Von der Heide, den Adelbodner Kühen und einem Fund

Donnerstag - Adelboden ruft.

Seit mir Innocent jeden Tag den Wildstrubel neu erfindet, prügelt er mich auf die Matte, macht in grossen Gesten «JETZT ATME MAL DIESE LUFT EIN!», und ich kann dann wieder eine halbe Stunde die Schuhe putzen, die von Kuhmist getränkt und von Fliegen umschwärmt sind.
«Ist es nicht die Idylle pur?», jubelt mein Freund, bückt sich nach einer Pusteblume, doch nicht etwa, um zu blasen, sondern weil mitten im Grün etwas Schwarzes funkelt.
ES IST EIN PORTEMONNAIE.
Hätte mich auch gewundert, wenn Innocent auf etwas anderes gestossen wäre.
«Schau mal, was drin ist?» - ICH MEINE, DAS IST JA DIE NATÜRLICHSTE REAKTION!
Innocent aber tut, als hätte ich den Geldbeutel direkt von der Oma geklaut: «Das geben wir jetzt beim Fundbüro im Dorf ab? und es geht uns gar nichts an, was da drin ist!»
IST DAS NUN EIN DUSSEL ODER NICHT?
Ich protestiere: «Immerhin liegen 10 Prozent Finderlohn drin. Und angenommen, in diesem Wiesenportemonnaie stecken 1500 Franken, so sind das 150 Eier für mich?»
Herr Inncoent baut sich nun in der Wiese auf wie das Murmeltier zum Pfiff: «FÜR MICH, mein Lieber - denn WER hats gefunden?»
Die frohe Kräuterwiese animiert ihn immer mal zum würzigen Ricola-Spot.

Freitag - Im Fundbüro etwa folgender Dialog:

«Grüessech?»
Innocent: «Jawoll - grüsst euch alle miteinander. Ich hab? da etwas gefunden?» (er flüstert im Ton des Geheimdiensts und das Fräulein Grüessech schaut etwas verunsichert zu ihrer Kollegin).
Innocent hüstelt: «Auf unserer Kuhweide lag dieser Gegenstand?»
Ich (journalistisch um klare Facts bemüht): «Das ist ein Irrtum - es ist nicht unsere, sie gehört dem Pieren Albert?»
Fräulein Grüessech. «Ja und weshalb geben Sie es ihm denn nicht zurück??»
Ich: «Weil es ja schon ihm gehört - wir grenzen nur an!»
Innocent (etwas verbittert, weil er aus dem Gespräch rausgetrippelt worden ist): «Ja wollen Sie nun die 1500 Franken oder nicht??»
Fräulein Grüessech (mit erschrecktem Blick auf die Kollegin, die aber keine Zeit hat, weil sie einem Amerikaner erklären muss, dass das Matterhorn in Zermatt liegt und dasjenige, das er gestern bestiegen habe, vermutlich das Elsighorn gewesen sei): «Ja, was soll ich denn mit Pieren Bärts 1500 Franken? Hat er die von einer verkauften Kuh?»
Innocent schaut nun Fräulein Grüessech an, als wäre diese eine: «Bärts Kühe sind auf der Alp. Und nicht auf unserer Matte? deshalb kann er ja wohl kaum die 1500 Franken von einer dieser Mattenkühe haben.»
Ich: «Es ist nicht unsere Matte. Und eine Kuh kostet eh mehr? vielleicht hat ers von der Milch?»
Fräulein Grüessech: «Das glaube ich nicht. Wo die Milchpreise so gesunken sind?»
(Es entwickelt sich ein Gespräch über die Schweizer Milchpreise, den Bauernstand und ob man künftig Soja anpflanzen soll?)
Endlich bringts Innocent auf den Punkt: «Aber nun weiss ich noch immer nicht, was ich damit machen soll?»
Fräulei Grüessech: «Verkaufen Sies. Das Land bringt einen guten Prreis und?»
Ich: «Es ist nicht unser Land»
Nun mischt sich die Kollegin trotz des Amerikaners, der unbedingt eine Fotomontage «ICH UND DAS MATTERHORN» machen lassen will, doch noch ein: «Was haben Sie gegen unser Land, mein Herr? Vielleicht kriselts bei euch in der Stadt, aber hier ist eine Kuh noch eine Kuh und ein Enzian ein Enzian. DIESE WELT IST FRIEDLICH UND IN ORDNUNG!»
Man darf Innocent alles - aber nie widersprechen. Der läuft nun so rot an wie der Wildstrubel in der Abendsonne: «FRIEDLICH? - Da bekomme ich ja das heulende Elend. Und was ist das für ein Beizerkrieg auf der Sillere? Weshalb wird dort ein braver, unbescholtener Wirt mit der besten Käseröschti und dem herrlichsten Raclette einfach von diesem verdubelten Verwaltungsrat abserviert? Ich bin da auf dem Laufenden?»
Und eben in diesem Augenblick tritt der Amerikaner näher. DER JETZT NICHT AUCH NOCH - flehe ich dorthin, wo auch die Berge hinstreben. Doch schon nimmt er Innocent die schwarze Geldbörse aus der Hand: «Die gehört mir. Ich habe sie gestern beim Aufstieg aufs Matterhorn verloren?»
«Elsighorn», korrigiert ihn die Touri-Dame.
«Blödsinn», brüllt nun Innocent. Und schnappt sich das Portemonnaie wieder. «Unsere Wiese geht nicht in Richtung Elsighorn?»
«DA IST MEIN PASS DRIN!», tobt der Bush-Mann! Er zeigt den beiden Frauen triumphierend sein Foto: «John Smith aus Denver?»
Auf dem Farbfoto hat er noch die alten Zähne.
«Dann waren Sie gestern aber nicht auf dem Elsighorn, sondern auf dem Kuonisbergli?» berichtigt Fräulein Grüessech pingelig.
Herr Smith aus Denver streckt Innocent einen Dollar zu: «Hier - ich weiss, was sich gehört. Es sind 10 Schweizer Franken und drei Dollars drin.»
Fräulein Grüessech (pikiert): «Dafür bekommen Sie aber kein Matterhorn.»
Innocent (steckt den Dollar ein): «Komm, wir gehen - das ist ja ein Irrenhaus hier. Übrigens - wer hat dir denn erzählt, dass Pieren Bärt unser Land für 1500 Franken verkaufen will?»
Es sind nicht nur die Berge, die zum Himmel flehen?

Mittwoch, 23. August 2006