Von Umberto, dem Maremma-Stier, und Hengst Rocco

Donnerstag - Graziella ist stinkesauer auf Adriana.

Adriana ist stinkesauer auf Graziella.
Grund: UMBERTO, der stierigste aller ZUCHTBULLEN.
Umberto ist der Traum jeder Maremma-Kuh. Bei Umberto bekommen sie dann das, was man gemeinhin KUHAUGEN nennt. Denn Umbertos Gehänge wird hier mindestens so stark bewertet wie das von Rocco Siffredi, dem italienischen Porno-Star.

ROCCO NENNEN SIE ÜBRIGENS: DER HENGST.
Rocco und Umberto sind die Schlagzeilen dieses Monats.

Rocco, weil er sageundleide 3600 Pornos durchgestanden hat. Umberto, weil sein Samen selbst tiefgefroren Grammpreise erzielt, bei denen russischer Kaviar schwarz vor Neid wird.
Rocco hat am Traualtar seiner weissgerüschten Braut (verarmter Adel) versprochen: «Darling - das wars! Künftig sind Vetter Fritz und seine Zwillinge nur noch für dich und deine Freude da?»
KANN SICH JEDER SELBER DENKEN, WER VETTER FRITZ UND DIE ZWILLINGE SIND.
Die Presse jedenfalls überschlug sich mit fetten Zeilen wie «Rocco auf Halbmast» und «Italiens schönster Glockenturm verstummt» - na ja. All das, was die Schmierer hier eben so schreiben, wo Herr Leuenberger in der Badehose kein Thema ist.
Und nun wollten also Graziella wie auch Adriana den Sagenumwobenen fürs grosse Fest schmücken.
Nicht Rocco. Umberto.
Der Maremma-Stier führt nämlich seit vielen Jahren mit festem Schritt die Dorf-Prozession an. Hinter Umberto schreiten huldvoll winkend die Onorevoli der Gemeinde - sie machen sich allerdings nach dem Prachtvieh etwas mickrig aus. Und Maria-Carla, das giftspöttische Fischweib der Insel, hat vor Jahren einen Skandal hervorgerufen, als sie schrill in den stummen Vorbeimarsch lachte: «? da vorne geht das stolze Ausrufezeichen. Was sollen da die mickrigen Kommas dahinter?»
Umberto ist also zweifellos der Star der hiesigen Frühlingsprozession. Und wie jeder Star, will auch der Gutbestückte glanzvoll dekoriert werden. Die Schmückerei des Stiers obliegt derjenigen Frau, die auch für den sonntäglichen Altarstrauss verantwortlich ist.
So will es die Tradition.
So will es der Pfarrer.
Graziella und Adriana sind die offiziellen Blumenfrauen der Kirche.
Graziella, verwitwete Gattin des Sardinenfischers Enzo (er hatte einen Blutdruck in den Tausendern und erlitt, als ihm einmal ein Schwertfisch ins Netz ging, vor Aufregung einen Schlaganfall), Witwe Graziella also teilt sich den Blumenstrauss-Job mit der ledigen Adriana - diese ist Tochter des Spelunkenwirts Arnaldo und «mit ihren 75 Jahren immer noch Jungfrau» (wie sich die Männer einander ohne grosses Bedauern zuflüstern).
Nun wäre am Prozessions-Sonntag eigentlich Adriana an der Blumen- respektive Ochsentour Tour gewesen, doch Graziella zischte ihrer blumigen Konkurrentin zu: «Verpiss dich - DER OCHSE IST MEIN JOB. Kümmere dich um die Altar-Bouquets und nimm nicht wieder zu viele Calle. Dass sieht doch jedes Mal nach Abdankung und Trauerchor aus?»
«Was verstehst du schon von Blumen?», keifte Adriana so laut, dass sofort die Alarmsirenen der umliegenden Autos losgingen. «Deine Rosen sind so welk, wie dein verrunzelter Culo, und dein Mohn lampt, wie dein Alter auch immer gelampt hat - Gott sei seiner schwachen Seele gnädig!»
«Soll mir doch mal einer sagen, was eine vertrocknete Zitrone vom Saft der Orange weiss?», schrie nun Graziella die alte Jumpfer an. SCHON GINGEN DIE BEIDEN EINANDER AN DIE RÖCKE. Und es explodierte ein sehr unschönes Wortduell, das wir hier nicht wiedergeben können, das aber in seiner Lautstärke so effizient war, dass gar die stocktaube Cartucci drei Strassen weiter Wort für Wort mitbekommen haben soll.
Der herbeigeeilte Padre Bruno flatterte hysterisch wie ein schwarzes Huhn zwischen den Weibern hin und her: «Pace con voi? Pace con voi?» Im Grunde genommen war er jedoch genauso wenig effizient wie eine Friedenskundgebung der «weissen Tauben» oder die Resolution an diesen zahlreichen Kongressen «für eine bessere Welt».
Erst die Feuerwehr konnte die beiden Frauen trennen. Und der Padre entschied: ARTURO WIRD UMBERTO SCHMÜCKEN.
Arturo ist der bubiköpfige Damencoiffeur der Insel und für seine Dauerwellen berühmt. Überdies ist er diese Art von Cliché-Schwuchtel, von der die Weiber sagen : «Er kocht besser als jede Frau.» Die Männer aber reissen ihre Witze über Arturo, doch haben sie alle schon mal mit seiner Kelle gerührt?

Sonntag - An diesem strahlenden Morgen also, wo die Insulaner auf den von Arturo ganz in Rosa geblümten Zuchtstier stieren, fallen den Gaffern schier die Augen aus dem Kopf: Hinter Umberto, dessen schönstes Stück vom Coiffeur in türkisfarbenen Tüll gewickelt worden ist, marschieren in stiller Eintracht Graziella und Adriana. In ihrer Mitte gockelt winkend Rocco, VULGO: DER HENGST.

Die beiden Rivalinnen haben den Pornostar friedlich mit Calle, Rosen und Mohn geschmückt. Arturo hätte auch hier gerne mit Tüll mitgemischelt - die zwei Frauen sollen jedoch strikt dagegen gewesen sein.

Mittwoch, 24. Mai 2006