Donnerstag - o.k. Jetzt, da Sie sich diese Zeilen so süchtig reinziehen wie die flatternde Nase eine Reihe Koks, ist: AUSGEBALLERT.
Klaro. Da brauche ich keine klugscheisserische Redaktion, die mir dies bärlauchsäuerlich erklärt.
DIE FUSSBALL-WM IST THEMATISCH SO FRISCH WIE EIN LIEGEN GEBLIEBENER FISCH IN DER SAHARA.
Mit einem einzigen Schuss sind Menschen wie mein Portiere Franco zu Weltmeistern geworden. Und nehmen dies als Entschuldigung, WENN DIE GERANIEN DANN NICHT GEGOSSEN SIND.
Das ist italienische Mafia-Mentalität: Einer schiesst. Und alle andern profitieren.
Noch jetzt ist mir ganz wattig zumute, wenn ich an jene Spiele zurückdenke, zu denen mich Arthur mit der Begründung «Du liebst doch Bälle» mitschleppte.
Sicher. Liebe ich.
ABER NUR SOLCHE MIT DUMMDIDELDEI. Dort tragen die Spieler Frack und Fliege, so dass bei jeder Walzerdrehung die Schwalbenschwänze fliegen.
BEIM FUSSBALL IST DAS ANDERS. Da fliegen ganz andere Dinge. Und selbst der charmanteste aller Spieler wird zum Sid(i)ane.
Doch genug gescherzt - lassen wir den Ball in jene Zeit zurückrollen, als Deutschland nach dem neuen Fussball-Führer schrie und in München nicht nur das Bier schäumte...
Der Bayrische Hof war während der wilden Tage die Brutstätte der Fifa. Hier wurden Nabelschnüre gezogen und Fäden gesponnen, Geschenke eingeheimst und Stimmen versprochen.
Erst seit ich das Alter dieser Manneken gesehen habe, weiss ich, weshalb man immer vom Leder spricht.
Arthur also dort. Und wir müssen zum Stadion, diesem weiss beschienenen Riesenpneu, der von unsern Basler Architekten-Jungs aufgeblasen worden ist. Und vor dem wir uns in Ehrfurcht verbeugen : «Schaggi... Schaggi... diesen Riesenheiligenschein mit Colorwechselband hast du wirklich verdient! Und daran erst recht.»
Unser Taxifahrer zum Stadion war ein reizender Mensch aus den Gefilden Pakistans. Sein Deutsch war fliessender als die meisten Spiele, der Verkehr war es nicht.
WIR STECKTEN FEST.
Arthur bekam Vögel. Und musste mit gütigen Worten (von seinem Sohn) und kölnischem 4711 (von mir) beruhigt werden.
Als wir schliesslich nach drei Stunden Fahrt ankamen, kostete die Fuhre so viel, dass sich auch Arthur mit dem Geld eine Arena von Herzog und de Meuron hätte bauen lassen können...
Im Stadion: Wie so oft, war auch hier das Vorspiel das schönste. Und das Vorspiel fing damit an, dass Arthur sich vor mir aufbaute, meinen Krawattenknopf zurecht drückte, sämtliche Schokoladenflecken auf meinem weissen Hemd ausradierte und es dann aufgab: «O.k - komm so wie du bist, aber wenn du Frau Merkel siehst, frag sie nicht gleich nach ihrer Diät...»
DAS MIR, DER SCHON MIT DER QUEEN ÜBER DIE PUBERTÄREN SCHWIERIGKEITEN IHRER ENKEL BEI EINEM TÄSSCHEN EARL GREY GEPLAUDERT HAT!
Na ja - jedenfalls haben sie mich auch befleckt in den VIP-Raum reingelassen. Sie gingen mir aber vorher gründlich an die Wäsche und klopften mich von oben bis unten ab. JAWOHL. AUCH DORT. Und das hat den Sicherheitsmann dann leicht erröten und zur Bemerkung «Mein lieber Schwan» hinreissen lassen.
So nett sind die Deutschen. Und «Schwan» hat mir noch keiner gesagt.
Ich äugte nach Arthur, um ihm meine Erfolgsstory zu melden, aber der plauderte bereits mit dieser Frau, welche Freunde «Angie» nennen dürfen und die für mich «Frau Kanzler» blieb. Ich zog mich also schmollend ans Buffet zurück, wo selbst die Sushis sich in der Hitze krümmten und der Ausdruck «kaltes Buffet» nur Hohn und Spott war.
Die Begleitung von Bum-Bum-Boris stocherte lustlos an einem fingerhutgrossen Häppchen, das einst eine Garnele gewesen sein muss, die man nun aber in einer Art Dilltunke ersäuft hatte.
Zwar sind die Deutschen nur Weltmeister über Portugal geworden, aber im Kuchen backen sind sie es seit Generationen allemal und deshalb - WEG VON DEN SUHSIS. UND RANN AN DIE STREUSEL.
Herr Beckenbauer steht neben mir. Er sieht für seine AHV-Rente noch immer verdammt frisch aus, und ich möchte ihn eigentlich gerne aushorchen, wie das in seiner neuen Ehe so läuft - ABER HERR BECKENBAUER STEHT HAUSHOCH ÜBER MIR. Und das macht nicht nur die Länge. Es ist auch die Grösse.
So sage ich halt gar nichts und schiebe mir gefrustet einen dritten Streusel in den Mund. Leider kommt mir eines der Brösel in den falschen Hals - UND DA BIN ICH EXPLODIERT wie eine verfrühte Erst-August-Rakete.
IMMERHIN - NUN WURDE ICH AUCH VON HERRN BECKENBAUER BEACHTET, ALS ER SICH DIE STREUSEL WEGZUPFEN MUSSTE.
Das Spiel selber war dann stinkelangweilig. Und es frage mich heute keiner: wer gegen wen.
Das einzig Unvergessliche: Nach dem Spiel gabs das totale Chaos und keine Taxis.
Wir keuchten also eine Stunde zur U-Bahn-Station. Und Arthur schaute mich strafend an: «Wenn du nicht so versaut dreingeschaut hättest, hätte uns Angie sicher mitgenommen...»
Er darf Angie sagen.