Von der syrischen Prinzessin und wie die Zeiten ändern

Donnerstag - als ich vor 30 Jahren diese Insel und den baufälligen Turm erstmals erblickte, war für mich klar: adieu. Und weg!
ICH BIN KEINE PFADFINDERNATUR.
Das fröhliche Singen ums Lagerfeuer IST MEIN LIEDLEIN NICHT!
Und ich hasse es, am Brunnen vor dem Tore mit kaltem Wasser unter arglistigem Geblinzel einer Horde Säue meine Morgentoilette zu verrichten.
ICH BIN DER FENJAL-DUSCHE-TYP.
Und auch diese Klos mit den handgesägten Herzchen an der Holztüre und dieser Bank mit Loch, wo die Sache dann irgendwo ins Ätzende plumpst. - NEIN DANKE, IHR LIEBEN!
Ich war schon immer für den kachelweissen Thron mit Spüle. So viel Aristokratie müssen sie einer Trämlerstochter einfach zugute schreiben.
NICHT SO INNOCENT.
Er pinkelt an den Baum und findet das Geträller mit Badedas unmännlich. Immer wieder erzählt er mir, wie sich richtige Mannsbilder am eiskalten Bach waschen, so wie ers im Militär mit seinen Soldaten auch praktiziert hat und?
NA ALSO - JETZT WISSEN WIR ENDLICH, WO DAS ÜBEL DER GEWÄSSERVERSCHMUTZUNG SEINEN URSPRUNG HAT.
Zurück zum Turm, dem vergammelten. Und zur guten alten Zeit, die gar nicht so gut war, denn wenn ich da einen winzigen Elektroheizer angeworfen hatte, um die kühle Ambiance hinter den meterdicken Mauern etwas aufzutauen, wenn ich dann auch noch die Haare föhnen wollte? PENG!
Kurzschluss.
UND DAS BEDEUTETE EINEN SPAZIERGANG ZUM STRAND, WEIL DORT UNSER ELEKTROKÄSTCHEN MIT DEM SICHERUNGSHEBEL ANGEBRACHT WAR!
Als der Turm nämlich in den 50er Jahren eine elektrische Leitung bekam, beschloss der Denkmalschutz, dass man dem ehrwürdigen Gemäuer kein Blechkästchen zumuten könne und dieses so weit als möglich vom denkmalgeschützten Heiligtum anzubringen sei.
DIE HERREN UND DAMEN DENKMALSCHÜTZER FÖHNTEN IHRE HAARE JA NICHT!

Mittwoch - in jener Zeit haben wir auch noch diese empfindsamen, wunderbaren Geschichten auf einer gut funktionierenden Hermes-Schreibmaschine geschrieben.
Dann kam ein stündiger Weg über Schotter bis zum Briefkasten - und ab die Post!

HEUTE?
Die Gedanken fliessen durch dicke Finger in die sanften Computertasten auf den Bildschirm.
SPEICHERN.
SENDEN.
Fertig.
JA IST DAS NICHT EINE FREUDE?!
NEIN.
IST ES NICHT!
Denn immer wieder schickt mir der Computer englische Warnsignale wie etwa «ERROR».
Und: MAIL NICHT ANGEKOMMEN, DU DUSSEL!

Daraufhin speichere ich meinen Bericht auf so ein kleines Notizstäbchen ab, nehme wieder den stündigen Weg mit dem vielen Schotter und noch mehr Kurven in Angriff und muss dann im sogenannten «Internet-Coffee» erfahren, dass der Fehler in Basel beim Empfänger liege. Die hätten Schwierigkeiten mit dem Provider.
JA SIND WIR DENN IMMER NOCH IN DER ZEIT, WO SICH DIE REKRUTEN AM BÄCHLEIN WASCHEN?

Samstag - Olga sammelt Prinzessinnen wie unsereins Fussballerbildchen. SOLL SIE.
Aber immer schleppt sie uns ihre Prinzessinnen an, wie ein Hund den Ball und schaut triumphierend auf ein Lob wartend in unsere plebejischen Augen: «Na, was sagt ihr - che dici? Sie hat einen syrischen Palast und ein Schloss in Kairo?»

Als Trämlerstochter stehe ich eher auf Diademe oder die Checkkarte von Prinz Charles als auf dieses zartgliedrige Wesen mit dem verklärten Blick und der schnatternden Olga daneben. Sie setzen sich an meinen königlich gedeckten Tisch, denn Innocent hat Order gegeben: «Du ziehst alle Register? mach die Trüffel-Parma-Röllchen. Dann Plinis mit dem iranischen Kaviar? halt nein? das könnte politische Konflikte geben? mach Hummer an Limettenschaum und?»

Da habe ich aber drei Mal tief durchgeatmet. Und bin dann ins Schrille gerutscht: «? ich dachte, wir hätten BUDGETBESCHRÄNKUNG, mein Freund!!!? Und syrische Prinzessinnen essen eh keinen Hummer - also cool dich down. Und versuche charmant zu sein?»

Es gab Kartoffelgnocchi, die mir Liesel als «Schnellprodukt» zum Anrühren aus Salzburg geschickt hatte. Dazu bodeneigenen Salbei, leicht kross gebraten, um nicht zu sagen: arg verbrannt.
Die Frau Prinzessin aus Syrien trug weder Diadem noch eine Jacke, sondern war nacktarmig und rückenfrei, wobei sie sich natürlich auf die Schnelle eine Blasenerkältung holte. Nach dem Dessertgang - es gab Zwetschgen in Rotwein, einen dieser Innocent-Aktions-Joli, die man nur gekocht und stark mit Nelken gewürzt kredenzen kann - schaute ich Innocent vielsagend an. Die Prinzessin thronte nämlich schon wieder: «Jetzt stell dir vor, sie müsste auf unser altes Plumpsklo oder an den Baum?»

Er erwiderte nichts, weil sie eben nach einem Handtuch schrie und er hurtig eine Rolle Küchenpapier ins Badezimmer reichte.
Danach kam sie strahlend: «Ihr müsst mich mal in Kairo besuchen - ich habe eine wunderbare Zweizimmerwohnung direkt über dem Nil?»

Olga wand sich wie ein Wurm: «Na ja - die haben heute eben nicht mehr das Geld wie früher, aber?»
Ich sehe schon, wie Innocent die Morgentoilette mit den Krokodilen verrichtet?

Donnerstag, 29. Juni 2006