Von Spionen auf dem Dach und 136-mal SPAM im E-Mail

Donnerstag - Die Kembserweg-Omi hatte noch ihren eigenen Spion.

Natürlich wissen Sie junges Blut nicht mehr, was ein Spion ist. GEWESEN IST. KEINE SAU KENNT MEHR DEN SPION! Wir leben heute SPIOHNE!
In der Zeit des Betty-Bossi-Wunders und der vorgehackten Petersilie kommen Spione nur noch in TV-Thrillern vor. Dort tragen sie dann Aktenköfferchen und englische Regenschirme.
Manchmal sind es auch weibliche Spione - Spionannis genannt. Das sind oft sehr üppigbusige Damen, weil in jedem Busen ein Abhörgerät sowie drei Mini-Handgranaten platziert sind. Die Spionannis bezirpen Männer auf geschulte Art: AB IN DIE HEIA. Und schon lassen sie den Arglosen die Antennen rausfahren (aber nicht etwa, um mit denen zu spielen).
Um es anders zu sagen: die Spionanie hat sich mit den Jahren sehr verändert.

Freitag - DER PERSÖNLICHE SPION DER KEMBSERWEG-OMI HING NOCH ÜBER DACH.

Und die Omi hätte seinetwegen nie irgendwelche Antennen rausfahren lassen.
Das funktionierte ganz andersrum: Wenn es am Kembserwerg klingelte, war die erste Reaktion nicht etwa: HURTIGER GANG ZUM AUFDRUCKKNOPF.
Nein.
OMI GING ZUM FENSTER.
Sie äugte in einen kleinen, runden Spiegel, den ein geschickter Handwerker (JAWOHL - SO ETWAS GABS DAMALS NOCH) so angebracht hatte, dass das Spiegelbild die Haustüre sowie den Vorgarten zeigte. Und denjenigen, der nun bereits zum dritten Mal ungeduldig klingelte.

«DAS IST NUR MILCHMANN MEILI» - nuschelte die Omi in Richtung Spiegel. Ging vom Fenster zurück. Und öffnete nicht: «Der kann warten. Vorgestern war seine Milch sauer - heute bin ich es. Die Rechnung wird erst übernächste Woche bezahlt!»
Herr Meili konnte sich seinen Milchmannmahnfinger an Omis Klingelknopf grün drücken. DANK SPION WAR DA NICHTS. Und achselzuckend zog Meili weiter.

Das kleine Spiegelchen kündete damals ungeliebte Verwandtschaft, Klatschtanten aus dem Quartier und den Betreibungsbeamten an - IMMER SCHWIEG DER AUFDRUCKKNOPF. Und die Omi zog sich stumm in ihr Schlafzimmerchen zurück, wo sie auf dem Bettvorleger knieend dem Herrn für die Erfindung des Spions dankte.

HEUTE?
Da kann dich jeder und alles ungeniert besuchen. Nichts wird vorher ausspioniert. Ungefiltert tritt jeder in dein Stübchen. Sie belästigen dich fettgedruckt in deinem E-Mail-Briefkasten, und melden sich auch ungefragt im Telefonhörer (ausgerechnet, wenn du die verlorenen Eier absieben solltest): «Hallo - hier ist die Süddeutsche Glückslotterie. GUTEN TAG. SIE HABEN GEWONNEN!»

Es ist einfach der WAHNSINN!
Ich meine: Jeder bedient sich heute an dir, deinen Eiern und deiner Zeit, wie der Kreuzfahrer am Buffet des Traumschiffs.
Morgen für morgen muss ich zuerst einmal meine E-Mails ausmisten.
23-mal will man meinen Penis verlängern.
129-mal werde ich mit einer preiswerten Viagra-Alternative kofrontiert.
Immer morgens um 03.38 Uhr kommt die Nachricht herein, dass ich für die lustige Betriebs-Party unbedingt eine Seifenblasenmaschine brauche.
22 Minuten später: das Abonnement auf frische Socken - DAS MIR UND MEINEN STRÜMPFEN MIT NAHT!

Natürlich öffne ich all den Mist nicht.
Ich schicke ihn ungelesen in meinen virtuellen Papierkorb. So habe ich sicherlich schon einige tausend Mal den Hauptgewinn der Süddeutschen Klassenlotterie nicht eingelöst. UND ICH LEBE IMMER NOCH. Aber - zugegeben - ich lebe mühsam. Denn jeden Morgen hocke ich länger vor dem Computer, um all die Besucher zu entsorgen, die ich gar nie ins Haus gebeten habe.

IRGENDWIE FEHLT MIR OMIS SPION, DER ALLES GEFILTERT HAT.
OK. Es ist natürlich auch traurig, gar keine Post zu haben. Oder nur Frau Hildi Schwander aus Unterengstringen, die ich lediglich aus dummer Neugier (was will das Hildi Schwander aus Unterengstringen in meinem Computer?) nicht ungelesen in den Papierkorb befördert habe.
Leserin Hildli betrat meinen Computer klagend in 2 Zeilen: «Herr -minu, was sollen die 12 Eiweiss bei Ihrem Schokokuchen? Ich habe das Rezept genau befolgt. Die Eiweiss sind übrig geblieben...» Das erinnerte mich an jenen Tag, als Omis Spion einen traumschön gelatinierten Schnauzermann spiegelte. Die Omi drückte nervös am Korsett sowie den Klingelknopf: «Nanu - wer ist denn das? Da wollen wir mal nicht so sein und dem schönen Fremden das Türchen öffnen!»
Der Mann hiess Hugo Holzer und war vom Steueramt.
MERKE: NICHT ALLE SPIONE ZEIGEN DIE WIRKLICHKEIT.

Montag - 136 SPAM-Meldungen zum Thema: «WER HAT NOCH NICHT, WER WILL NOCH MAL... heisse Stuten suchen den passenden Sattel.»

5 Meldungen: «-MINU - SIE HABEN GEWONNEN!!!!!»

Donnerstag, 16. März 2006