Von der abgeblasenen Homestory und dem ungeblasenen Piccolo

Montag - Wieder mal Zoff wegen Homestorys. Monika möchte mit ihrem people-tv-team meinen Ostertisch aufnehmen: «? dazu interviewen wir noch ein paar Gäste. Wir zeigen, wie du das Besteck polierst. Und deine Ostereier färbst?» «Ich färbe meine Eier nicht?»

Monika hüstelt: «Witzbold. Du wirst doch irgendetwas Nettes auf Ostern basteln?»
«Ich bastle Spiegeleier auf Spinat. Das ist Gründonnerstag und reicht mir völlig. Im Übrigen haben wir noch nicht einmal Fasnacht?» Schweigen. Dann indignierter Seufzer: «Das Fernsehen besteht aus PLANUNGSPHASEN. Wir sollten projektierungsmässig eigentlich bereits im Sommerloch sein. Also reiss dich am Riemen und nistle schon mal das Osternest bereit?»

In diesem Moment betritt Innocent die Szene. Dann macht er mir eine solche: «DAS KOMMT ÜBERHAUPT NICHT IN FRAGE? ES GIBT KEINE HOMESTORY? ICH WILL KEINE DIEBE IM HAUS HABEN!» Monika wirft einen Himmelfahrtsblick: «Hat der etwas zu sagen? Leidet er an Klau-Strophobie? Im Übrigen: Wir Fernsehleute klauen nicht!»

Innocent erdolcht Monika mit seinen Augen: «NEIN. ABER DIE DIEBE WARTEN DOCH AUF SOLCHE HOMESTORYS WIE DER DACKELHUND AUF SEINE PORTION SCHAPPI? DANN PACKEN SIE ZU!»
Meine Lieben: Ich habe daraufhin das Osteressen abgesagt. Und auch die Homestory.
Spinat und Spiegeleier gibts trotzdem.

Mittwoch - Vor mir liegt das Piccolo. Es liegt keusch und ungeblasen da.

Im Alter sind grobgebohrte Löcher nicht das Wahre. Entsprechend habe ich mir in den letzten Jahren die Zunge aus dem Kopf gepfiffen.
Wer dann noch den «Saggoddo» auf dem Grobgebohrten pfeifend den Spalenberg raufkeucht, der kann sich oben gleich direkt an die Lungenmaschine hängen. DAS BRINGTS NACH 50 WIRKLICH NICHT MEHR!

Deshalb also mein Gang zu Oesch. Und: «Ich brauche ein Piccolo, das zarte feine Töne und ebensolche Löcher hat?»
Ich hab mich dann mal durch ein Dutzend durchgepfiffen. Beim 15. war die Sache klar: «Das da!» Das Piccolo hatte den heisern Sound von Othella Dallas. Und da bin ich Fan von.

Nun wollte es das Schicksal, dass dieses Piccolo letzte Fasnacht schweigen musste. Eine Grippe raffte das schwache Kind in die Horizontale. Es schüttelfrostete mich wie ein Glühwurm in Sibirien. Während sich tout carnebâle amüsierte, gabs bei mir fiebrige Halluzinationen und kaltfeuchte Essigsocken.
Als die Sache ausgestanden war, feierten wir Ostern und Spiegeleier auf Spinat (siehe oben).

Donnerstag - Das Piccolo lag also ein Jahr lang unbepfiffen in der Schublade, wo auch das Familienbüchlein, die Schulzeugnisse (BETRAGEN: SEHR TADELNSWERT) und ein Fläschlein «Klosterfrau Melissengeist» liegen.

UND DA LIEGT ES IMMER NOCH.
Heute ist der Tag, wo es eingeblasen wird.
Ich setze es an die Lippen. Und lege mit dem «Gugger» los. ABER HOLS DER GUGGER: ER TÖNT WIE DIESE SCHRÄGE 12-TON-MUSIK - und «RUUUHHHEEEE!», brüllts vom obern Stock. «JA KANN MAN DENN NICHT EINMAL IN RUHE DIE TRAUERPOST ERLEDIGEN!»
Da tut er immer so schwerhörig. Aber beim «Gugger» ist er stets ganz Ohr.
Entmutigt lege ich das Schreiholz wieder hin. Da sehe ich es: Erwin Oesch hat mir vor einem Jahr noch einen Putzer zum Kauf geschenkt. Und der steckt immer noch drin. Deshalb der kakophonische 12-Ton-Moment.

Ich gehe ins Badezimmer und finde im Apothekerkästchen die Lösung. Es sind diese Wachspfropfen, die ich immer verwende, wenn Innocent im Schlaf die Bäume der Zollfreistrasse sägt.
«HIER - STOPF DIE LÖFFEL ZU. IN ZWEI WOCHEN IST EH ALLES SCHALL UND RAUCH GEWESEN?» Innocent schaut mich traurig an: «Ach, ich wollte, es wäre jetzt schon so weit. Ich weiss nicht, was ihr Fasnächtler diesen Schreiholzkreischern abgewinnen könnt. Kommt dazu, dass das alles nie lustig ist. Fasnacht stimmt mich stets traurig. Irgendwie fühle ich mich ausgestossen und?»
ACH GOTTCHEN - ER HAT DAS TRUNKENE ELEND! Und will sich mit diesen billigen Tönen auf den Rigi verabschieden.

«Es ist auch besser, wenn solche Trandüsen deiner Gattung den Ort der heiligen Freude verlassen!», doziere ich. «Grüss mir das Marieli auf Kaltbad?» Innocent pappt sich seufzend die Löffel zu. Dann versuche ich es noch einmal: «Gugger - vorwärts? marsch!»

Nach zwei Minuten klingelt das Telefon. Es ist die Töpferin vom Nachbarhaus: «Könnten wir uns auf ein Vorwarnsystem einigen? - Ihr hohes g hat soeben drei Vasen und vier Tassen gesprengt?»
Bitte - auch Kleingebohrtes kann Grosses bewirken.

Donnerstag, 23. Februar 2006