«Alle Mütter backen!» - Mias Kinderaugen schauten entsetzt: «…Ich kann nicht ohne Kuchen kommen, Lucie!».
Lucie ist Mias Mutter - eine emanzipierte, Frau, die nie wollte, dass ihre Tochter sie so rübenweich «Mammausi» nannte. DESHALB: «ICH BIN LUCIE – DAS GENÜGT!».
Und das mit der Kuchenbackerei – sorry. Aber Lucie hatte so etwas einfach nicht drauf. SIE HASSTE KOCHEN.
SIE HASSTE NÄHEN.
SIE HASSTE ALLES, WAS DAS ALTE FRAUENBILD IN CINEMASCOPEFARBEN VERHERRLICHTE.
Lucie atmete tief durch. Sie versuchte die innere aufzurufen. Sie oooohmte sechs Mal mit geschlossenen Augen. Dann gefasst, aber mit belegter Stimme: «Ich kaufe dir einen Marmorcake im Supermarkt!».
Jammernder Ausbruch: «MAMMAUSI!»
«Keine Widerrede. Und mein Name ist «Lucie»…»
Die Beziehung mit Ralf war damals eine Fehlkonstruktion gewesen. Auch er erwartete – WIE ALLE DIESE MACHOTYPEN – dass sie ihm die Zahnbürste im Bad wegräume.
Es gab eine Szene in der ungemütlichen Altbauwohnung. Ralf ging. Lucie blieb. Mia war unterwegs.
Immerhin – sie schaffte es dank drei Stipendien von gutmeinenden Stiftungen ihren «Master der Psychologie» abzuschliessen. Sie vertiefte sich dann in ein Nebenstudium über «Frauen und Rassismus». Und schloss den Bachelor mit einem frohen Fest unter Freundinnen (Vegi-Pizza und Pro Secco) ab.
Zu Kindsvater Ralf war das Verhältnis jetzt lockerer als zur Zahnbürstenzeit. Da Lucie Vorträge hielt, war sie froh, wenn ihr Schwängerer an diesen Abenden mit Mia «Nintendo» spielte.
Jetzt war so ein Abend. Und Mia hängte sich sofort an ihren Vater: «…alle bringen einen selbstgemachten Kuchen mit… Yusufs Vater backt gar Backlawa… Nur die da ist zu faul!».
Mit «DIE DA» war Lucie gemeint. Und bei «der da» halfen jetzt auch zehn «Oohhhms» nicht mehr.
«Ich muss», sagte Lucie knapp (die Stimme war wieder belegt).
Als sie nach Hause kam, duftete es gemütlich nach Backen. Auf dem Küchentisch stand ein Schokoladenkuchen mit grässlich bunten Smarties dekoriert. Ralf zuckte die Schultern: «Mia schläft – wir haben gemeinsam gebacken. Ich habe alles aufgeräumt, Lucie!».
Am andern Tag, als sie Mia in den Kinderhort brachte und die Schokotorte präsentierte, applaudierten die anderen Mütter.
Lucie war es nur noch peinlich. Aber Mia rettete die Situation: «Den hat «die da» nicht selber gemacht – sondern mein Papi!».
Daraufhin zwanzig Mal «Ooooohm» von «DIE DA».