Von einem Fotoshooting für den EHC und blauen Augen (Arden Nr. 5)

Donnerstag - Die Anfrage war knapp. Und eisig:
«Könnten Sie ein paar Momente unsere Eiszeit unterstützen?»
Die Anrufer stellten sich als Werbemänner des EHC Basel heraus. Sie kamen gleich zum Punkt: «Jörg Schild spielt auch mit.»
Ach ja? Ich dachte, der sei auf dem Golfloch zuhause.
«Sie würden dann in Weltformat hängen...»
Das war das Zückerchen.
In Gedanken durchzuckten mich geile Plakatfantasien von einer Biellmann-Pirouette in Weltformat und einer sprachlosen Menge davor: «Dass der das Bein noch hochkriegt...»
Dann Zückerchen 2: «Sie dürfen sich für das Fotoshooting mit den Spielern in der Garderobe umziehen...»
Danke. DA HABE ICH VIEL DAVON! Schweisssockengeruch. Und ein paar kräftige Ti-Ta-Tucken-Sprüche... Das kenne ich doch noch von der Turnhallenerfahrung als bildschöner Gymnasiast. Wenn sie mich damals an den Seilen hochgezogen hatten, hagelte es stets anspornende Rufe wie: «Lasst den Mehlsack sausen...!» Oder: «Schaut nur - der Mond ist aufgegangen.»
«ICH KOMME», erklärte ich dem Werbeteam knapp.
Und ich tat es weder für die eigene Wichtigkeit noch fürs Weltplakat.
Ich tat es für unsern EHC. Denn der hat auch mal etwas Schönes verdient.

Freitag - Als ich mich vor dem Spiegel aufbrezelte, musste Innocent natürlich sofort wieder Dreck schleudern: «Auch mit einem Kilo?Schnell-Lift?-Crème kann man aus einer alten Kuh keine junge Geiss machen...
WIR SIND GESCHIEDEN, BEVOR WIR GEHEIRATET HABEN!
Sie haben mir Jörg Schild als Vorbild über E-Mail geschickt.
Nun muss man zugeben, dass Jörg Schild ein wunderbarer Schnauzer ist, dem der sportliche Sexappeal durch die listig-lustigen Äuglein strahlt.
Das hat WELTFORMAT.
Und mit einer Handballer-Vergangenheit kann ich nicht dienen. Auch nicht mit Golf-Handicap. Mein pesönlicher Ehrgeiz ist seit jeher auf Synchronschwimmen ausgerichtet. Leider wollte der EHC niemanden in Badehose und mit Nasenklammer auf Weltformat.
Also: Jörg Schild trägt einen Hockeystock in den Händen. Sein Hals ist mit EHC-Farben umwellt - und den rechten Zeigefinger schüttelt er in die Kamera aus. «Hast Du auch schon ein Jahres-Abo?»
«So muss es aussehen!», sagen sie. Und drücken mir einen Stock in die Hände. «Ist das Herr Schilds Golfschlegel?» Der Fotograf seufzt: «Nein. Das ist ein Hockeystock...»
EIN HOCKEYSTOCK?! Ich protestiere: «Ich bin in meinem Leben nie am Stock aufs Eis gegangen. Als lustiger Knabe habe ich mal in Adelboden Pflichtstunden für die regionalen Oberländer-Meisterschaften genommen und...»
ES SOLL JEMAND DAMENSCHLITTSCHUHE IN DER GARDEROBE HOLEN!» - brüllt der Requisiteur.
Dann fummeln sie mir einen EHC-Schal um den Hals.
VINIL AUF ARMANI!
«Aber das deckt ja meinen schönen Tigerkittel ab», protestiere ich.
«Lieber zehn Atomkraftwerke fotografieren als diese Zicke», nervt sich der Chef-Werber. Und dann hängen sie mir auch schon ein paar ziemlich unansehnliche Damenschlittschuhe um, in denen wohl kaum jemals ein Bein eine Biellmann-Pirouette gedreht hat...
«Halten Sie mit der linken Hand den Schlittschuh nach vorne - mit dem rechten Finger zeigen sie in die Kamera. Wie Jörg Schild...»
Ich gehe in Position und muss hören: «... aber die Fingerlein nicht spreizen, als würden Sie zum dreifachen Rittberger starten!»
«EINFACH», korrigiere ich, «ICH HABE IHN STETS NUR EINFACH GESPRUNGEN...»
«LÄCHELN SIE ENDLICH IN DIE KAMERA!», unterbricht der Fotograf stur. «WIR HABEN HIER NOCH ANDERES ZU TUN!»
Erschrocken ziehe ich die Lefzen hoch.
«FINGER SCHÜTTELN!»
Ich lefze. Ich schüttle.
«Also mit diesem Wrack verkaufen wir keinen einzigen Eintritt mehr...», raunt es in der Menge.
Dann bin ich entlassen. Und darf zusehen, wie die jungen EHC-Spieler die Bildfläche betreten, um sich portraitieren zu lassen.
BEI IHNEN ISTS DANN WEDER STOCK NOCH FINGER. NUR KOPF.
Die Herren sehen wirklich knackig aus. Das kommt vom vielen Eis, das sie frisch hält. Zwar haben einige ein paar Zähne angeschlagen, andere wieder ein Veilchen-Auge - aber ihre Oberkörper sind von einer anziehenden Wuchtigkeit...
«Das ist der Schutz...», flüstert mir die Dame von Radio Basel 1 zu. «Die tragen unter dem Leibchen so etwas wie ein Korsett und...»
HA. DIE TRICKSEN ALSO AUCH.
Und sicher haben sie für die veilchenblauen Augen ins Töpfchen «Nummer 5» von Elizabeth Arden gegriffen.
«Wie wars», fragt Innocent, als ich ihm beim Heimkommen mit dem EHC-Schal zuwinke.
Ich: «Wir kaufen eine EHC-Jahreskarte. Man muss die Jungs unterstützen. Im Übrigen hänge ich bald an der Plakatwand...»
Innocent rümpft die Nase: «Da hängt der Emmentaler auch...»
Na ja - das ist der Neid des Kleinstandes gegenüber dem Weltformat.

Donnerstag, 31. August 2006