Von Schneider Karl-Ludwig und wahren Königinnen

Donnerstag - «Wenn einer die Nadelqueen zum Reden bringt, dann du!»

DAS IST HONIG PUR.
Und das ist das Gesülze von Chris.
Chris ist Redaktor in Zürich. Sie wollen, dass ich hurtig über den Kanal fliege. Und den Schneider der Queen interviewe: «Jetzt mach hier nicht auf Zierstich - du bist uns eh einen Gefallen schuldig, weil wir dich vor dem Zürcher Böögg gerettet haben!»
Stimmt.
Eine der noblen Zünfte hatte mich eingeladen. Ich war aber schon zweimal an diesem Bööggenfest. DAS MUSS ICH NICHT NOCHMALS HABEN. Damals bin ich hinter Tausenden von Rossmisthaufen durch diese Stadt spaziert, die sie lustig «Downtown» nennen. Die Männer links und rechts von mir wurden mit Blumen überhäuft. Für mich hatte keiner ein einziges, lumpiges, lampiges Röschen übrig.
DA LERNST DU DEN BÖÖGG HASSEN. UND DAS HAT NICHTS MIT ZICKIGKEIT ZU TUN.
Deshalb habe ich dann bei der letzten Zunft erklärt, ich komme. Aber ich schreibe über alles? UND WEHE, ES SIND KEINE BLUMEN DA!
Chris hat daraufhin die Zunft gewarnt, dass es mir sehr ernst sei. Und ich in meiner Seele etwas verwirrt, was sich dann auch in der Rede niederschlagen könnte?
DARAUFHIN FREUNDLICHE AUSLADUNG. HALLELUJA MEINERSEITS.
UND DAFÜR NUN: DER SCHNEIDER DER QUEEN.
«Wie heisst er?»
Chris macht eine Kunstpause. Dann dramatisch: «Karl. Karl-Ludwig, um genau zu sein. Die Grossmutter war eine feine Dame aus dem Kohlenpott von Essen?»
«Aha - und wann empfängt er?»
Wieder Kunstpause. Diesmal etwas länger. Dann mit Hüsteln: «Er empfängt eigentlich gar nicht. Er gibt nämlich keine Interviews mehr, seit Frank Elstner mal live für seine Schwiegermutter nach dem Preis von Karls Klamotten gefragt hat?»
BEIM WORT «KLAMOTTEN» ZUCKE ICH ZUSAMMEN. DAS HÄTTE KARL NICHT GEFALLEN.
«Du wirst ihn schon hinbügeln», grinst Chris nun in den Hörer. «Ihr habt doch dasselbe Schnittmuster?»
Ich weiss, was er meint: ZWEI ZICKEN AUF ZICKZACK-TOUR?

Freitag - Erfreulicherweise easyjettets auch in Rom. Der Jet landet in Gatwick. Ich nichts wie rein in eines dieser Taxis, das so bequem aussieht, es aber mitnichten ist. Immer schlägst du dir beim Einsteigen den Kopf an diesen Stahltürrahmen, von dem der Prospekt sagt: «For your safety.»

Ich massiere mir also die Birne: «Grosvenor-Square, please?» Der Fahrer nuschelt sich seelenruhig durch ein Paket, das in fettiges Fleischerpapier gewickelt ist, «O.k., Sir - das wird eine lange Fahrt. Haben Sie schon gegessen?»
Er streckt mir ein Stück seines Sandwichs hin. Es ist mit Käse, Gurkenscheiben und Mayo gefüllt. Mir bibberts quer.
«Thank you», lehne ich freundlich ab.
Wie wir aber nach zweieinhalb Stunden noch immer auf der Autobahn stauen, komme ich kleinlaut und grosshungrig auf das Angebot zurück.
NATÜRLICH IST JETZT ALLES WEG.
Nach einer Fahrt, die länger dauerte als ein Retourflug ROM-LONDON-ROM kamen wir im Millennium-Hotel an.
Ich will nicht kleinlich wirken. Doch wie der Käsebrot-Driver mir den Preis für die Fuhre nannte, habe ich kapiert, weshalb die Queen immer die Pferde nimmt?

Montag - O.k. Gebildete Menschen besuchen in London die «neue Tate».

Sie gehen zu Domingo, der sich in Covent Garden als Don Quichotte versucht.
Sie trinken Tee bei Fortnum and Mason.
Oder sie kaufen kandierten Ingwer bei Harrods.
ICH BIN NUN MAL EINE KULTURSAU. UND DESHALB WARS: MARY POPPINS.
Diese Super-Nanny hat doch schon in einem Jahrhundert Ehekrisen gekittet, als Familienberatung noch nicht im Duden aufgeführt war.
Ich hocke also in der obersten Reihe dieses uralten Theaters, wo Mary Poppins mit ihrem Vogelschirm und dem Samtsack über unsere Köpfe hinwegschwebt. JA, WIE MACHEN DIE DAS NUR?
Dazu der Chor, die winkende Familie und ALLES IST GUT.
Na ja - drei Kleenex-Packungen waren durchgeheult, und der Türwärter in seinem roten Mantel klopfte mir beim Ausgang aufmunternd auf den Bauch: «It?s only a Musical, dear? real life is much funnier...»
Gottlob kam sofort ein Taxi. Ich nichts wie rein. Und PENG.
«For your safety», grinste der Fahrer durch die Scheibe.
«Thanks», knurrte ich. Und rieb die Birne.

Dienstag - Karl ist eine Seele von Mensch. Überhaupt nicht zickig.

KEIN WUNDER, DASS SCHON QUEEN MAMMI DEN JUNGEN VOM RUHRPOTT SOFORT INS HERZ GESCHLOSSEN HAT.
«Und? Wie ist sie so?», frage ich ihn.
Er schaut mich an: «? wie du und ich.» NA BITTE - SAG ICHS DOCH!
Wahre Königinnen werden immer verkannt.

Donnerstag, 8. Juni 2006