Von einer TV-Sendung im Palazzo und Ananas im Orangenbaum

Donnerstag - Als ich im Römer Palazzo verkündete, ein Fernsehteam aus Basel sei im Anmarsch und man solle doch - verdammt nochmal - endlich die Spinnfäden von den Ganglampen fegen und die 35 verrosteten Vespa-Teile aus dem Hof wegschippen («facciamo bella figura!») - da hub ein Wirken und Treiben an, ein Striegeln und Schniegeln, dass es eine Freude war.

ALLERDINGS - SIE PUTZTEN WEDER GANG NOCH HOF. SIE FEGTEN AN SICH SELBER.
Meine kleine Mimma, dieses unscheinbare Persönchen, das sich im Putzfummel schlurbend durch den Tag fegt und immer irgendwo irgendeinen Lappen ausschüttelt, so dass sie Frau Holle ähnelt, nur dass hier keine Federn, sondern Tonnen von Staubwolken flocken, weil die Romani einen selber und alles recht staubig machen können - die kleine Mimma also machte auf ganz gross. Ihre verfilzten grauen Haare flammten plötzlich in Tizianrot. Die Augen hatte sie schwarz ummalt, so dass sie einer hysterischen Priesterin mit Bauchgrimmen ähnelte. Die Schürze hatte sie abgelegt. Dafür zeigte das kleine Wesen nun alles, was es zu zeigen hatte: Ein Mini-Rock, der kaum einen Bankcheck deckt, geschweige denn Scham und Schenkel, sass eng wie die Haut um die Leberwurst. Das T-Shirt offenbarte mir, dass die Putzmaus auch noch mit anderem wippen kann als mit Eimern - und schon spitzte sie die scharlachknalligen Lippen: «Wann kommt die Kamera?»
Oh Trottel Du - weshalb hast Du nicht geschwiegen?!
Ich hätte ja ahnen können, dass bei diesem Volk, wo täglich drei dröhnende Fernseher das Nachtmahl begleiten - einmal Kirchenkanal für die Nonna, einmal Trickfilm-Kanal für die Kinder, und einmal «Trans-Sex per tutti» für den Vater -, ich hätte wissen sollen, dass in diesem Land, wo den Menschen Handys ans Ohr und die Glotzen vor die Birne wachsen, jede Erwähnung einer Kamera-Equipe die Welt aus den Fugen geraten lässt. Weder das Erscheinen der Herren Ratzinger oder Prodi würde eine ähnliche Hysterie hervorrufen wie das Rotlicht des Aufnahmegeräts, dem stets tausend Hände wie zuckelnde Schlangen zuflattern und heisere Stimmen «ciao Zio... guardatemi? saluti a tutti» schreien.
«No camera? no film», gebe ich Mimma eisig den Tarif durch. «Vengono per me. ME grossgeschrieben - capito?!»
Dann nix wie ab ins Badezimmer.
Haare Färben (Stiefmutterschwarz).
Und auf den Leib: ein hautenges T-Shirt (KISS ME!).

Freitag - Zugegeben: Die Bewohner des alten Palazzos haben sich von der besten Seite gezeigt.

Marco hat die AS-Roma-Flagge über dem Eisentor flattern lassen. Die alte Cartucci hat ihren Plastik-Farn geschrubbt und Franco, der Portiere, hat in diesem etwas zu starken Aftershave gebadet, so dass die Wespen an ihm rumhingen wie die Traubenbeeren am Strunk.
In die Zweige des seit Jahren wurzelverstockten Orangenbaums haben wir zu dekorativen Zwecken ein paar Früchte gehängt. Erst als Mimma auch noch drei Ananas in den Ästen baumeln lassen wollte, musste ich eingreifen. Immerhin wissen gebildete Fernsehzuschauer, dass die Ananas nicht in Italien und schon gar nicht auf den Bäumen, sondern in den Büchsen von Hawaii wachsen.
Der junge Comte, dessen Vorfahren einst den ganzen Palazzo besessen hatten und nun wie bei einem Geburtstagskuchen immer wieder ein Stück abgeben müssen, damit die Feste weiter gefeiert werden können - Barone Umberto also kurvte mit seinem neusten Ferrari im Hof an, diesem Ferrari, der ihn wieder zwei Zimmer und einen Kaugummi-Händler von Dallas 400000 Dollar gekostet hat. «Vogliamo farla guardare alla Televisione», streichelte Comte Umberto zärtlich diese hahnenkammrote Blechkiste und hauchte ein Stäubchen vom Dach, ungeachtet all der weissgrau gesprenkelten Taubenscheisse, die sich rings um die rote Pracht herum auf Stein und Gemäuer des ehrwürdigen Palazzos abgelagert hatte.
SO WARTETEN WIR ALSO AUF DEN GROSSEN MOMENT.
Das Einzige, was jedoch kam, war ein Telefonanruf: «EasyJet hat fünf Stunden Verspätung. Wir verzichten auf die Sendung.»
Stumm haben die Bewohner des Palazzos die Orangen vom Baum gehängt. Umberto hat seinen Ferrari wortlos in die Garage gefahren.
Und ich färbte mein Haar wieder um.

Donnerstag, 12. Oktober 2006