Donnerstag - Als die nette Redaktorin aus Zürich mich anbellte: «Also wenn du schon in Paris hockst, kannst du dir ja auch gleich mal die Drei-Sterne-Köche vorknöpfen!», da sang meine Seele HALLELUJA.
Denn Drei-Sterne-Köche bedeuten: hochkarätiges HammHamm... schicke Restaurants mit Silbergabeln und Kellner, die so eifrig rumtänzeln wie Richard Wherlocks Balletttruppe im Finale.
Im Übrigen wünsche ich mir einen Drei-Sterne-Koch auf Weihnachten. Ich will endlich mein pochiertes Ei mit dem Benedict-Schaum bekommen. Und nicht immer nur diesen weissen Pfludder auf dem Teller, dessen gelbes Innenleben die Konsistenz eines Gartenschlauchs hat. DANKE. DAS MUSS AUCH EINMAL GESAGT SEIN, HERR INNOCENT!
Doch zurück zu den Sternen.
Die liebe Christine gab gleich noch die Sauce zum Salat: «Mehr als 150 Franken Spesen liegen aber nicht drin... wir sind nicht Paris Hilton!»
Wunderbar. Für 150 Eier bekommst du in einem dieser Pariser Fressschuppen gerade mal ein pochiertes Ei.
«Ist recht», sagte ich. Und beschloss die Auslagen über Innocents Kreditkarten zu regeln und zum Ausgleich die Silberlöffel mitlaufen zu lassen.
Nun ist es heute einfacher, auf den Mond geflogen zu werden, als einen Drei-Sterne-Koch vor den Block zu bekommen. Ich meine: Beim Mondflug rufst du die Russen oder Yankees an. Buchst. Und ab geht die Post. Ok. Die Preise sind ähnlich wie im Drei-Sterne-Lokal, nur Bush hats gut. Den schicken die Amerikaner nun gratis zum Mond.
Ich also ans Telefon: «Bonjour - je suis journaliste de Bâle. Und ich will etwas mit Ihrem Superkoch besprechen. Können Sie mich verbinden?»
Schweigen.
Dann eisig: «Monsieur Casserolle ist für die Presse nicht zu sprechen. Wenden Sie sich an seine PR-Crew. Oder an den persönlichen Sekretär.»
JA HIMMELARSCH. BIN ICH BEI PAPSTS ODER BUSHS?
Ähnliches ist mir nur noch widerfahren, als ich mit 21 Jahren die Queen sprechen wollte, da ich unbedingt ihr Rezept für «Christmas-Pudding» («a lot of Rum makes it heaven, dear!») im «Blatt für Alle» publizieren wollte.
Na - so leicht holt aber keiner Mutter schönstes Kind den Wind aus den Segeln.
«Aha», sage ich, «da werden meine Chefs aus dem Gault-Millau-Verlag aber eine Freude haben.»
Wieder Schweigen.
Dann ein Räuspern: «Kommen Sie in drei Wochen präzise um 18.10 Uhr in unser Restaurant. Keine Kameras. Keine Aufnahmegräte. Sie werden untersucht.»
Ich habe daraufhin Christina in Zürich angerufen: «Könnten wir das Ganze nicht vergessen und eine simple Reportage über Mondflüge bringen?»
Sie: «Nein. Wir fliegen zu den Sternen. Ich stocke die Spesen um zehn Franken auf.»
Da liegt nun immerhin schon ein Drei-Sterne-Sardellenbrot drin...
Freitag - Nachdem mich die Türsteher vor dem Lokal «zur lustigen Grille» auseinandergenommen hatten wie ihr Küchenchef Casserolle die Moorhühner vor deren letzten Gang, als sie mir selbst den Kaugummi abgenommen hatten, (der einen stets frischen Atem garantiert) und den goldenen Kugelschreiber - «pardon Monsieur! - wie Anfeuerholz entzweiknackten, weil sie in seinem Innern eine Telekamera vermuteten, als ich so also quasi nackt vor meinen Herrn trat, trat der nicht auf. Sondern sein Presse-Attaché:«Ich sage Ihnen nun, was Sie fragen können. Und was nicht. Vermeiden Sie alle Themen über die alte nouvelle cuisine, weil sich Maître Casserolle schrecklich darüber enerviert, wie sie vom kochenden Plebs seiner Gilde in die Pfanne gehauen wird... fragen Sie nicht nach Privatem, denn ein Koch von der Qualität unseres Meisters kennt kein Privates und nimmt die Kelle selber in die Hand.»
«Aha - also keine Kinder oder so?»
Der Pressemann wurde säuerlich: «Natürlich hat er Kinder. Die gute Aufzucht, das reine Rohmaterial sind heute das Wichtigste - aber sie werden ihm nur in ausgereiftem Zustand präsentiert wie die Freiland-Hängebauchschweine aus der Vendée auch.»
Kleinere Pause.
Dann: «... UND LÖCHERN SIE IHN AUF KEINEN FALL MIT DIESEM DUMMEN SCHURNI- GESCHNÖRR VOM DRUCK DER DREI-STERNE-BELASTUNG... NATÜRLICH IST DAS WIE BEI EINER PRIMADONNA, DIE JEDESMAL DIE WAHNSINNSARIE LUPENREIN BRINGEN MUSS, SONST IST SIE WEG VOM FENSTER. UND WISSEN SIE, WIE DAS AN DIE EIER GEHT?»
«Danke», sagte ich höflich, «wenn jemand weiss, wie einem der gesungene Wahnsinn an die Eier geht, dann ich.»
Der Presse-Attaché verabschiedete sich seufzend. Ein dressierter Pinguin, der sich später als Sommelier herausstellte, balancierte ein Glas mit eisgekühltem Wasser, in das er einen Spritzer Minzenextrakt gab, auf den Clubtisch. Irgendwoher meinte ich eine Fanfare zu hören - dann trat er auf: weissumhüllt und mit goldenem Namen bestickt:CASSEROLLE.
«Ich habe 30 Wachteln am Schmoren und für Sie 4 Minuten», sagte er.
Ich fragte ihn nach dem Christmas-Pudding-Rezept der Queen.
NATÜRLICH KEINE ANTWORT.
Aber ich werde es am Hof einfacher erhalten.