Anke schaute Martin lange an: „Ich bringe das nicht!“
Tiefer Seufzer: „Deine Mutter findet mich eh das Letzte. Keine, die nicht in ihren Kreisen schwimmt, kann diese Mehlsuppen-Probe bestehen…“
Vorgeschichte: Anke kam als deutsche Studentin aus Berlin nach Basel. Auf der Uni traf sie erstmals Martin – bei beiden Schlug der Blitz ein.
Aber eben – als der Sohn seine künftige Braut ankündigte, herrschte Stille im kühlen Esszimmer.
Dann: „Was isch‘s fir e Gebooreni?“. (Zu Deutsch: AUS WELCHEM STALL KOMMT SIE?)
Martin druckste herum: „Also… ähh sie ist Berlinerin… Schulze…“
Die Temperatur im ohnehin kühlen Zimmer sank sofort um 4 Grad. Dann holte Hortense Staehelin Luft: „Aha!“
Als dann herauskam, dass Vater Schulze eine Klempner-Bude betrieb, wurde das Essen aufgehoben.
„SIE WIRD SICH AN DICH GEWÖHNEN“ – hatte Martin seine verstörte Liebste immer wieder getröstet.
Nicht, dass die Alte zu dem Mädchen unhöflich gewesen wäre. Aber immer wenn Anke mit ihrem „was quassle icke da…“ loslegte, schloss Hortense Staehelin gepeinigt die Augen. Und Griff zum Kirsch.
Eines Morgens rief sie den Sohn in ihr Schreibzimmer: „Martin – ich bin aufgeschlossen. Wir sind liberal denkende Menschen… aber „icke“…“Schulze“… und das Wort „pimpern“ für aktiven Geschlechtsverkehr ist etwas gewöhnungsbedürftig. Wie soll deine Anke je unsere Mehlsuppen-Prüfung bestehen…?“
Das mit der Mehlsuppenprüfung ging so: Die angehenden Bräute der Familie hatten am Fasnachtsmontag eine Basler Mehlsuppe zu kochen: Keine Knöllchen, RICHIGE GEWÜRZ-DOSIEURNG – alles musste nach dem alten Staehelinschen Rezept zubereitet werden: Mehl rösten… Salz… etwas Pfeffer… wenig Kümmel. Wichtig war, das Mehl auf die Sekunde genau vom Feuer zu nehmen.
Die Mehlsuppe von Hortense Staehelin war legendär – sie liess nicht einmal ihre Köchin an die Pfanne.
„Anke schläft auf den Morgenstraich hin im Gastzimmer. Am Montag muss sie die Suppe kochen – dann werden wir sehen…“
Natürlich tat Anke in jener Nacht kein Auge zu.
Um zwei Uhr morgens tigerte sie in der fremden Küche herum – sie wollte sich einen Tee brauen, um die Nerven zu beruhigen.
Anke öffnete Schubladen und Kästchen.
DA SAH SIE ES. HINTER DER TEEBÜCHSE!
Als die Gäste zur Braut-Gastierung ins kalte Esszimmer eintrudelten, schaute Martin lange zu seinem Vater. Der hing in Öl über der Salatschüssel: „Stehe Anke beim Mehlrösten bei – du hast doch auch nie etwas anbrennen lassen...“
(Martins Vater pflegte freundliche Kontakte zu einer Prager Serviertochter mit Namen Anna-Mila)
Anke brachte die dampfende Suppenschüssel herein. Alle Gespräche verstummten.
Das Berliner Mädchen lächelte Hortense zu: „Ich habe mich ganz an Ihr Rezept gehalten, Frau Staehelin…“
Erna, die Haushilfe, schöpfte. Jeder hob den Löffel zum Mund – Hortense Staehelin kostete. Hob ungläubig die Augen. Und schaute zu ihrer Schwiegertochter in spe.
Diese zwinkerte ihr entgegen. Und deutete verstohlen auf das Beutelchen „Basler Mehlsuppe“, das sie hinter der Teebüchse entdeckt und jetzt unter der Blouse versteckt hatte.
Daraufhin lachte Hortense Staehelin scheppernd drauflos.
Die Leute schauten sie fragend an – aber die alte Dame konnte sich gar nicht mehr einkriegen: „Grossartig… grossartig!“, keuchte sie immer wieder. Und wurde von einem erneuten Lachanfall geschüttelt.
Schliesslich ging sie auf Anke zu. Und verkündete laut: „Umwerfend – fast so gut wie meine…“
Sie umarmte die künftige Schwiegertochter: „Welcome in unserer Suppen-Sippe, meine Liebe…!“
Dann flüsterte sie ihr ins Ohr: „Ich gebe immer noch ein Glas Sherry hinein…“