Donnerstag - Als Mark seinen Besuch ankündigte, hätte ich meinen Freunden genauso gut die Masern vor dem Haus ankündigen können.
Ich meine: SO, WIE DIE REAGIERTEN!
Michi schickte mir in Panik ein Warntelegramm: «ER IST EINE GIFTSCHLEUDER? LASS IHN NICHT REIN!»
Die Frage: WO rein? - die liess er offen.
Nur Innocent gab sich ganz klar: «Du empfängst ihn nur, wenn er Hausschlappen mitbringt, die Telefonrechnung selber bezahlt und mich draussen lässt?»
Die Frage: WO draussen? - die liess auch er offen.
Grethchen jammerte: «Er wird dich in der Luft zerreissen und sehen, dass du Nägel kaust. Er wird dir an die Wäsche gehen und jedes Label drei Mal umdrehen. Und was das Schlimmste ist: Er wird herausposaunen, dass du statt?Kultur-Agenda? nur?Tom und Jerry? guckst. LASS ES UMS HIMMELS WILLEN HÄNGEN?»
Wieder blieb die Frage offen: WAS hängen lassen?
Meine Nächsten reagierten also, als wäre die Pest auf Reisen.
«Jetzt hört mal», versuchte ich Mark ritterlich zu verteidigen, «er ist ganz harmlos. Und sehr nett. Und wo er immer so schicke Sachen trägt. Natürlich muss er manchmal Dreck schleudern. Aber das wollt ihr Heuchler ja von seinen Kolumnen. Hat nicht schon dieser alternde Rocker mit dem Schweisstuch ums schüttere Haar nach?mehr Dreck? geschrien? UND ÜBERHAUPT: Er hat Liz Taylor interviewt. Er hat Tom Cruise auseinander genommen. Da ist es wohl nicht mehr als gerecht, dass nun ICH dran bin?»
Daraufhin alle jammernd im Chor: «Dein EGOWAHN bringt dich noch ins Grab!»
Nun gut - soll Mark der Spaten sein?
Freitag - Als ich Mark van Huisseling zum ersten Mal begegnete, war das am Bildschirm. Nach seinen «Weltwoche»-Kolumnen habe ich mir eine zickige Tucke vorgestellt, unbefriedigt und sauerzwetschgig. Ich malte mir aus, wie die Triene mit dünnen, spitzen Fingern, strichdünn zusammengepressten Lippen und heiserm Kichern ihr Gift durch die Feder (Mont Blanc) verspritzt und aus den Stars dieser Welt Vogelheu macht.
UND DANN DAS: DER WAHRE MARK IST MARKERSCHÜTTERND ANDERS: NICHTS VON ALLEDEM! Das Tuckchen entpuppte sich als absoluter Macker mit urgemütlichem Berner Dialekt. Letzterer hebt sich angenehm vom phonetisch doch etwas arg verhagelten Zürichberg wie ein sanftes Schönwetterhoch ab.
ZU BESUCH - heissen diese «So leben sie»-Sendungen, die nie einer gesehen haben will und bei denen danach doch alle hitzig davon reden, was Star X oder Promi Y in seinem Eiskasten vergammeln lässt.
Tamara Wernli hatte beim Kult-Kolumnisten auf dem Zürichberg angeklopft. Auf dem Zürichberg sind die Preise höher, die Möbel polierter und die Goldränder an den Teetassen dicker als anderswo in Helvetien.
Bei Mark war alles anders.
RICHTIG LIFESTYLIG.
Er umgibt sich mit dieser coolen Nüchternheit, die alles so vornehm macht. Mark führte Tamara bescheiden und gradlinig durch seine ebenso bescheidene und gradlinige Innenarchitektur (im Fachjargon: die reiche Armut), die sein charmantes Wesen umso runder, barocker und teurer zur Geltung brachte.
«Er ist ganz anders, als er schreibt», sagte ich beim Nachtessen zu Innocent.
«Na ja», brummte der. Und dann: «Hast du diese Couch gesehen? die spricht ja Bände?»
Ach so, Innocent gehört übrigens auch zu den Menschen, die nie und nimmer eine Sendung «Zu Besuch bei» anschauen würden?
Samstag - Mark wartet am Hafen.
Zu Hause habe ich mich noch in Windeseile vom T-Shirt-Hascherl in die schrägschrille Schrulle umgespritzt: pinke Sonnenbrille von Fiorucci. Tomatenrote Hose von Gucci (die mich halb wahnsinnig machte, weil sie das Label INNEN hatte und ich eine halbe Stunde verdatterte, bis ich dieses abgetrennt und nach aussen genäht hatte). Dann: Garn-Gilet von Missoni und Zahnpasta von Pepsodent.
Er kam mit einem gemieteten Fiat.
Und er trug diese dunkle Sonnenbrille, die in Sizilien gerne von Mafia-Bossen, in unseren Gefilden jedoch von erblindeten Drehorgelmännchen getragen werden.
Er streckte mir die Hand entgegen:«Schön, dass wir uns treffen?»
Die Hand ist kraftvoll, die Finger lang - sicher hat er Handschuhgrösse extralarge. Das ist ein PLUSPUNKT für ihn.
Seine Lippen sind nicht zwetschgensäuerlich schmallippig, sondern luftkissenweich voll.
Und jetzt, wo er die Brille wegnimmt, strahlen da zwei Augen so blau wie eine Vase aus Delft und so auch an seine holländischen Wurzeln erinnernd.
«Mark van Huisseling?»
Ich zögere einen Moment. Schüttle meine zu kurzen Wurstfinger von seinem harten Druck wieder flauschig. Und sage dann: «Hammel?»
Er mustert mich lachend: «Ich habe Ihnen mein neustes Buch mitgebracht - HOW TO BE A STAR?»
Na - dann wird er ja bald um eine rosige Erfahrung reicher sein.