Vom Abschied auf der Insel und Hänge-Porno

Donnerstag - Immer wenn auf der Insel die Yachten und Segelschiffe frisch aufpoliert wie alte Huren vom Festland an den Hafen gerollt werden, wenn sie wie gespenstisch glänzende Ufos zwischen süsslich duftenden Ginsterbüschen und den ersten violetten Feigen auf Riesencamions aufgebuckelt vorbeischweben, um dann elegant wie Schwäne ins Meer zu gleiten - dann gleiten wir auch.

Nicht ins Meer.
Nein.
Nordwärts.
Heimwärts.
ES IST ZEIT, DIE INSEL ZU VERLASSEN.
Auf dem ansonsten paradiesisch stillen Fleckchen, wo man Schlangen husten und Wildschweine schmunzeln hören kann, korkenknallt jetzt der Startschuss zu schicken Scheiaweia-Wochen.
Mit den Eröffnungs-Cocktails am Schwimmbad von Gucci, Puccis und Po wird der Goldlack angerührt und das neuste Hermes-Glockentäschlein eingeläutet. Die Paparazzi surren schon an wie die Fliegen zum Mist.
Jetzt überjetten alle diese italienischen Label-Namen wie Versace, Armani und Papagalli diesen Teil der Südtoskana, der während der restlichen Jahreszeit so viel mit Schick und Eleganz gemein hat wie die Queen mit einem Zahnstocher im Mund.
Inmitten von wild wuchernden Naturschutzgebieten werden plötzlich Nina-Ricci-Parfums zerstäubt oder Armanis Deostifte ausgerollt. Und die ersten fitnesstrainierten Arschbacken sind mit ihren Pink-Punk-Tiger-Höschen (Fiorucci) bereits an den Wildrosen hängen geblieben.
DAS ARGE ABER: Agnelli und Co. treiben nun die Preise nach oben wie die Kinder ihre Drachen im Herbst...
Ok. Das ist nicht mehr die baumwollwohlige Welt der Trämlerstochter, die den 5-Euroschein 10-mal umdrehen muss, nur damit Herr Innocent beim Kauf einer Aktions-Melone nicht gleich die Gurke macht. Unsere Uhr ist abgelaufen. Nun schlägt die Stunde der Reichen.
Deshalb: CIAO ZUSAMMI...!
Da ist der letzte Blick auf die Geranien, die in den vergangenen Wochen wie drachenflammenrote Neujahrsfeuerwerke explodiert sind. Wehmütig schaue ich zu den auberginefarbigen Passionsblüten, die wie eine sternblühende Milchstrasse an den Mauern kleben. Und ich spüre, wie mir die Augen tränen, was Innocent, diese Gefühlsrübe, den Kopf schütteln lässt: «Du solltest endlich etwas gegen Heuschnupfen unternehmen...»
HALLO IHR LIEBEN - SPÄTESTENS IN DREI TAGEN WIRD UNSER BLUMENLAND DIE WÜSTE GOBI SEIN. UND VERANTWORTLICH FÜR DAS WÜSTE IST GIANNI.
Zwar hat uns der Gärtner bei der Seele seiner unvergesslichen Grossmutter, der alten Loretana, die den bösen Blick hatte und kleinen Kindern die Warzen anhexen konnte... zwar hat uns der gute Mann also bei all seinen lieben Verblichenen geschworen, dass wir bei unserer Rückkehr ein Paradies voller Blüten, Blumen und herumgaukelnder Kätzchen antreffen würden.
GENAU SO GUT HÄTTE ER UNS DEN PAPST IN DER BADEHOSE PROPHEZEIEN KÖNNEN.
Kaum dass wir uns nämlich aus dem sprich- wie wörtlichen Staub machen, wiegt sich der Strolch in der Hängematte, schmökert die ausgeliehenen Porno-Comics seines Freundes Ernesto durch - und schaukelt sich in Exstase.
NICHTS GEGEN EINEN KLEINEN FREUDENSCHUB.
ABER MEINE BLUMEN DÜRSTEN.
DIE KATZEN HUNGERN.
UND DIE AUEN SIND BALD EINMAL SO TROCKEN WIE EIN SONNTAGSZOPF AM MITTWOCH.
Letztes Jahr ist Gianni bei der Lektüre dieser Porno-Bilderstories derart ins Schaukeln gekommen, dass es die Hängematte aus dem Krummnagel gelöst hat. Unser Gärtner ist daraufhin meteorartig auf den Boden und die nicht so heiss stimulierte Welt zurückgeknallt.
NOCH HEUTE BEZAHLT DIE VERSICHERUNG AUF UNSERM BUCKEL SEINEN RÜCKEN AB. Diesen Schwachköpfen von Agenten hat er tatsächlich weismachen können, das Ganze sei ein dummer Arbeitsunfall gewesen. Der Fall sei beim Pestizidspritzen auf der schwindelnden Höhe eines Olivenbaumes passiert.
HA! DER SCHWINDEL LIEGT KLAR ANDERSWO.
Ich sah den Nagel. Ich sah den Porno.
UND ICH WUSSTE ALLES.
Schon an der Auffahrt letztes Jahr habe ich Gianni mit einem Heftchen in der Hängematte erwischt. HORIZONTAL.
Damals waren es allerdings die Memoiren des Duce.
ABER AUCH DIE HABEN DEN ALTEN HAUDEGEN INS SCHWINGEN GEBRACHT...

Freitag - Die Insel ist nur noch Erinnerung.
In der Nacht bin ich schreiend aufgewacht, weil mir im Traum Negrita, meine schwarze Insel-Katze, erschienen ist. Sie hat mich vorwurfsvoll angeglotzt: «Gianni hat aus Mollenkopf?Ragoût diabolo? gemacht...»
MOLLENKOPF IST MEIN LIEBLINGSKATER. ER IST AUCH NEGRITAS LIEBLINGSKATER.
Und jetzt Ragoût. DAZU NOCH DIABOLO.
Um sechs Uhr früh habe ich auf die Insel angerufen.
Keine Sau ging an den Apparat.
Um 07.00 ditto. 09.00 ditto.
Gottlob.
Wer in der Hängematte wippt, sündigt nicht...

Donnerstag, 13. Juli 2006