Von der prallen Principessa und Milben auf der Insel

Donnerstag - Schon als Olga mich anrief und von dieser «zauberhaften» Principessa mit dem Stammbaum bis hin zur giftsprühenden Lucrezia Borgia rumfaselte, da vibrierten in mir alle Warnantennen.

ABER ALLE. UND HEFTIG!!!
Neben mir klöhnte Gianni - unbeeindruckt darüber, dass ich mich am Telefon unterhielt - von seinem Rheuma in den Armen, der Wassserknappheit (welche die ganze Olivenernte in Frage stelle) und diesen neuartigen Insekten, die rote Stiche an Bauch, Lenden und noch ganz, ganz andern Orten hinterlassen würden?
«Er hat Filzer», dachte ich für mich.
Dann hiepte ich doch etwas entnervt ins Telefon: «Aber natürlich kannst du mit ihr vorbeikommen, meine Liebe - lass uns aber zuerst ganz einfach einmal die Klamotten auspacken!»
Schliesslich knallte ich den Hörer auf die Gabel, so dass die porzellanige Nymphe mit dem Schäfer entsetzt in Brüche ging, und sah auf dem Hof meinen Mollenkopf, wie er an einer Rothaarigen rumtingelte.
SCHUBKARREN-STELLUNG!
DAS VON MEINEM LIEBLINGSKATER, FÜR DEN ICH 200 DOSEN KITTEKATT ÜBER DEN GOTTHARD GEFAHREN HABE.
Gianni lag mir noch immer mit diesen kleinen Insekten , die ich einfach als «questi sono Milbi?» italienisch unkorrekt abtat, in den Ohren - aber Gianni hatte eh kein Gehöhr mehr für mich. Unser Gärtner schaute gebannt Mollenkopfs rhythmischen Bewegungen zu, kratzte sich anerkennend am Hosenladen und linste dann mit diesem verglasten Grappa-Blick. «Haben Sie schon die Principessa gesehen, Signore??»
Er küsste seine maschinenölverschmierten Finger: «So prall wie frischer Mozzarella?»
PRALLER MOZZARELLA?
Spätestens jetzt schellten die Alarmglocken auf Hochtouren. Ich wollte keinen prinzesslichen Mozzarella in meinen Gefilden. Ich habe schon genug Probleme mit seltsamen Grätzekäfern, mit Olivenbäumen, die den Lätsch machen, und mit Innocent, der - kaum sind wir angekommen - sofort die Weinflaschen nachzählt: «Eine fehlt - Gianni hat mal wieder?»
«Nein, hat er nicht», verteidige ich den armen Menschen. «Ich habe den Rindsbraten darin eingelegt?»
Nun kriegt Innocent wieder den Rappel: «Dich hats ja - das ist ein teurer Wein. 3 Euro die Flasche und?»
In diesem Moment kam mir der pralle Mozzarella wie gerufen: «Wir bekommen hochfürstlichen Besuch? da können wir uns ja nicht lumpen lassen!»Ich zeichnete das Bild einer prallen Prinzessin. Und Innocent tat sie mit einer Handbewegung ab: «Typische Trämlerstochter-Mentalität - buckeln vor dem Fürstenhof! Für diese Hochglanz-Trine hätte es doch auch der Tiroler Hauswein getan?!»
(In diesem habe ich allerdings eine Essigmutter angesetzt, was nicht nötig gewesen wäre - er ist so sauer, dass wir damit die Fenster klar putzen können?)

Freitag - Als ich sie sah, sträubte sich alles Gute in mir.

SIE STÖCKELTE IN 20-CENTIMETERHACKEN ÜBER UNSERN SCHOTTER, BLIEB IM JAUCHEDOHLELOCH-DECKEL STECKEN UND WARF MIR EINEN DERART GIFTIGEN BLICK ZU, DASS ICH SOFORT KAPIERTE, WESHALB IHR TAUFGESCHIRR NOCH VON DEN BORGIAS STAMMT?
«Principessa Nutella ist rote Teppiche gewohnt?», kicherte Olga verunsichert.
Ich kicherte nicht. Ich streckte dieser prallen Nobeltrine meine geschundene Hand entgegen - diese blieb jedoch in der Luft, weil Nutella Herrn Innocent sichtete, der sich doch tatsächlich seinen weissen Anzug und eine Hermes-Krawatte angeworfen hatte: «Ooohhh», sülzte er. «Man hat uns viel von ihrer sprichwörtlichen Schönheit erzählt, Hoheit?»
DIES SO VIEL ZUM THEMA TRÄMLERSTOCHTER UND BUCKELMENTALITÄT!
Siehe da: Nutellas Gewitter-Gesicht zeigte das strahlende Lächeln der aufgehenden Sonne: «Sie müssen Innocente sein, Signore? unsere Freundin Olga schwärmt ja für Sie und?»
DARAUFHIN HAT DER ALTE GOCKEL DAS RAD GESCHLAGEN, ALS SEI ER NICHT ERSTERES, SONDERN EIN PFAU.
Ich wurde stehen gelassen, wie ein vergessener Schirm in der Quick-Pizzeria.
Schon säuselte und turtelte es auf der Loggia, als wären die Glühwürmchen wieder am Tanzen. Anna-Maria musste hurtig einen Cocktail aus Champagner («aber französischem!»), gecrashtem Eis («poco!poco!») und frisch gepressten Orangen zubereiten. Die Ärmste , die bis anhin nur die Sautränke für Giannis Zuchteber Max gemixt hat, wurde von Principessa Nutella energisch zurechtgepfiffen: «Wo ist das Minzen-Blatt?!»
Daraufhin hat sie der prallen Schönheit eine Antwort gegeben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, für die ich ihr aber ab sofort den Stundenlohn um 50 Cents erhöhen werde.
«LIEBER GOTT - TU ETWAS!», weinte ich in der Küche.
Und er erhörte mein Flehen.
Am andern Tag rief mich einmal mehr Olga an: «Du solltest sie sehen... überall rote Pusteln? sie sieht aus wie ein geplatzter Streuselkuchen? habt ihr irgendwelche Milben?»
«Milbi», sagte ich.
Und wusste, was ER gemeint hatte, als ER den Menschen verkündete, dass jedes Ungeziefer dieser Welt auch seine guten Seiten habe?»

Donnerstag, 7. September 2006