Vom Wunder der Garagen, die gar keine sind

Donnerstag - Gianni hat mir auf der Insel eine Garage gebaut.

Das ist natürlich UNSINN.
Denn hier, an diesem Arsch der Welt, brauchst du keine Garage.
Du brauchst ein Schiessgewehr und Baldrian für die strapazierten Nerven. Dann noch etwas gegen Mücken und Schlangenbisse. ABER EINE GARAGE?
NEIN.
«Doch!», sagte Innocent. Und blinzelte Gianni verschwörerisch zu. Dieser blinzelte zurück und machte die offene Hand. 100 Euro wechselten den Besitzer.
DA STINKT DOCH ETWAS ZUM HIMMEL!
Jawohl, meine Lieben - die Sache ist oberfaul und die Story diese: Als die liebliche wie leibliche Tochter des Fiat-Gründers Agnelli in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts unsere Insel entdeckt hatte, beschloss sie, Senatorin zu werden. Und das Kleinod am südlichsten Zipfel der Maremma tapfer zu beschützen.
Als Fiat-Tochter, deren Familie unter dem Faschismus noch im 2. Gang abgefahren ist, hätte ihr die Partei der Könige und Nobili wohl angestanden. Sie hätte dort die Fiat-Queen-Mother werden können.
WOLLTE SIE ABER NICHT.
Sie ging zu den GRÜNEN, weil das ein wundervoller Gegensatz zum hausgepressten Fiat-Motorenöl war. Überdies hatte sie von ihrer Familie die Nase voll. NA JA - SO WAS KOMMT VOR.
Susanna hat mit den Ihren in einem witzigen Buch «Wir trugen damals Matrosenkleidchen» (oder so ähnlich) abgerechnet. Dann hat sie (mit dem abgerechneten Geld) die halbe Insel gekauft und diese als Senatorin der Grünen unter «Naturschutz» stellen lassen.
SO KOMMT ES, DASS ICH EINEN GÄRTNER HABE, DER UNTER NATURSCHUTZ STEHT.
Dieser Gärtner also blinzelt nun Innocent zu und hüstelt: «Wir bauen eine Garage, Signore?»
«Jawohl Gianni», sagt Innocent. Und wenn dieser mal nicht widerspricht, ist die Sache faul. OBERFAUL, sage ich euch!
Bald einmal musste ich merken, dass auf dieser Insel, wo nichts und niente gebaut werden darf, Garagen wie Pilze nach einem warmen Septemberregen aus dem Boden schiessen.
Auch unsre schiesst.
Und wieder einmal musste ich mich fragen: Weshalb soll unser Auto auf diesem Flecken Land, das von Schlangen und Wildschweinen regiert wird, besser wohnen als wir? Seit Jahren liege ich Gianni in den Ohren, er soll mir doch zumindest die Küche vergrössern. Diese ist so winzig, dass ich die Omelette im Hof wenden muss.
Aber jedes Mal winkt Gianni ab: «Unmöglich, Signore. Bauverbot!»
UND NUN STEHE ICH VOR EINER GARAGE, DIE EIN PALAST IST.
«Pssst!», zischt Hölzli, wie ich lostoben will.
«ZITO!», hält Gianni mir die Hand vor den Mund.
Sie öffnen das Garagentor. Ein venezianischer Kerzenleuchter funkelt mir zum Gruss entgegen. Der Boden ist mit teuren Terracotta-Platten ausgelegt. Und leise summt eine Stereonlage all das Liebe und Schöne von Eros Ramazotti.
SOLL MEIN ALTER VW MIT EROS RAMAZOTTI SCHMUSEN?
Und weshalb sollen seine abgelaufenen Winterfinken auf teurem, handgeknetetem Terracotta fahren?
FRAGEN ÜBER FRAGEN.
Innocent kichert. «Du Dummi - das ist doch nicht fürs Auto. Das ist künftig unser Studio. Das mit der Garage ist eine gestiefelte Ausrede alla italiana?»
ICH MACHE ES KURZ: Der Naturschutz und der Baustopp auf der Insel waren wunderbar, solange die Wirtschaft gut lief.
Dann kam die Krise. Die Inselbewohner hatten keine Arbeitsaufträge mehr. Also wurde ihnen gestattet, Garagen zu bauen. NUR GARAGEN - wohlverstanden. Das hatte sich die Regierung in Porto Santo Stefano ins Protokoll eintragen lassen.
DARAUFHIN HABEN HIER ALLE UND JEDER GARAGEN BAUEN LASSEN.
Diese Garagen sind kleine Wohnungen, Tanzsäle, Kinderzimmer? aber sie haben einen winzigen Nachteil: das Garagentor. Das muss nämlich immer geschlossen sein.
Wenn ein Polizist nun auf seiner Insel-Kontrolltour ein offenes Garagentor sieht, donnert er ledergestiefelt auf dem Motoguzzi-Töff herbei. Schüttelt den Zeigerfinger: «Zzzzz - questo non è un garage. Questo è un appartamento?»
Dann verriegelt er alles mit Siegeln und Ketten. Jetzt muss der Garagenbesitzer aber zünftig Pinke hinblättern, damit die Obrigkeit ihm die Siegel wieder wegmacht. Und die Pracht aus den Ketten legt.
So kommt es, dass die Menschen eine Garage und wieder Arbeit haben.
O.k. Die Garage ist ein Fernsehzimmer, ein Clubhaus oder ein Massagesalon mit Autobahnanschluss.
ALLERDINGS - KEINER KANN DIE GARAGE NUTZEN. SIE IST RUND UM DIE UHR GESCHLOSSEN.
Die Autos stehen wie immer unter den Feigenbäumen.
UND WENN ICH DIE OMELETTE WENDEN WILL, MUSS ICH NOCH IMMER IN DEN HOF HINAUS!

Donnerstag, 4. Mai 2006