Von Padre Carlo, der kein Buch schreibt, und alles für die Katz

Donnerstag - DAS IST NICHT MEIN TAG! Innocent baut die Krise: «WAS WILLST DU MIT 25 KILO SCHOKOLADE? DAS IST DOCH VOLL KRANK!»

Vor lauter Aufregung hat er nun wieder den Schluckauf. Und wenn er den Schluckauf hat, wackeln seine Ohren wie Palmwedel im Sturm. DANN SUCHEN WIR WIEDER STUNDENLAG DIESE HÖRAPPARÄTCHEN, DIE IMMER KLEINER UND IMMER SCHWERER AUFFINDBAR WERDEN.
Weshalb kann die Welt nicht beim Hörrohr bleiben? Frau de Meuron hatte doch auch eines. Sie hat sich deswegen keine Sekunde geziert. Aber nein: Innocents Hördrähte müssen durchsichtig und ein Büschel Haar darüber drapiert sein. JA WIE SOLL ER DURCH DIESEN HAARPELZ NOCH ETWAS HÖREN?
Wir kommen vom Thema ab und das Thema ist Schokolade - hier ist Innocent immer ganz ohrwurmig: «Wie viele Male muss ich dir noch sagen, dass es unsinnig ist, Schokolade nach Italien zu tragen? Italien ist schliesslich das Land der Überraschungseier, der Ferrero-Kugeln und des luftigen Kinder-Riegels. WER HATS ERFUNDEN?
Nein. Nicht die Schweizer.
Und deshalb ists nur dumm, wenn du meinst, du müsstest den Stiefel mit Schweizer Milch-mit-Nuss ausfüttern?»
ER REDET, WIE ERS VERSTEHT.
Meine Schokolade ist schliesslich symbolisch gemeint. 580 Bestechungskalorien pro Hilfeleistung - seis beim Metzger für den bessern Prosciutto («Si Signore, ich hole Ihnen das Mittelteil, das ist am süssesten»). Seis für Gianni, damit er endlich die Gülle (sprich: Jauche) absaugen lässt. DIE FLIEGEN SURREN JA SCHON HERUM!
«Und wie willst du das transportieren?», giftelt mein Freund in diesem süffisanten Ton, mit dem schon seine liebe Mutter jede Milch zum Kochen gebracht hat.
«Ich packe alles in Zeitungspapier. Und dann ab die Post!»
«DU WIRST MIT BRAUNEN SCHOKOKLUMPEN AUFKREUZEN», jammert nun der Gute. Und pumpt gleich noch die Füllung ins Lied: «UND ALL DAS VIELE GELD IST FÜR DIE KATZ GEWESEN!»
NATÜRLICH! DIE KATZEN!
Das hätte ich doch beinahe vergessen. Im Keller liegen 80 Döschen vom Feinsten. Es sind diese Dosen, die auch Katzen kaufen würden. Dazu 100-mal Schappi. UND KOMMEN SIE MIR JETZT NICHT MIT DEM LIED VON DEN VIELEN KINDERN, DIE AUF DER WELT HUNGERN.
Katzen haben auch Kinder.
Innocent steht weinend vor den Dosen: «Weisst du, wie viele arme Menschen nichts zu essen haben??»
WIE GESAGT: ES IST NICHT
MEIN TAG.

Samstag - Ich höre immer wieder von Tante Martha, die in einem dieser gemischten Gymnasialklassen «Stricken» gibt: «Die Schule ist nicht mehr wie früher.»

Natürlich ist sie nicht mehr wie früher.
Die Schüler sind es auch nicht mehr.
Nehmen Sie nur meinen Religionslehrer Schlegel: Er hat noch Tatzen gegeben. Ich habe mir die roten Striemen auf der Handfläche mit Salz eingerieben und solche Schwellungen bekommen, dass die Umgebung die armen Kinderhändchen mitleidig mit Einfränklern salbte.
DAS WAR VIELLEICHT HIGH-LIFE!
Ich meine: Da hatte man noch etwas für Geld und Tatzen. Zwanzig 5er-Bölle! Aber heute?
Da klaut sich die Jungmannschaft doch das Süsse direkt vom Regal! Kommt dazu, dass 5er-Bölle jetzt vier Mal so teuer sind. DA LOHNT SICH DAS KLAUEN DOPPELT HOCH ZWEI. Jammern Sie mir jetzt nicht, Sie wüssten nicht, was zwei hoch zwei gibt.
SONST IST WIRKLICH ZEIT FÜR EINE NEUE SCHULE!

Dienstag - Bevor ich auf die Insel trudle, fahre ich in Rom vor. Franco tigert vor dem Gepäckträger hin und her. Er will helfen.

HELFEN? DIESER PENNSACK? Der schmeckt doch die Schokolade 100 Kilometer gegen den Sturm. Er trägt die Zeitungspakete «Milch mit Nuss» ins Haus: «Die sind aber verdammt klebrig», knurrt er. Und leckt sich die braunen Finger.
O.K. ES SIND KEINE SCHOKOTAFELN MEHR. Die braune Masse hat vielmehr die Form einer Brancusi-Skulptur. Aber wie gesagt: Auf die Geste kommt es an!
Die 40 Tafeln, die ganz geblieben sind, weil Innocent sie in eine Kühlbox gestapelt hat, gehen an Padre Carlo.
Der Mann hat seine Gemeinde im Griff. Da hilft einer dem andern, lobt nicht nur den Herrn, sondern auch den Papst und den Nachbarn. Gemeinsam pilgert das ganze seligmachende Quartier nach Lourdes. Und einmal jährlich kommt Padre Carlo auch in unsern Hinterhof, sprüht seinen Weihkessel über die Geranien und schlägt das Kreuz, als stehe der Leibhaftige hinter der Tür. HINTER MEINER TÜR.
Ich nehme es ihm nicht übel. Und lasse ihn kübeln. «Hausweihe» - nennen wir das hier. Jedes Jahr nach Ostern.
Padre Carlo bekommt dann die Schokolade. Er verteilt sie unter seinen Schäfchen, die alle Altersdiabetes haben.
UND DIE WELT IST IN ORDNUNG.
Ich meine: Padre Carlo hat noch nie ein Buch geschrieben. Zugegeben - er macht viel Rauch, aber nicht viel Wind um sich.
Es ist seltsam, dass einem in Rom Röschenz so fern liegt.
VIELLEICHT SOLLTE ICH KOCH UND SABO MAL SCHOKOLADE BRINGEN?
Na ja - Hunde- und Katzenfutter wären auch noch da?

Donnerstag, 27. April 2006