Von Schlagzeilen im Keller und schmelzender Schokolade

Dienstag - Die Hitze legt alles flach. Kein Wunder schwören die im Süden von zwei bis fünf Uhr auf diese Siesta-Heiaheia-Pause.

WIR NENNEN DAS DANN: «FUULI SIECHE, HÖSCH - SÖLL EMOL SCHAFFE!»
In unseren Breitengraden schleicht sich alles durch die 40 Grad.
Die Aprikosen kommen schon als Dörrobst zur Welt.
Die Tramschienen biegen sich wie Onkel Max nach dem Hexenschuss.
Und Regenwürmer sehen aus wie die Lederstrumpf-Omi nach 30 Stunden Solarium-Bett.
Nur die Ameisen sind pudelmunter. Der Zucker kocht in der Dose zu Caramel, und die wuseln doch tatsächlich immer noch geschäftelhubrig drumrum.
HAT SCHON EINER MAL DIE GENE DER WALDAMEISE ERFORSCHT?
Nein. Keiner. Aber im Ozon, da sind wir superstark und wissen alles von.
Innocent macht auf tote Fliege. Er liegt mit einem geeisten Tuch im verdunkelten Schlafzimmer und gibt mit sanft-leidender Stimme Befehle durch: «Irgendjemand sollte noch das Altpapier bündeln. Und rausstellen. Die kommen morgen...»
Ich schaue mich im Zimmer um.
KEIN ANDERER DA.
Ja, wer soll denn mit «irgendjemand» gemeint sein?
IST JA KLAR, WER DAS DUMMI IST!
10 Minuten später häufe ich Zeitungen zu einem Pack. Schnüre total veraltete Schlagzeilen wie «KÖBI - DU BIST DER GRÖSSTE!» (Na, das war er dann ja wirklich, als er den Frei kurz vor Sch(l)uss aus dem Spiel holte...) Ich wundere mich, dass nicht nur die Zeitungen, sondern auch die Welt von gestern Mist von heute ist.
Im Keller ist es angenehm kühl. Überdies bewahre ich hier diese Schokolade auf, die dann nach Italien transportiert wird, um Herzen, Gaumen und Bauch meiner Weltmeister-Freunde zu erfreuen.
Die Schokolade hat jetzt diese angenehme Konsistenz, die sie nur in brütender Sommerhitze im Keller entwickeln kann. Meistens ist sie ja zum sofortigen Genuss viel zu hart. Ganz grosse Banausen bewahren Schokolade im Eiskasten auf, was ihrer Köstlichkeit rigoros an den Kragen geht (man stelle sich die Schokolade mit einem Kragen vor - schönes Bild, das).
Andere vergessen die köstlichen Tafeln irgendwo im Buffetschrank. SOLCHE MENSCHEN GIBTS - DIE TOTALEN SCHOGGIBLÖÖDIS.
Jeder weiss, dass die Schokolade bei überhitzten Zimmertemperaturen abweicheln, wie Opis Freudenwurz mit 89.
Später, wenns kälter wird, erstarren sie wohl wieder (nicht wie Opis Freudenwurz). Dieses weich-harte Hin und Her mag ja für die Sado-Maso-Szene nett sein - NICHT ABER FÜR SCHOKOLADE. DIE LEIDET.
Die ideale Temperatur für Schokolade ist ein Hundshitzetag im Keller. Da ist sie wunderbar schmiegsam weich, wie ein Schmusekätzchen, aber doch nicht so weich, wie die gebüchste von Stalden. ICH MEINE: WUNDERBARERWEISE IST DIE SCHOKOLADE JETZT BEI 40 GRAD GERADE RICHTIG. UND ICH BIN AM RICHTIGEN ORT.
Meine Lieben: Es gibt dieses Jahr keine Toblerone- und Milch-mit-Nuss-Grüsse für die lieben Weltmeister.

Donnerstag - Innocent schmollt.

Er hat sich wohl an die Hitze gewöhnt. Und wenn sein Kopf nun diese Röte hat wie dieses Nachtschattengewächs, das man «Strauch-Pomodori» nennt, so hat das nichts mehr mit den 43 Grad zu tun. Sondern mit einem Überkonsum an Kalterer spezial. Sowie einem Herpes, der aus ihm ein glühendes Schlusslicht macht.
Nichtsdestotrotz - UND NICHTSDESTOTROTZ, LIEBE SCHÜLER, IST EIN UNWORT - nichtsdestotrotz aber trötzelt er mir nun beim Frühstück vor den Eiern und streicht mir den Vorwurf aufs Brot: «Jetzt können wir wieder zwei Monate warten, bis sie den Karton wegführen - nächstes Mal sind wir bei Mozart in Salzburg...»
Nun ja. Als ich da im Keller umringt von dieser Schokoladen-Herrlichkeit Zeit und Würde verlor, als ich mich durch sämtliche Rippchen durchkostete und endlich kapierte, WESHALB IN SPANIEN BEI 47 GRAD SONNENSCHEIN HEISSE SCHOKOLADE ZU DONUTS GETRUNKEN WIRD - da wusste ich am Schluss vor lauter Glücksgefühl (DENN SCHOKOLADE MACHT - WIE WIR ALLE WISSEN - SEHR, SEHR GLÜCKLICH) - da wusste ich also nicht mehr, wie mir geschah. Ich torkelte in mein Schlafzimmer. Legte mich aufs Maträtzchen. Und träumte von vielen, vielen Salzgurken, die zwischen zwei dünnen, gebutterten Zopfscheiben mit Beinschinken lagen.
ALSO DIE ZEITUNGEN WAREN MIR DA WIRKLICH PIEPEGAL.
So kommts, dass sich in unserm Keller die Schlagzeilen dieser Welt weiter ansammeln. Vermodern. UND VON DER ZEIT ÜBERHOLT WERDEN.
Nur die Schokolade wurde zum aktuell richtigen Zeitpunkt vertilgt.
Was ich damit eigentlich bei 40 Grad im Schatten sagen wollte:
DAS NÄCHSTE MAL SOLL ER DIE ZEITUNGEN SELBER BÜNDELN!

PS. Sie liegen direkt neben der Hurd, wo er seinen Kalterer spezial aufbewahrt.
Und da wird ihm sicher etwas einfallen...

Donnerstag, 3. August 2006