lange?
Was bedeutet Zeit in diesen Momenten? Stunden, Tage, Monate - alles ist aus der Agenda herausgerissen.
«Kitty - ich w e i s s es nicht. Frage den lieben Gott. Frag die Natur. Oder das Schicksal - suchs dir aus!»
Innocent brüllt aus der Stube: «Mein Sudoku ist aufgegangen - dabei ging es unter «knifflig».
Irgendwann wird alles wieder beim Alten sein. Und doch nie mehr so, wie es war.